Signalprüfung


Das Netz des Fischers: eine Antenne für krumme Signale

Nach meiner wilden Zeit in einer Punkband an der Uni namens The Dental Fricatives (Albumtitel "ThThTh") spielte ich noch ein paar Jahre bei Rauhes Haus (Albumtitel "Hau es raus!"). Danach habe ich es musikalisch ruhiger angehen lassen. "Mit dem 4/4-Vierteltakt bin ich fertig!" (wäre auch ein hübscher Song-Titel), skandiere ich öfter angeregt über einem Glas Wein oder Apfelessig oder was sie einem im Sommer so verkaufen. Wie in der Kunst, in der Literatur und im Film interesiert mich in der Musik mehr und mehr die Störung. (Wäre auch ein super Bandname. Die Störung.)

Während ihr da draußen auf sozialen Medien herumlungert und Zeit verschwendet, habe ich unterdessen eine spezielle Antenne gebaut, um Medien anzuzapfen, die unerkannt ums uns herumlungern. Der geheimnisvolle Äther und Frequenzen, die als "krumme Wellen" bekannt sind und Botschaften transportieren, die zugleich freigeistig, aber auch gespenstisch sind. Über einem Glas Ektoplasma sinniere ich über statische Entladungen, elektrische Schwingungen, verwispernde Signale, dem verzerrten Gong eines durch Reflektionen in der Ionosphäre verbogenen Radiosenders.


Analog generierte Prüfungen mit unerhörten Botschaften

Als Musiker und Künstler will man sich natürlich einmischen, hineinmixen, störsendern und selber ein "Hallo Welt!" hinauspiepsen. Eine Prüfung generieren für sich und andere. "Hallo, ich bin deine Störung!" telegraphiere ich dann in den Äther, lausche dem Stöhnen der Gespenster und erschauere über die Lumiszenz der Tapetennähte, die im nächtlichen Zimmer unterm Dach (des besseren Empfangs wegen) grünlich schimmern und auf- und abschwellende Muster erkennen lassen. An der Wand siebenundreißig offen verbaute, mit hart aufgehängten Membranen versehene Lautsprecher, die Knistern und Knirschen, Knacksen und Knarzen und frikative Botschaften abstrahlen. Neulich hörte ich, ich bin da sehr sicher, "Kid, es ist noch Kuuuuchen im Kühlschrank", eine klagende Stimme aus dem Jenseits, die sich aber irrte. Es war kein Kuchen mehr da.

Field recording für Gespenster, doch mit dem Sterben der Radiosender auf den längeren Wellen, sterben auch diese. Viele statische Signale sind lokaler Natur, der Wlan-Router, der Handmixer der Nachbarn. Es wird nichts mehr an einen herangetragen. Auf Twitter vielleicht vereinzelte Geister-Bots, die niemand programmiert hat, die sich einst abgespalten haben wie Tumorgewebe eines umfangreicheren Programmcodes und nun in der Lallperiode ihres Spracherwerbs anleitungslos herumirren, Kekse versprechen, die keine sind. Informationsmüllhalden für Dada-Spiritisten der nächsten Generation.

Projektor | 14:12h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
twasbo - Montag, 17. Oktober 2022, 14:59
Ja, auch Geister können irren. Erinnert mich an den alten Bilderwitz von F.K. Waechter: "Eines Tages erschien mir mein verstorbener Großvater und redete lebhaft auf mich ein. Ich verstand ehrlich gesagt kein Wort."
Fabelhafte Episode mal wieder! Man spürt die Melancholie der Langwe(i)lle sachte im Herbstlicht oszillieren. In dieser Verfassung fühle ich mich aber gleich gehobener, wenn ich sie "Ennui" nenne, oder, noch elitärer, "Fadesse". Wünsche weiter guten Empfang im Leuchtturm!

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kid37 - Dienstag, 18. Oktober 2022, 12:42
Der Herbst ist die Zeit der Grenzwelten und Grenzwellen. Die elektromagnetische Spökenkiekerei ist leider völlig in Vergessenheit geraten. Ein Jammer. Man darf aber die Hoffnung auf Kuchen und Signale nie aufgeben.

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fidibus - Montag, 17. Oktober 2022, 20:58
Was für eine perfide Kuchensache!

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kid37 - Dienstag, 18. Oktober 2022, 12:37
Wurde mein Leben lang gefoppt. Und nun geht es wohl anschließend so weiter!

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gaga - Freitag, 28. Oktober 2022, 02:38
Wann ist die große festliche Ausstellungseröffnung?

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