... don't accept excuses



Pop-Art ist gemeinhin nicht so mein Ding. Knallig, flächig, häufig seriell - und selbstredend viel zu bunt - so kann mein herbstliches Herz nicht pochen. Der Luxemburger Michel Majerus (1967 - 2002) hat demnach kein Heimspiel auf meinem Aufmerksamkeitsradar. Sein Sampling von moderner "POP"-Ikonographie, so Robert Fleck von den Deichtorhallen auf der Vernissage, mag neue Technologien nutzen, digital genährt und dann doch gemalt sein - eine "Überführung der Malerei in ein neues Jahrhundert" drängt sich mir nicht als vordergründige Assoziation auf.

Vielleicht ist mir zu wenig Sex in diesen Bildern, vielleicht betont Fleck auch zu sehr die Momente des "Konstruierten" und des "Aufwendigen" der aktuellen Hängung. Geschenkt. Es ist groß, monumental (einzelne Werke erreichen 10 Meter Kantenlänge), bunt und oft genug ein Schlag ins Gesicht. Doch der Supermarkt visueller Codes ist mir spontan zu sehr mit dem Kopf und zu wenig mit Bauch, Herz und Lenden entworfen. Malerei, die nicht den Akt des Malens repräsentiert, sondern eine reflektierte Welt, die selbst schon hohl ist. Platt und zweidimensional. Dritte Hand.

Aber dann: Muß man diese Bilder sehen und davorstehen, klein nämlich, kleiner als die niedliche Katze und die großen Augen. Dort, in der Rezeption, liegt die eigentliche sinnliche Erfahrung dieser Bilder. Kleingemacht, demütig unter den schäbigen Resten billiger Klebebildchen-Ästhetik, wie ein Wurm im Angesicht des Brillo-Boxen-Turms - entfaltet die ZEICHEN-Kunst ihre Kraft. Erdrückt von Ikonen und Versatzbildern wie Titeln von The Face oder Postern von Marilyn Manson mag man den täglichen Beschuß mit Pixeln, Infografiken, Werbung und Kunstzitaten , die Dialektik aus Fassade und Sein körperlich nah erfahren. Nur neu, neu finde ich das alles nicht. Man muß nur einen Gang durchs Museum Ludwig in Köln unternehmen, um zwischen warholisch-rauschenberg'schen Lichtensteinen und dem vostellpaik'schen Fluxus-Zirkus ganz ähnliche Ansätze zu finden.

Michel Majerus kam 2002 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Seine Bilder jedoch sind überlebensgroß.

(Michael Majerus - demand the best, don't accept excuses.
Hamburg, Deichtorhallen - 18.11.2005 - 26.1.2006)

Flanieren | 11:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
bartleby - Samstag, 19. November 2005, 00:15
Kunst ist schwer, fällt ab & auf & ist vielleicht ein Glück verheißendes Ärgernis … nicht perfekt, führt nicht zu sauberen Trennungen, hat dennoch Methode … stellt Wirklichkeit aus, zeigt "Bilder" auf & dreht sich & uns … ist versatil … behandelt unseren Alltag … vergeblich & verrückt … do it like mad … but … 'for rest bad', ParkeH… dreht um, verkehrt, überträgt & läßt lästige Reste aus dem Rahmen fallen … no frame no shame …
… wath (wie stimmloses TiÄtsch gesprochen) ist los?, Herr Kid, in Frau'nBlogs blu(e)t't's fervent & Sie lassen sich Biss auf einen frühen KERN lydiaDentOs lunchen … & wir beide, wir beiden permanenten ParekBasen kämpfen windmill'imetern gegen das Kartell der Mittelmäßigkeit??!?
Ich war so vermessen mein ZeilenLimit zu überschreiten, da bisher hier sonst niemand schritt.

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kid37 - Samstag, 19. November 2005, 01:22
Meine Windmühle steht derzeit unter zu starkem Wind. Zuviel Frohn (auch Lohn, aber kaum Befriedigung), immer nur Korn mahlen, kleineres Brot backen... arbeiten&schlafen, arbeiten&schlafen summt die Mühl' (nicht mal Otto könnt ich da assozieren!)... kein Aktionismus eben, kein Blut. Deshalb reicht es nur zum plakativen Pop und krachentleerten Subpop.

Den Kern, den Kern treffe ich schon wieder. Hoffe ich.

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bartleby - Samstag, 19. November 2005, 13:26
Tja, der OTTO. Einerseits (1963)die (vor)pubertären VersandhausMaderln in Unterwäsche (obst-kore SchiesserGedankenFrüchtchen) & andrerseits die von Muehl abgekupferten ersten materialen Bilder, die von unseren Eltern in einer 'konzertierten' Aktion (sie haben nie begriffen, dass sie unbewusst die Intention Muehls praktisch werden ließen) zerr-nichtet wurden.
Es wird Ihnen nicht helfen: Aber ich kenn' das mit der Frohn & dem Brot meiner frühen Jahre (auch wenn's keine Waschmaschinen waren) … aber ich "bin" der 2 Bildungs(um)weg, da frohnte's stark zu Zeiten, seit vielen, vielen Jahren nicht mehr:
an seinen schläfen lagen schon
mit vierzig jahren weisze garben,
und seiner züge tiefe narben
verriethen steter sorgen frohn
v. Droste

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3und20 - Samstag, 19. November 2005, 15:10
immer wenn sie über kunst schreiben, herr kid, verknalle ich mich ein ganz kleines bißchen.

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kid37 - Samstag, 19. November 2005, 23:51
In die Kunst, natürlich. In die bin ich ja auch verknallt.

3und20 ist übrigens als Blogpseudonym ein Fest für Zahlenmystiker. Sehr schön.

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pappnase - Samstag, 19. November 2005, 23:56
ach, sie mögen bloss diesen lachenden mund, dort...
ich auch.

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bartleby - Samstag, 19. November 2005, 18:41
Ein wundervolles & anrührendes Kompliment von der Dame 23. Ich kann da nur beypflichten … ich "verknalle" mich zwar nicht, bin aber stets sehr beeindruckt davon, wie leichthändig Herr Kid zweihändig schreibt … zuweilen will ein wenig Neid mich hitzig herzsinnapsen, aber nie senkt sich mein LeseBlick ohne ein wehe flatterndes Licoeuren auf die Didots & Garamonds aus der tiefgründigen casse des Herrn Kid.
Ach, haben Sie übrinx erkannt, woher die Gesichter auf meinem Parzenbild sind??

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kid37 - Samstag, 19. November 2005, 23:53
Ich hielt die Augen fast geschlossen und läuerte nur vorsichtig. Ich befürchtete, die Dame zu kennen, die mir den Lebensfaden abschnitt. Kurz dachte ich sowieso, Sie meinten mit der mythischen Trinität die Damen M., A. und G. Gepaßt hätte es schon. Wenn es nicht zu schlimm oder peinlich für mich wird, helfen Sie mir doch auf die Sprünge.

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bartleby - Sonntag, 20. November 2005, 15:06
Sie kennen das Vexieren mit Bildern. Als Kinder war's ein Fascinosum - uns. Wie konnte das sein? - 2 in 1. - Und das, nur durch das Ändern der Perspektive. Später fand ich - mit Nietzsche - das Perspektivische, das Paradoxe, das Vexieren als die ständige, subversive Arbeit einer texturalen Konstante, die metamorphe Ungeheuer gebiert. Zumal wenn der 'Ernst des Begriffs, der in die Tiefe steigt', obwaltet … & ich ließ ihn leicht lächeln, den Begriff, über andere und besonders über mich. Ich selbst: Der berühmte AufsitzerWitz!!

Hier (mit den Parzen) ist's ganz einfach, sogar flach vielleicht (& jetzt beginne ich mich zu schämen). Es sind die tiefgründigen Gesichter der Portraits von Dolron. Jene weiblichen, phantasmatischen Ant-Litze, aus denen wir BegehrensNetze wirken, ohne je selbst im Zentrum die gesponnenen Fäden zu beherrschen; aber dies notwendig vergessen (müssen), um nicht in Sinn(en)verwirrung delirant zu (ver)fallen (Herbst eben).
Sie sehen, ich greife nur den Knochen auf, den Sie mir hinwerfen. Ich der Hund & Sie der Herr & ich der Knecht … aber ich eben damit auch der Hündische … der Cyniker!!

Natürlich hat das Bild noch eine zusätzliche (Initialen (M.A.G))-Dit-mension, aber diese sehr private Note maße ich mir nicht an, ins Offene zu stellen.
Jetzt, nachdem Sie's wissen, sagen Sie bitte nicht: "Schade, so einfach?!" Denn sooo einfach war das gar nicht!

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kid37 - Montag, 21. November 2005, 13:37
Das Paradoxe ist überhaupt... die Kraft des Oxymorons, auseinanderstrebend und zusammenfallend. Die schmale grenze zwischen dem was mman sieht, weil man es so gelernt und akzeptiert hat - und dem verblüffenden, irritierenden Spiegel.
Das Auge in der... (gehört jetzt nicht hierher).
The Story of an Eye/I.

Im Netz des Begehrens kann es ganz schnell ungemütlich werden, wenn einem die eigenen, klebrigen Spinnfäden umwickeln, verwirren und in einen hermetischen Kokon sperren. Da sind dann unsentimentale Parzen hilfreich, die hier und da einfach Fäden trennen. So webt es sich und trennnt es sich.

Hauptsache, am Ende ist jemand da, der einem die Silbermünzen auf die Augen legt.

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