Aus dem Leuchtturmbüro



Tief eingegraben in Arbeit stecke ich seit einiger Zeit im Heimbüro fest, wälze Tabellen und Messberichte, technische Unterlagen und übe mich in einer Lingo, die nicht ganz die meine ist. Zur Begleitung zwitschern mir Vögel was ins Ohr, manches verlockend, manches auch gar nicht mal so sehr. Immer wieder erwische ich sie dabei, wie sie Lesezeichen, Notizzettel und ganze Seiten aus meinen Manuskripten zupfen, um damit Nester zu bauen. Frühling, diese lästige Jahreszeit zwischen triebhafter Aufgeregtheit und unentschlossenem Wetterverhalten.

Man soll auf Internetversprechen nichts geben, also auf Texttafeln wie "Hier entsteht eine Webpräsenz" oder "Ich blogge bald öfter"; das sind Ankündigungen, denen selten Taten folgen. Das hat man in der Regel rechtzeitig im Leben gelernt, etwa wenn es heißt "Bald gehen wir gemeinsam in den Zoo" oder "Mit dir gehe ich mal tanzen" oder "Laß uns einen Kaffee trinken". Ich werde also einfach heimlich öfter was in das Blog schreiben und am Ende alle überraschen.

Vielleicht eine Geschichte über Erik Sanko, der gemeinsam mit seiner Partnerin in Manhattan lebt. "Imagine the laboratory of a Victorian-age mad genius, and you’d probably come up with something like the Tribeca apartment of impish polymath Erik Sanko. An emporium of wonders, the place is jam-packed with creaky cabinets, bones, skulls, taxidermy (watchful birds, wild pigs, a small kangaroo), anatomical models, and—hanging everywhere from delicate strings—some of the creepiest marionettes you’ll ever encounter", schrieb die Village Voice, wo ich zunächst nicht sicher war, ob sie nicht meine Wohnung hier im Leuchtturm meinten. Bilder gibt es auch hier bei The Selby.

Erik Sanko hat mal ein Lied gemacht mit dem Titel "The Beekeeper's Daughter", ein Begriff, von dem ich sicher war, dass ich ihn selbst mir mal ausgedacht hatte. Aber wie das heutzutage nicht eben selten ist: Man liegt in unruhigem Schlaf in einer 90-Zentimeter-breiten Koje, und durchs Fenster klettern vermummte Gestalten mit merkwürdigen Instrumenten herein, die mit langen, verknöcherten Fingern einem die Ideen mühsam aus dem Kopf herausprokeln, nur um sie auf dem schwarzen Markt zu verhökern.

Aber ich schreibe das alles auf!

>>> Geräusch des Tages: Erik Sanko, The Beekeeper's Daughter

Homestory | 16:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
frau eff - Sonntag, 16. April 2023, 16:18
Oh, bei Herrn Sanko sieht es toll aus, sehr sympathisch (Känguru mit kleiner Krone!).
Bei Ihnen hingegen (Foto oben) müsste mal Staub gewischt werden.

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kid37 - Samstag, 22. April 2023, 18:26
Ich bin ja Experte für alles und somit auch für Staub. Aus meinem Lieblingsmagazin Cabinet zitiere ich daher: "Dust is, of course, the unmistakable emblem of death, decay, and dissolution, but it is also, under certain circumstances, powerfully generative."

(Ich bin aber auch überzeugt, dass diese nächtlichen Ideenstehler zum Abschied Staub ausschütten, um ihre Spuren zu verwischen. Ich persönlich bin ja staubfrei, kann mir die Herkunft von Staub also nicht anders erklären.)

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herrrau - Montag, 17. April 2023, 11:26
>Aber ich schreibe das alles auf!
Ich werde genauso heimlich mitlesen.

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kid37 - Samstag, 22. April 2023, 18:27
Das höre ich gern.

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schneck - Mittwoch, 19. April 2023, 23:27
Ein Galerist hat mir mal vor empfundenen fünfundzwanzig Jahren gesagt, auf die Frage, was er denn tun würde, wenn sich einer der männlich gelesenen Galeriekünstler an seine (seinerzeit) hübsche junge Tochter ranmachen würde: "Schw. ab!!" Das meinte er überraschend resolut, während sich seine ansonsten fast stets heitere Miene erheblich verdüsterte. Diese Erinnerung kommt mir, als ich gerade "The Beekeeper's Daughter" las und hörte, freilich ohne die Musik und den leisen Gesang, geschweige den Text, bis zuletzt nachstudiert und -bereitet zu haben. Einfach deshalb, weil Galeristen ja auch ein wachendes Element sich beruflich auf's Blatt schreiben, ähnlich den "Barkeepern", die nach meiner Beobachtung jedoch eher weniger über Töchter bzw. nachgewiesene Nachkommen verfügen.

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kid37 - Samstag, 22. April 2023, 18:31
Ich kenne nur das Gedicht von Sylvia Plath, nicht den Roman. Ich mag aber allein schon den Klang der Wörter und das sehr Bildreiche, Geheimnisvolle, das in dieser Titulierung liegt. Als deutsches "Die Tochter des Imkers" oder "Des Imkers Tochter" erwartet man gerade noch ein humorvolles Moritatenlied.

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