Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft

Frau Death fragte neulich danach. Hier also der Schirm meiner schönen neuen Stehlampe. Eine alte Industrielampe an einem mittlerweilen rostig geworden Eisengestänge (mit Gelenk), komplett am Tragbalken herausgesägt. Das Balkenstück, an dem die Lampe einst aufgehängt war, dient nun als Fußteil. Schönes Detail: ein Drehschalter aus Bakelit am Ende des Emailleschirms schaltet die Lampe an und aus. Komme mir keiner mit Manufactum. Patina, Wertigkeit und Geschichte liefern die nicht mit.

Die Lampe kostete 4,50 Euro. Für den Koffer wollte der Händler deutlich mehr sehen, zehn Euro war seine Erwiderung auf meine gebotenen fünf. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns auf sechs. Schließlich gibt es immer wieder das eine oder andere zu bemängeln. Und das tue ich dann auch. "Gerber Koffer sehen die Welt" verspricht das dreieckige Metallschild an einer Seite. Dafür ist er noch ziemlich gut erhalten. Im Inneren ist eine Teleskopstange angebracht, an der man Hemden oder Korsagen aufhängen kann. Ein Ring mit zwei Schlüsseln fand sich beim Saubermachen auch noch. Zusammen mit der Stehlampe rundet das hübsche Stück nun meine Leseecke ab.

So sitze ich, zwischen Rost und den abgewetzten Erinnerungen vergangener Reisen anderer Menschen und blättere in Büchern und Magazinen, den Versprechen auf eigene Reisen. Und die beginnen ja bekanntlich im Kopf. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft - das ist doch alles eins. Im Traum geht immer alles ganz schnell und unendlich langsam zugleich.

Homestory | 16:32h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Freitag, 17. Juni 2005, 16:53
Wow!
Diese Lampe ist das perfekte Gegenmittel für beleuchtungstechnisches Burnout-Syndrom. Zumal Sie mit Sicherheit nicht so stillos sein werden, da Energiesparlampen reinzudrehen.

Aber Drehschalter am Ende des Emailschirms leuchtet mir ergonomisch nicht so ganz ein. Oder ist das hintere Ende, das nicht ganz so schwarz aussieht, auch emailiert?

 link  
 
kid37 - Montag, 20. Juni 2005, 03:37
Das hintere, bräunliche Ende ist der Bakelitschalter. Das ist quasi ein Aufputz-Drehschalter, wie man ihn auch für eine Wandmontage verwendet hat.

 link  
 
mark793 - Montag, 20. Juni 2005, 16:50
Verstehe!
Ziemlich raffiniert. Mehr als 60 Watt (oder 25 Watt bei E-27er-Halogener mit Reflektor) würd ich der Leuchte (Lampe bezeichnet streng genommen nur das Leuchtmittel, was ich weiter oben ja auch durcheinandergeworfen habe) aber nicht dauerhaft zumuten. Wobei es natürlich auch drauf ankommt, wo genau die Fassung sitzt undsoweiter. Im Zweifelsfall würd ich vor einer Dauerbenutzung die Verkabelung sehr genau angucken, ob die Isolierung an beanspruchten Stellen schon mürbe ist. Ich hab bei nem Freund, der solche leuchtenden Altertümer in größerer Zahl besitzt, schon so manchen Horror gesehen - und so manches gute Stück lieber nochmal komplett neu verkabelt...

 link  
 
kid37 - Dienstag, 21. Juni 2005, 03:20
60 Watt reichen aus, es soll ja ein wenig heimelig bleiben. Und selbstverständlich wird die Kabelage von mir überprüft. Nach so vielen Jahren wird die Isolierung vor allem an den Übergangstellen und solchen, die ständig unter Zug stehen, leicht brüchig. Energiesparlampen kommen mir übrigens nicht ins Haus. Diese fahle, gelbliche Licht kann ich nicht gebrauchen. Ich las mal von einer psychologischen Studie, nach der Liebe unter Energiesparlampen aggressiv machen solle. Ich kann das voll bestätigen. Nicht nur im Schlafzimmer - diese Funzeln sind die Pest. Nach der Revolution werden die gleich nach den Salzkristalleuchten erschossen.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 21. Juni 2005, 03:36
Ganz so rigoros
bin ich in der Birnenfrage nicht. Ein paar Energiesparer gibt es hier im Haushalt, aber in Kontexten, wo ihre Nachteile nicht groß zum Tragen kommen. Das Schlafzimmer ist für diese Lampenvariante aber selbstredend off limits. Ich habs mehr so mit Halogenern, aber nicht diese albernen Seilbahn-Konstruktionen an der Zimmerdecke, sondern die für ganz normale E14 und E27-Fassung und 230 Volt - da hat hat man nicht das dumme Trafo-Gebrumme beim Dimmen.

Auch Salzkristallfunzeln laden mir längst nicht mehr die Knarre durch. Ich fürchte, ich werde allmählich altersmilde...

 link  
 
evasive - Freitag, 17. Juni 2005, 17:35
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, in den Träumen ist das einerlei, ob lange her oder niemals wahr, in den Träumen ist es jetzt, immer jetzt, immer in diesem Moment und irgendwann einmal, in der Ewigkeit, nach der nichts mehr kommt, dehnt sich dieser Moment aus und bleibt.

Ich habe eine Holzdeckeltruhe, mit Schloss und Schlüssel, gross genug, um mich selbst hineinzulegen und den Deckel zu schliessen, ich komme nur leider nicht an das Schloss, wenn der Deckel zu ist, um abzusperren.

 link  
 
maichance - Samstag, 18. Juni 2005, 20:22
ich beneide sie ja immer wieder für ihre fundstücke vom flohmarkt, dies zeigt mir immer wieder dass ihre flohmärkte einfach attraktiver sind. unsere sind mit ruinösen auflagen einfach zu grunde gerichtet und meist finden sich nur noch händler ein die dann ebenso ruinöse preise feilbieten.

 link  
 
kid37 - Montag, 20. Juni 2005, 02:21
Ich muß dazu sagen, daß ich seit zwanzig Jahren Flohmärkte abklappere, die letzten Jahre beinahe wöchentlich. Und oft genug war auch nichts dabei. Dann schlendere ich nur, schaue, unterhalte mich mit Verkäufern oder beobachte die Leute. An anderen Tagen ist wieder mal was dabei, für einen Euro oder ein bißchen mehr. Denn das ist ja der halbe Spaß: Schöne Dinge günstig erwerben.

Heute war ich auf zwei kleineren Trödelmärkten. Auf dem einen gab es eine Menge Bücher vom Merve-Verlag, sehr interessante Sachen. Es reichte dann aber nur zu Blixa Bargelds "Stimme frißt Feuer". Der andere war viel schöner, ein Nachbarschaftsflohmarkt im Innenhof einer alten Feuerwache. Selbstgebackene Kuchen, Infostände, nette Leute die nette Dinge zu verkaufen hatten. Ein Laserdrucker mit halbvoller Kartusche für 1 Euro war wirklich eine Versuchung, mir aber zu voluminös in dem Moment. Einem Stapel alter Werktisch-Schubladen mit schwarzen Metallgriffen konnte ich ebenfalls kaum widerstehen (aber was tun damit, so ohne Schrank dafür?). Dafür ergatterte ich ein sehr altes Klemmbrett aus Metall im recht seltenen, von mir aber geliebten, Format Din A 5. Ganz großartig und nur 1,50 Euro.

Da kann ich die ganzen Notizzettel mit den Gedichten für meinen Lyrikband "Mein Stimme frißt kein Feuer" dranklemmen.

 link  
 
lady.death1 - Montag, 20. Juni 2005, 10:56
Oh, die Lampe ist echt witzig!
Ich stehe ganz auf Deiner Seite ,
das auf Alt gemachte, das hat nicht wirklich Charme .
Und das " jagen" und "sammeln" von alten Stücken ist allein schon süchtig machend ...
Der Koffer ist toll, und echt ein Schnäppchen!! Sowas such ich auch noch.
Hier meine Buschtrommel:
Und mein Koffer ( der hat sogar Stempel von Übersee 1926!!) Allerdings hat das gute Stück 140 Euro gekostet.
ist er aber wert. Für mich.
:)

 link  
 
au lait - Montag, 20. Juni 2005, 19:05
Wahnsinnig schick!

 link  
 
kid37 - Dienstag, 21. Juni 2005, 03:31
Schöner Koffer, schöner Ethno-Kram. Preise sind bei so was völlig egal, man zahlt, was es einem wert ist, das sagen Sie genau richtig. Es sind ja auch die Geschichten und Erinnerungen, die solche Dinge ausstrahlen, die unbezahlbar sind. Ein Ikea-Regal hat mich noch nie auf die Reise geschickt.

 link  
 
brittbee - Montag, 20. Juni 2005, 16:29
o. t.
Herr Kid, Sie fehlen mir.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 21. Juni 2005, 03:12
Sehr nett von Ihnen. Glauben Sie mir, ich fehle mir derzeit selbst am meisten.

 link  
 
brittbee - Dienstag, 21. Juni 2005, 20:24
Hm. Habe ich mir schon gedacht.

 link