Malignes, Benignes
Mißmut legt sich über alles. Wie eine Decke aus Gleichgult. Ennui wäre schon zu aufgeladen. Morgens in den Spiegel und schauen und aus der unrasierten Haut "War da was?" murmeln. Kann man machen. Kann man auch nicht machen. Gestern ungefähr 20 Kubikmeter altes Papier entsorgt. Augeschnittene Zeitungsartikel, aufbewahrte Magazine. Kategorie: Was ich noch lesen wollte. Jetzt war es zu alt, um es noch zu lesen. Und noch nicht alt genug, um es unbefangen oder mit Entdeckerlust neu zu lesen.
Oder wenigstens in Ehren aufzubewahren. Nun ist es weg. Und natürlich ist kein Unterschied zu sehen, der Stapel ist immer noch hoch genug. Am Wochenende ist Bücherbasar. Ich habe eine Tüte als Spende bereitgestellt. Und werde wahrscheinlich mit zwei Tüten zurückkehren.
Mit den Erinnerungen verhält es sich ähnlich. Man pflügt und wühlt und trägt den alten Plunder zum Sammelcontainer. Und ist überrascht, wieviel sich immer noch findet. Unvermutet. Zwischen den Seiten alter Bücher. Vermengt unter den Wollmäusen. Man schaut unter das Eisenbett auf der Suche nach dem Nachtmahr. Oder aus anderen Gründen. Es findet sich und findet sich. Und sei es nur, weil jemand fremdes in die staubigen Ecken leuchtet.
Der Pathologe rät: Immer im Gesunden schneiden.
In Momenten, von denen man nicht sagen kann, ob sie besonders luzide, oder nur besonders schlechtgelaunt sind, fragt man sich, ob der Hang, tagelang in den hauseigenen Katakomben zu wühlen, seine Ursache wirklich in dem alten Plunder hat, den man mit gutem Grund eines Tages in den Keller verfrachtet hat. Oder mag am Ende die Ödnis in der Beletage den Abstieg provoziert haben - und man selbst nur ein Emotionsjunkie auf Entzug sein, der den zähen, immergleichen Fluß der Tage nach allen Untergängen nicht erträgt, und flüchtet, sich in alten Räuschen zu wälzen.
Da mag was dran sein. Allerdings beobachte ich das auch bei anderen derzeit. Viel Leerlauf, langes Warten. Da ist Unkraut jäten nicht das Dümmste.
Ah, Gleichgult - wie schön, dass Sie dieses lange nicht mehr gelesene Wort nicht mit Ihren Papierstapeln zum Container verfrachtet haben. Gleichgult - das klingt nach wupptich und Letzte Lockerung. Sie werden das Handbrevier für Hochstapler doch wohl nicht für den Bücherbasar spenden?
Doch nicht mein Handwerkszeug. Nur ein bißchen Belletristik, zumeist Werke, die ich selbst vor einiger Zeit dort gekauft habe. (Ich will das nicht mehr alles aufbewahren, diese kanonisierten Titel kann man sich ja immer wieder besorgen, ich sammel nur noch die schwer zugänglichen Sachen.)
"langes Warten"
worauf? auf...
ne kleine blume vor der tür
nen doppelten caipi/jägermeister/absinth
`s irgendwas
den langen schlaf
Nee, das ist der Sommer. Im Winter fehlt den Wohnungssachen das Sommerlicht, sie sind so fest wie seit immer an ihren Plätzen verankert. Jetzt wackelt wieder alles und ist lose im System, und man merkt erst jetzt, das sich nix verändert hat, und das hätte es doch tun sollen, und zack ist die Mülltüte offen. Aber mit ihren Erinnerungen sollten Sie tanzen, es sind ja immer zuviele zum versteckspielen, und es ist Ihre Musik, holen Sie das Zeug ans Licht und nehmen Sies in den Arm. Tango!
Wird höchste Zeit, dass da jemand dafür sorgt, dass Sie 'mal ordentlich staubwischen. ;-)
Ach ja, und krabbeln Sie
heute Nacht bloß nicht zu früh unters Bett.
schöne übung:
jeden tag einen gegenstand aus dem besitz entfernen durch wegwerfen, verschenken, verkaufen etc. so lange, bis ausschließlich das übriggeblieben ist, was man tatsächlich im gebrauch hat bzw. was einem wirklich ans herz gewachsen ist. diese übung befreit äußerlich und damit auch innerlich von ballast und den vielen dingen, "die doch zu schade zum wegwerfen sind" und dennoch keiner benutzt und allen anderen, die "irgendwann nochmal gebraucht werden könnten" - oder gelesen... ;-) wichtig: ehrlich sein!
keller + dachboden nicht vergessen... !
Die Wohnung als Spiegel des Inneren... Ich habe noch nicht herausbekommen, in welcher Richtung das funktioniert, also ob ich z. B. innerlich aufgeräumter werde, weil ich in meiner Wohnung aufräume, oder umgekehrt mein Zuhause entrümple, weil ich gerade auch seelischen Sperrmüll loswerde. Vermutlich ist es nicht zu trennen.
Marvel Comics bitte zu mir, nirgends anders hin, ich zahle auch mit klassischen Literaturen zurück, die sie dann mit gutem Gewissen im Dienste der allgemeinen Bildung rausstellen können.
Ich lese fast nur französische oder, öh, Kunst-Comix (Thomas Ott z.B. und Strapazin). Ich überlege, ob ich überhaupt einen Marvel daheim habe. Ich glaube aber nicht.
Dachte ich mir schon, sie Schnösel :) (müssen wir echt jetzt siezen??) Und damals, was haben sie da gemacht, mussten sie Tolstoi lesen, wegen der Frauen um sie? Erzählen sie!
(Ich Duze doch nur in eMails, wissen Sie doch ;-))
Tolstoi, Tolstoi... wegen Frauen eher Sartre oder Biografien von Duchamp et al. Wegen Patti Smith habe ich Rimbaud gelesen, falls Sie das meinen. Mit meiner slawischen Seele tendiere ich übrigens sowieso zum Stand-up Tolstoi.
Als Kind habe ich ab und an die Spinne gelesen. Und Batman (ist der D.C. oder Marvel?!?). Superman fand ich als Kind schon doof. Der Fledermauslook und das Monomanische sowie die Spinnensymbolik und das Gebrochene an Peter Parker reizten mich offenbar mehr. Das Geld floß aber in Tim & Struppi, später in Gaston und andere.
Ansonsten bin ich D.O.N.A.L.D.I.S.T.
Haben Sie etwa auch Vorfahren von weiter östlich? Mich treibt die Stimme des Blutes (ich heiße ja im richtigen Leben so ähnlich wie Karamasow) je eher zum Do the Dostoevski. Das läßt sich mit Donaldismus übrigens auch recht problemlos vereinbaren;-)
Leo oder Alexej Tolstoj? Eigentlich hätte ich bei Ihnen ja eher darauf getippt, dass Sie auch ein Dostojewski-Typ sind. Und natürlich hat Batman mehr Sex Appeal als Clark Kent. Obwohl mein englischer Freund P. sich sicher ist, dass Batman etwas mit Robin laufen hat.
War Dostojevski nicht Skorpion? Na, also. Allerdings bin ich nicht der Spielsucht verfallen, höchstens der Internetsucht.
Batman hat auch so einen schönen Gummi-Anzug. Ich glaube hoffe aber, daß er am liebsten mit Catwoman ausgeht. Ich würde das machen.
wird im übrigen auch auf dem Kontinent und jenseits des großen Teichs geteilt, Frau Arboretum. Aber dort sagt man ja auch Ernie und Bert (sowie dem Sponge-Bob) nach, gleichgeschlechtliche Neigungen zu pflegen.
Gummi-Anzug? Ach, wie dumm, ich vertrage doch kein Latex. Aber gut, ich bin weder Catwoman noch Robin, er wird ohnehin nicht mit mir ausgehen.