Ich höre gerade das aktuelle Album von Julia Kent. Asperities gefällt mir ausnehmend gut, es schreit mich nicht an, rüttelt nicht an meinen Nerven durch Besserwisserei, verfirlefanzt sich auch nicht mit kitschig gewundener Zuckercouleur. Können auch Erwachsene hören, oder gerade diese. Ich sortiere dazu Zeitungsausschnitte und Erinnerungen. Hier muß ja mal aussortiert werden, gleich mir selber ist hier in den letzten Jahren einiges liegengeblieben. Meine Ärztin, die gute Frau Sorge, machte mich vergnügt darauf aufmerksam: "Ihre neue Gesundheitskarte druckt ja ihren zweiten Vornamen mit aus. Den kannte ich gar nicht!" Ja, antwortete ich, Autarkie heißt der. Nach dem Heiligen, der es gar nicht gut mochte, sich von anderen helfen lassen zu müssen. Nun mußte ich das in den letzten Jahren ab und an in Anspruch nehmen, und stelle fest, das hat auch zwei Seiten. Zumal manch einer dann Rechnungen präsentiert.
2016 müssen also wieder Zügel in die Hand, hü-hott und ab. Der Arbeiter arbeitet, und David Bowie könnte einem darin ein Vorbild sein. "It's too late - to be late again". Ich habe ihn leider nur einmal live gesehen. 1983 war das, die Serious Moonlight-Tour, man hätte mich ja quasi im Tragetuch reinschmuggeln können, so jung war ich. Sein Humor und seine Höflichkeit blieben mir in Erinnerung und die vielen Fans, die in verschiedene Bowie-Epochen hineinfrisiert waren. Klare Aussagen, Let's Dance, aber bitte nicht mit anderen Männern und mich blöd in der Landschaft stehenlassen. In unserer Discothek, wie die musikanbietenden Betriebsstätten damals hießen, lief immer "Station To Station" in voller epischer Länge, dieses mit allerlei melancholischer Emotion, Brüchen und Brücken unterfütterte musikalische Hyperion-Klippengespringe. Dann aber nur Stillstand im Leben, bequemliches Schicksalswarten, zauderndes "Vorsicht, Vorsicht"-Gezischel und untätige Eckensteherei. Wobei, so untätig war ich gar nicht. David Bowie - oder "Herr Jones", wie ihn Alt-Berliner nennen - jedenfalls hat geackert bis zum Schluß, dann ab in die Raumkapsel und nachgeschaut, wie das wirklich so ist mit dem Life On Mars. Bislang gibt es von dort ja kein zurück.
Bei Herrn Krüger ein Bild abgeholt. Dabei die erstaunliche Schau von Daniel M. Thurau entdeckt, von der ich zuerst dachte, najo, ist das nicht irgendwie... ist es aber nicht. Räumt eure Vintage-E-Gitarrensammlungen und Filmposter von den Wänden und macht Platz für diese mit allerlei melancholischer Emotion unterfütterte, nur scheinbar heimelige Malerei, die uns zeigt, wie wir in unseren zurechtgehipsterten Augenscheinwohnungen in sterndeuterischen Nächten von wild wuchernden Gedanken und Sätzen umrankt Welt durch Geräte wahrnehmen. Könnt ihr mal drüber nachdenken! Herzl., euer Kid37.
(Daniel M. Thurau: "Utopia Now". Feinkunst Krüger, Hamburg. Bis 30.1.2016.)
Ich fand Bowies Chamäleonartigkeit nie interessant, sondern zu kalkuliert und opportunistisch (aber das kann auch die Authentizitätsfalle sein, in die ich alter Rockist da trapse).
Musste ich jetzt mal nachgucken - tatsächlich grauenhaft! Die Nummer an sich hatte sich nach anfänglichem wtf? ja dann doch noch in meine Gehörgänge gefräst. Aber das dazugehörige Geflimmer muss ich wohl verdrängt haben.
Richtig creepy ist indes der "Blackstar"-Clip. Da möchte man einen Beipackzettel zu Risiken und Nebenwirkungen dazupacken.
... sich immer wieder ein wenig neu erfinden... Fällt mir der dazu passende Film"American Hustle" ein(großartig Herr Bale darin), mit Ihrem Titelsong...
Das ´Du `lasse ich gerade nochmal durchgehen, weil uns die Schluchzer über Herrn Sternenstaub den Schulterschluss abtrotzen. Da sind wir machtlos gegen.
Und apropos Aussortierung: Haben Sie die X-Files Reunionsgfolge schon gesehen? Soll ja eher zu lässig als zu ambitioniert sein, was meiner Meinung nach nicht unsympathisch klingt, aber ich warte auf Ihr Urteil als Fachkraft.
Ja, habe ich gesehen. Es gab mal zwischen 12 und Mittag eine geheime Geheimmöglichkeit für engagierte Ermittler. Und ich bin ein wenig, wie heißt das heutzutage, underwhelmed. Vermutlich hat sich Chris Carter da verzockt und vergessen, daß man nach so vielen Jahren eine Serie mit einem Gewitter starten lassen muß. Nicht mit einem Nieselregen. Kurz: MS tun so als sei die letzten Jahre nichts gewesen und als hätten sie gestern noch gemeinsam im Supermarkt die Biokiste befüllt. Duchovny spielt wie eine Schlaftablette, Anderson hingegen mit spürbarer Lust. Hoffnung gibt es aber auch: Man munkelt, die dritte Episode sei ziemlich klasse. Dahinter steckt der Mann, der auch die Folgen "Humbug" (mit dem Jim Rose Circus) und "War of the Coprophages" gemacht hat. Das sind ja insgesamt vier Monster-of-the-Week-Folgen, ehe Carter den Bogen mit Aliens abschließt.
Ich hasse jetzt schon: die neunmalklugen Rezensisten und Feuilletonvollschreiber, die angesichts der ersten Folge mit "ach so 90er" und "Tote soll man ruhen lassen" alles gerneschlau niederschreiben werden. jede Wette. Irgendwer hat immer schon alles vorher gewußt. Schreiber, aufgemerkt! Denkt an meine Abo-Abbestellungen! Ich kann auch anders.
Am Underwhelmen vom X-Files Re-Debüt sicher auch, wenn ich Kritikern (und Kid-ikern) meines Vertrauens Glauben schenke. Ich glaube, Carter hat ein bisschen die Fernsehkultur der Moderne (aka Golden Age of Netflix) unterschätzt. Da sind Duchovny und Anderson halt eher der Runterkommer von Making A Murderer und Master Of None. Was an sich ja auch ganz sympathisch ist. Wobei mir Duchovnys Spiel schon bei "Californication" viel zu selbstzufrieden und "runtergekommen" war.
An eher schlechten würde ich behaupten, das Ganze war ein bisschen lieblos inszeniert und ich würde auch ernsthaft in Frage stellen, ob der Bleifuß auf dem Gaspedal der Verschwörungstheorien die Serie nicht plötzlich in eine unliebsame politische Ecke rast, in der sie sicher nicht andotzen will. Aber das - wie gesagt - nur an schlechten Tagen. Und wie erwartet: Duchovny spielt als schlafe er gleich ein und Gillian Anderson wird immer schöner.