Des Forschers wichtigster Freund: Das Notizbuch
Angeregt durch die wunderbare Sammlung Kosmos großer Entdecker verlasse auch ich mein Haus höchst selten ohne Feldforschungsnotizbuch. Meine Wege führen natürlich nie so weit wie die der erwähnten "großen Entdecker", aber man könnte mich den Jean-Henri Fabre meines kleinen Viertels nennen. Von der Eingangstreppe aus (manchmal auch nur beim Blick aus dem Fenster) notiere ich besondere Naturereignisse in meinem kleinen Buch, halte Augenscheinlichkeiten in akribisch ausgeführten Zeichungen fest und sinniere über Zusammenhänge, Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten, Sinn und Zweck, Ernst und Unsinn der scheinbar unscheinbaren Natur in meinem Umfeld. Denn nicht alles findet man in Büchern. Man muss hinaus in die Natur, in die Wälder, um das Leben zu verstehen. Denn erneut sei an Ralph Waldo Emerson erinnert, der mahnte: "Books are for the scholar's idle times. When he can read God directly, the hour is too precious to be wasted in other men's transcripts of their readings."
Ein seltener Gast: Die Brotspinne
Insekten, Spinnentiere, Pflanzen und geologische Besonderheiten zeichne ich zur Erinnerung und späteren Forschung auf, manchmal nur in feingliedrigen Bleistiftzeichnungen, manchmal delikat ausgeführt in Aquarellkolorationen, man sieht mich oft mit einem zugekniffenen Auge auf einem großen Stein oder Baumstumpf sitzen, den Fluchtpunkt meiner Perspektive mit dem Bleistift anpeilen und rasch ein paar Punkte auf den Punkt und aufs Papier bringend.
Das Blatt, das sein Grün verlor: Naturprozesse gerichtsfest dokumentiert
Auch Ableitungen aus Naturgesetzen und anschauliche Demonstrationsbeispiele füge ich hinzu. So wie dieses einstmals grüne Blatt von einem Baum, der in der Nähe des ehemaligen Freibades stand. Dieses ist nun abgerissen, das Wasser aus dem 50-Meter-Olympiabecken folglich weg - und wir sehen anschaulich, wie die Veränderung in der Feuchtigkeit im Mikroklima des Viertels die Pflanzen verändert: Keine zwei Jahre später ist das ehemals saftige Blatt ganz braun und brüchig geworden. Ich werde diesen Fund und diese beachtenswerten Vorgänge auf der nächsten Sitzung der naturhistorischen Vereinung zu Hamburg in einem kleinen Vortrag erläutern und so meinen Beitrag für die wissenschaftliche Forschung leisten.
Auch kleine Krabbler können wichtige Spurenträger sein: eine detailliert erfasste Ameisenfußspur
Wie sonst nur ein Entomologe in der Rechtsmedizin beobachte ich auch die vielfältigen stummen Zeichen und Signale der Tierwelt. Wie diese Fußspuren einer Ameise (Abb. 4), die ich im feinen Sand fand und exakt nachzeichnete. Für eine Sicherung als Gipsaabdruck zu fein, zeigt hier das Notizbuch und eine spitze Tuschefeder ihre Stärken. Punkt für Punkt tupfe ich den Verlauf der Spur nach, mache sie stellenweise überhaupt erst sichtbar und erhalte sie so für weitere Analysen und Forschungen am heimischen Labortisch. Die Ameise: Wo kam sie her, wo ging sie hin - Fragen, die auch uns Menschen beschäftigen, im realen wie im übertragenen, philosophischen Sinn.