Vom Ende der Woche



Die Tage lag ich morgens noch wach in meinem kleinen Institut für höhere Relevanz und hing einem kleinen Traum nach, in dem es hoch herging, dann aber auch wieder runter. Es ist dies ja ein Sinnbild für allgemeine Abläufe im Leben. Der Paternoster des Alltags, könnte man sagen. Erst geht es hoch, dann aber auch wieder runter. Oder auch, für unterwegs: "mal so, mal so". Oben angekommen, muß man eigentlich nur darauf achten, wenigstens nicht kopfüber wieder runter zu fahren. Das passiert wohl immer wieder mal, weshalb die EU von Paternostern nicht so ganz begeistert ist.

Als ich ausgeträumt, aber verdammt guten Kaffee getrunken hatte, dachte ich wieder über meine derzeitige Lieblingsserie Murdoch Mysteries nach, die ja ebenfalls um die vorletzte Jahrhundertwende (die Älteren erinnern sich) spielt. In Staffel 12 haben Detektiv Murdoch und seine Frau, Rechtsmedizinerin Julia Ogden, endlich ihr erstes Haus in Toronto bezogen. Architekt war Frank Llyod Wright, der mit seiner Freundin, der berüchtigten Schriftstellerin Ayn Rand, in der Stadt weilt, ehe er nach Chicago weiterzieht. Ins hypermoderne Haus (wir schreiben ungefähr das Jahr 1910) hat der Tüftler Murdoch eine speisekammergroße "Mikrowelle" einbauen lassen, die er gerade erfunden hat. Der Krimigeschichte wegen platziert ein Mörder eine Leiche darin, schaltet das Gerät ein, und, nun ja, wer mal ein Ei in der Mikrowelle hatte, weiß, wie das endet. Für Frau Ogden wird es jedenfalls eine schwierige Spurensuche. Probleme, Probleme. Die Murdochs, die nun, wie es in der viktorianischen Nachbarschaft heißt, in dem "verrückten Haus" wohnen, weil die offene Architektur, die klaren Linien und die technisch sehr modernen Einbauten sehr ungewöhnlich sind für ihre Zeit, haben auch so ihre Auf und Abs. Ist halt eine Fernsehserie und nicht das echte Leben!

Ich würde mir in mein avantgarde-modernes, viktorianisches Haus ja einen magischen Orchideengarten einbauen lassen. Da säße ich dann in süßlich-schwüler Luft auf meinem Rattanliegestuhl und schrübe komplizierte Briefe nach Übersee oder dichtete an einem erotischen Schauerkurzroman. Oder an einem feurigen Pamphlet für gerechtere Zustände, jedenfalls so lange, bis mir ermattet der Stift aus der Hand gleitet. Und ich im Traum was erfinden würde. Sanften Schlaf zum Beispiel. Auf und ab.

Projektor | 00:59h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
samojede - Samstag, 5. Dezember 2020, 16:05
Auf & ab, oben & unten , flirren & surren, Schlaf & wach, 👀& 💌 .... - alles n i c h t leicht ! Bedanke mich für Ihren guten, vielschichtigen Beitrag +Busenfilm und wünsche Ihnen einen fluffigen 2.Advent sowie Nikolaus. (Mir auch)

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kid37 - Sonntag, 6. Dezember 2020, 13:41
Ihnen auch einen schönen Nikolausadvent und allzeit einen geputzten Stiefel im Schrank!

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fidibus - Samstag, 5. Dezember 2020, 23:52
Meine Güte, was schauen Sie denn für Sachen! Hoffe, ich träume heute Nacht nicht von dem Mikrowellenkriminalfall.
Ihr Film ist mir -trotz des abrupten Endes- deutlich lieber.

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manhartsberg - Sonntag, 6. Dezember 2020, 00:04
Hm, hier dann lieber vor dem abrupten Ende wegschauen..
Ihr Film, Herr Kid, große Klasse.

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kid37 - Sonntag, 6. Dezember 2020, 13:57
O je, der arme Nager. Das ist ja die Fortsetzung der Tom & Jerry-Brutalität mit modernen Mitteln. Wenn Coyote Carl das wüßte...

@Fidibus: Die Serie ist ja sehr harmlos, die manchmal skurrilen Todesarten eher so auf Barnaby-Niveau. (Hier war das Opfer auch vorher schon tot.) Gestern gab es zur Erleichterung wieder eine Folge im Tür-auf-Tür-zu-Boulevardkomödienstil. Eine Hochzeitsfeier in einem Landhaus, inszeniert wie eine Jane-Austen-Verfilmung (das Triggerwort "D'Arcy" wurde auch bemüht). Sehr britisch mit einem Mix aus exzentrischer, frisch verarmter Gentry, wollüstigen viktorianischen Damen, Verwechslungen und knapp verhinderten Hochzeiten...

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fidibus - Sonntag, 6. Dezember 2020, 18:29
Da hab ich jetzt wohl ein "Serie schauen beim Bahnfahren"-Projekt. Danke für den Link.

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kid37 - Sonntag, 6. Dezember 2020, 19:49
Ist wohl ziemlich komplett dort zu finden. Als Bahnfahrtfilm und fürs karge Pendlerinnenleben ist auch Murnaus City Girl sehr anrührend. Ein wunderbarer Klassiker.

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herzbruch - Sonntag, 6. Dezember 2020, 20:24
Wenn man möchte, kann man natürlich einen Paternoster Führerschein machen, dann ist man besser vorbereitet. Die Prüfung ist allerdings mehrteilig, sind viele dran gescheitert.

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kid37 - Sonntag, 6. Dezember 2020, 20:47
Das finde ich gut. Ordentlich! Nicht einfach so drauflos, wie das manche Menschen machen. Man könnte das heute kontaktlos mit einem Radio-Elektrochip, der an einer kleinen Schnur um den Hals hängt, lösen. Dann spart man die vielene Kontrolleursstellen. Wenn einer ohne Chip einsteigen will, piepst es, und der Paternoster stoppt. Dann muß einer kommen und im sechsten Stock die Notverriegelung lösen. Dann wieder runter in den Keller und dort den Paternoster anfahren. Vielleicht arbeite ich dafür mal ein Konzept aus.

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herzbruch - Sonntag, 6. Dezember 2020, 20:56
An mir sind sie gescheitert, das konnte ich damals nicht schreiben, um die Besoldung nicht zu gefährden. Ich trug meist Kleid ohne Taschen und musste in einer Hand Schlüssel und Geldbörse tragen, in der anderen den Espresso aus der Cafeteria. Da war kein Raum für meinen Führerschein. Mehrfach versuchte man, mich an der Fahrt zu hindern, das war aber nicht so einfach und nach weniger als einem Semester wussten alle 36 Führerscheinkontrolleure, dass ich einsteige, unabhängig davon, wie laut sie zetern. Sie ließen mich ziehen. Mir ist nie etwas passiert.

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kid37 - Sonntag, 6. Dezember 2020, 21:41
Glaub ich gern. Aber bei Kontrolleur37... Granit.

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herzbruch - Sonntag, 6. Dezember 2020, 21:56
Naja, das ist dann so.

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manhartsberg - Montag, 7. Dezember 2020, 06:19
Tipp für Sportliche aus dem Forum hier:
"Alter Studentenscherz im alten NIG : Durchfahren und oben Handstand machen und wieder runter... War immer ein Spaß, die verdutzten Gesichter zu sehen"
Granit37, ich fasse es nicht, sogar mit Streifenkrawatte.

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herzbruch - Montag, 7. Dezember 2020, 10:49
Ich bin ja in solchen Belangen von Natur aus ängstlich. Oben durchfahren wäre mir niemals in den Sinn gekommen, ich hätte mir ins Kleid gemacht. Aber lustig ist's!

Und zu dem lustigen Video, das ich nicht kannte, danke dafür, sei gesagt, dass die Ringelkrawatte und seine 35 Kolleg:innen keineswegs wie ein Bollwerk vor dem Paternoster standen. Sie saßen gelangweilt und genervt (verständlich) auf einem Stuhl gegenüber davon und brüllten im Höchstfall fuchtelnd etwas hinterher. Es handelte sich um eine rein sitzende Tätigkeit.

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manhartsberg - Montag, 7. Dezember 2020, 11:43
Was passiert oben? Hier wird es erklärt: https://www.derstandard.at/story/1333528395490/vom-aussterben-bedroht-paternoster-ein-hundertjaehriger-dauerlaeufer
Die Studenten waren ja dementsprechend rechtschaffen empört.:)
Ich bin schwer enttäuscht, dass es derartiges bei uns nicht gibt :
Umlauf-Aufzugsschaffner mit eigener Kabine aus einer alten Tram, der dann die Führerscheine zwickt. Bei 37 gibt`s eine Jubiläumsrundumtour. Klarer Fall für die Maghrebinischen Geschichten.

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kid37 - Montag, 7. Dezember 2020, 11:50
Ich bin ein wenig enttäuscht. Als Granit37 hätte ich noch nach mitgeführten Waffen und spitzen Gegenständen gefragt und eine Atem- und Alkoholkontrolle durchgeführt. Auch bin ich davon ausgegangen, daß zu diesem Führerschein auch ein praktische Prüfung gehört. Einsteigen, Aussteigen, was tun, wenn man (aus Versehen natürlich) oben oder unten durchfährt (also wie immer: Maske erst selbst anlegen, dann anderen helfen)...

Als Wuppertaler kennt man das Problem ja in der Horizontalen: Den Wendekreis der Schwebebahn darf man als normaler Fahrgast nicht mitdurchfahren.

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herzbruch - Montag, 7. Dezember 2020, 14:00
Ich hatte meine eigene Prüfung zwar verdrängt, aber ja dokumentiert, und zumindest ich musste eine praktische Fahrprüfung ablegen. Eventuell galt das aber nur für Lehrkörper, denen man nicht zutraut, so praxisnahe Abläufe selbständig und untrainiert zu bewältigen. Im IG Farben Haus sitzt ja auch nur Feinstoffliches, wenn ich mich recht erinnere. Meine Lieblingsstudierenden, Englisch Sport Grundschule, hatten vielleicht eine Dispens.

Ich habe gerade noch mal nachgesehen: Der kleine Fernsehbericht stammte ja aus der zweiten Welle. In der ersten Welle musste das Jungvolk noch laufen und nur das Personal durfte fahren. Und wer schonmal einen Professor Englische Literaturgeschichte gesehen hat, weiß, warum man die gerade in der Praxis examiniert.

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