Signalverstärker



Ich war nie auf dem Teufelsberg bei Berlin, dort, wo die Abhörstationen standen, die nach links lauschten und nach rechts sendeten. Soll interessant dort sein oder endgültig runtergekommen, je nach Perspektive. David Lynch war mal da, aber nicht wohlgelitten. Nun lungern dort Filmteams und Sprayer und Esoteriker herum. Ferne Signale aber sucht man dort vergebens. Da kann man auch gleich in sich selbst reinhören.

Nun kam es so: Letztes Jahr wohnte ich in Wien neben einem Hochzeitsorganisationsgeschäft und dachte, ach, das trifft sich ja zufällig gut, vielleicht bewirkt das was. Einfach mal im Leben etwas Neues ausprobieren! Ich lungerte also dort meine freie Zeit herum, steckte mir wohl auch ein rotes, aus einer Blumenbindefachzeitschrift geschnittenes, rotes Herz ans Revers, aber unter den jungen heiratsfähigen Wienerinnen wollte sich seriöserweise nichts ergeben.

Über eine ganze Stunde stand ich dort, wie ein Tor oder ein Schauspieler aus dem Volkstheater, der ein burleskes Stück aufführt. Na, schönen Dank und Servus. Nun aber erinnerte ich mich an die Horchstation, die in Wien mitten in einem sogenannten Vergnügungspark liegt. Unter einer verkleideten Halbkugel steht dort - nur wenige wissen darum - allerlei technisches Kontaktgerät herum, ein Sendemast daneben, um über den Äther Signale auszusenden.

Ich bin nämlich geprägt. Zwar erklärte mir mal jemand mit sehr gutem Abitur, daß es nicht möglich sei, als Kind von Erlebnissen oder Beziehungsmustern geprägt zu werden - aber ich als jemand mit bloß Na-ja-Abitur erlebe das anders.

Mir schenkte nämlich einst mein Lieblingsonkel in jungen Tick-Trick-und-Track-Jahren eine seiner alten Singles, von denen er sich damals trennen wollte und die er unter seinen Neffen und Nichten verteilte. Mein derart vorgezogenes Erbteil war eine Hitscheibe von den Travellers. Das war eine Combo dreier jazzvergnügter Herren, die unter anderem für Radio Berlin arbeiteten und mit harmlosen Stimmungsschlagern ein paar zweiMarkfuffzich verdienten in den Wirtschaftswunderzeiten. Warum die nun an mich ging, weiß nur Fox Mulder, auf der Single aber war ein fantastisches Lied, das mich durch meine Kindertage begleitete.

Die Braut vom Mars wurde gleich eines meiner Lieblingslieder, legte mich aber auch früh auf ein schicksalhaftes Fernbeziehungsmuster fest. Grüne Haut! Blaues Haar! Gekleidet in Marsarbeit! Wer hätte dieser Verheißung, die in späteren New-Wave-Tagen tatsächlich sogar nah schien, so nah!, widerstehen können? Aber ach, den im Lied geschilderten Haken an der Geschichte konnte ich als Kind natürlich nicht verstehen. So erlebte ich denn bei den ein oder zwei Marsfrauen, die mir im Leben begegneten, naturgemäß ein melancholisches Ende. So manch einer Rakete winkte ich nach, wenn sie für ihre millionenkilometerlangen Reise hinter den Wolken verschwand.

Wenn andere sagen, sie wünschen mich "auf den Mond", lache ich nur still. Wenn es nur dahin ginge, murmele ich dann. In dramatischer Wahrheit ist es doch alles viel, viel weiter. Im romantisch besoffenen Wien aber, da in dem Vergnügungspark, kann man über den Sendeturm Signale senden weit ins All. Zum fernen Mars. Da di da.

>>> Geräusch des Tages: Die Travellers, "Die Braut vom Mars"

Ausfallschritt | 00:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
gaga - Samstag, 3. Juni 2017, 13:58
Die geschilderte Situation bei dem Hochzeitsorganisationsgeschäft - ich hätte da eine Erklärung. Die jungen Frauen, die dort mit offenen Augen eintrudeln, haben glaube ich überwiegend schon einen Bräutigam. Oft kommen die Damen auch in Begleitung der Frau Mutter oder der jüngeren Schwester oder Cousine oder alle auf einmal. Auch die stehen und sitzen mit weit aufgerissenen Augen im Geschäft, aber an einem solchen Ort ist die holde Weiblichkeit derart von Spitzen, Rüschen und Schleiern vernebelt, dass keine Aufmerksamkeitskapazitäten mehr für profane Dinge wie fremde Männer übrig sind.

Ich war neulich im Januar das erste mal in meinem Leben selbst in so einem Geschäft. Möglicherweise auch das letzte mal. Allerdings wollte ich nur ein tolles Partykleid, diese Brautgeschäfte haben da ja ganz oft so eine Partykleider-Abteilung als Zubrot. Ich habe viele lange Roben anprobiert, sehr interessante Erfahrung, wenn die Verkäuferin zwingend darauf besteht, mit in die Umkleidekabine zu kommen und beim Anziehen zu helfen. Ich habe es abgelehnt, sie ist meinem Wunsch nur ungern nachgekommen, das war etwas anstrengend, obgleich eine sehr charmante Fachkraft. Es war das eine oder andere Oscar-kompatible Modell dabei, aber ich habe dann doch nichts erstanden. Tolle Ausstattung in dem Geschäft, KuDamm Ecke Joachimsthaler. So eine Drehplatte mit einer lebendigen Braut drauf, die gerade ein Kleid anprobiert hat, rundherum in Plüschsesselchen der weibliche Familienanhang, ca. zehn Damen. Schon eine interessante Parallelwelt.

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kid37 - Samstag, 3. Juni 2017, 15:26
Danke für die Erläuterung. Mein Gott, ich bin so naiv in diesen Dingen! Das Geschäft hat auch eine Filiale in Hamburg, aber Sie wiesen ja nachvollziehbar darauf hin, daß ich da quasi unsichtbar wäre. Und Marsarbeit bleibt Marsarbeit.

Da ich das kulturelle Schaffen der Frau Katzenberger ab und an pflichtbewußt im TV verfolgt habe, erinnere ich mich auch an solche von ihnen beschriebenen Anprobeszenen im Vorfeld der "Katzenhochzeit". Aber warum auch nicht. Anderswo fliegen Männer in teuren Raketen, um eine Braut vom Mars zu holen. Hab' ich aber auch nicht.

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gaga - Samstag, 3. Juni 2017, 15:35
Apropos Marsarbeit. Sie haben da ja auch noch diese schwierige Venus-Stellung. Venus im Skorpion ist in diesen Dingen allgemein etwas ungeschickt, also suchen Sie die Schuld nicht bei sich, das wäre unangemessen.

ist die Katzen-Anprobe in der preisgünstigen Mediathek? Ich bin immer interessiert, mein Fachwissen zu erweitern, zumal ich ja nun diesen fachlichen Beitrag geschrieben habe!

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kid37 - Samstag, 3. Juni 2017, 18:27
Daniela hat sich zurückgekämpft!
Als Fashion-Blogger bin ich natürlich voll im Thema, und Frau Katzenbergers Haussender läßt Fans natürlich mit Höhepunkten auch nicht im Stich. Am Ende wurden Fans mit dem märchenhaften Auftritt belohnt.

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gaga - Samstag, 3. Juni 2017, 18:57
siedabehällischaus
Vor allem in 3:13 das Traumkleid zu finden, enorme Leistung. Go Dani Go! Aber der Stephansdom hat sich enorm verändert, habe ich ganz anders in Erinnerung. Oder war das die Hochzeit von Verona? Oder Jenny Elvers?

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