Donnerstag, 19. November 2020


Wir bleiben in Bewegung

Ende Oktober lag bereits deutlich der kommende Lockdown in der Luft, und auch der Gedanke, daß dabei erneut die Museen geschlossen werden würden. So verbrachte ich schnell noch einen bummeligen Tag in den Deichtorhallen bei der von mir hibbelig erwarteten Ausstellung von William Kentridge "Why should I hesitate: Putting drawings to work". Spektakuläre Großveranstaltungen sind in Hamburg nicht häufig zu sehen, und als ich letztes Jahr von der geplanten Retrospektive erfuhr, war ich gleich begeistert. Ein überzeugendes Hygienekonzept (siehe Bild links) und ein besucherarmer Vormittag waren dabei charmante Rahmenbedingungen.


Kommunikation: Immer weiterzählen

Da ich an dem Tag ein Jahr älter geworden war, nahm ich auch die falsche Bildnummer nicht krumm. Du kannst nicht immer 37 sein, heißt es ja schon im Schlager. Der Südafrikaner Kentridge wurde mir vor ein paar Jahren durch eine Freundin aus Übersee nahegebracht, das ist ja alles weit weg. Südafrika. Und Übersee auch. Streng genommen kannte ich aus Südafrika nur Roger Ballen und Die Antwoord, die in ihren oft provozierenden und bestürzenden Arbeiten die Randbezirke und abgehängten Teile der zerrissenen Gesellschaft des Landes herausstellen. Durch Kentridges Werk zieht sich die brutale Geschichte von Politik und Apartheid, ist dabei aber oft eingekleidet in Humor und fantasievolle Symbolik. Ausgreifende Schwarzweiß-Zeichnungen, Installationen und immer wieder wilde Animationen sind zu sehen, darunter die mehrere Meter breite, beeindruckende Panoramaprojektion "More sweetly play the dance", in der wie in einer karnevalesken Prozession mit allerlei Gegenständen, Ackergeräten und Musikinstrumenten beladene Silhouetten vorbeiziehen.


Kommunikation: hin und her


Kommunikation: rundherum, herum, herum


Kommunikation: Die Botschaft ist klar und deutlich

Kommunikation: Welcome to the machine


Meine Lieblingsinstallation ist "O Sentimental Machine", die den Eingangsbereich eines türkischen Hotels um 1930 nachstellt. Dort hat Leo Trotzki Station gemacht, gemeinsam mit seiner Sekretärin Evgenia Shelepina. Der Raum (inklusive Bakelittelefon) wird zur Bühne eines wildgewordenen Boulevardstücks, in dem die zahlreichen Türen zwar nicht auf- und zuklappen, aber zu Leinwänden für simultan projizierte Filmschnipsel werden. Agitation, Philosophie, Liebschaften und surreale Maschinenmenschen geben sich hier förmlich die Klinke in die Hand. Fast wie bei mir zu Hause, wenn mal jemand da ist.

Kommunikation: Bitte leise sprechen!

Wie es sich für jedes gemütliche Hotel gehört, gibt es einen Lesesaal mit Bibliothek. (Jeder zweite Platz gesperrt.) Eine Möglichkeit zum Verschnaufen, zum Lesen natürlich und Eintauchen. Hoffentlich ist bald wieder auf.

"William Kentridge – Why Should I Hesitate: Putting Drawings To Work". (Deichtorhallen, Hamburg. Bis 21.4.2021.)