Oralabora

Als ich erfuhr, daß Lunally Croft auf drangvoller Suche nach dem "blauen Stab" ist, fiel mir ein, wie es damals war. Sagen wir, im 12. Jahrhundert. Männer suchten nach der blauen Blume, meist reichte ihnen auch ein blaues Tuch, das von den Burgzinnen herunterwehte, ehe sie sich davon- tristanisierten oder -parzivalten. (Der Sinn für getragene Unter- wäsche ist vielen Troubadouren ja bis heute erhalten geblieben.)
Wie aber mußten sich die Frauen verdingen? Die Hildegards und Edelgundes hinter Klostermauern?

Nun, die starrten inbrünstig zum romanischen Fenster hinaus und dachten beteten sich eins. Glaubens- freudig und kontemplativ gossen sie tagsüber mächtige Altarkerzen, nur unterbrochen von den Stundengebeten, die sie an die Gelübde der Beständigkeit („Stabilitas“) und des Gehorsams („Oboedientia“) erinnern sollten. Tätigkeit und Denken fielen in eins und spiegelten sich in der Architektur.

Frau Croft zieht es hinaus in die Welt auf der Suche nach Abenteuern und dem blauen Stab. Statt einfach mehr aus dem Fenster zu sehen. Sobald man aber im klösterlichen Leben und im Glauben Fortschritte macht, weitet sich das Herz, und man geht den Weg der Gebote Gottes in unsagbarer Freude der Liebe. (Aus den Regeln des hl. Benedikt)

Das leuchtet doch ein.

 
arboretum - Mittwoch, 9. März 2005, 11:39
Fürwahr, Wände dick wie Klostermauern hätte ich mir vergangene Nacht gewünscht. Hat mich doch mein Nachbar einmal mehr mit seinem Schnarchen um den Schlaf gebracht. Vor anderthalb Jahren kehrte er zu seiner Frau zurück, seither ist meine Ruhe oft dahin. Selbst wenn ich die Fenster meiner Kemenate fest verriegelte, drang es dennoch vom Vorderhaus zu mir. Ich wälze mich dann ruhelos auf meinem bescheidenen Lager und wünsche mir, sie würde ihn wieder verstoßen (die holde Gattin muss einen Hörschaden haben). Oder dass wenigstens ein Drache käme, ihn zu fressen. Aber auf die ist ja heutzutage auch kein Verlass mehr.

Vor Erschöpfung bekomme ich Nasenbluten, so tropfte ich heute einmal mehr melodramatische Muster auf den Boden meines Bades. Sieht ja eigentlich ganz hübsch aus, das rote Blut auf den weißen Fließen. Wenn es nur nicht so eine Sauerei wäre, das wieder wegzuputzen.

Gibt es hier irgendwelche Voodoo-Spezialisten? Zwei schwarze Nadeln in das Gaumensegel meines Nachbarn, bitte.

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modeste - Mittwoch, 9. März 2005, 12:30
Frau Arboretum - beten Sie. Und wenn das nicht hilft, gehen Sie arbeiten, werden Sie reich, kaufen Sie die Bude und werfen den Nachbarn raus.

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kid37 - Mittwoch, 9. März 2005, 14:37
Die Idee besitzt eine gewisse Strahlkraft, jedoch wird man durch Arbeit bekanntlich nicht mehr reich. Vielleicht berühmt ("Deutschlands letzte Arbeiterin!").

Ich muß mich aber auch wundern, was sind denn das für Wände? Blut und so was unbedingt fotografieren und beim Worst Trauma Picture Contest einreichen. Da stehen wir sehr drauf.

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arboretum - Mittwoch, 9. März 2005, 15:38
Nachdem wir verraten und verkauft wurden, werden wir gerade "entwickelt" - und dann wird man mir meine Behausung zum Kauf anbieten. Doch, ich habe sehr gelacht, als ich den Brief der Entwicklungsgesellschaft las. Ich glaube, aus deren Steuersparmodell oder was immer das sein soll wird nichts. Aber vielleicht finden sich ja ein paar Dumme, die sich von der Beliebtheit des Stadtteils und der Lage (nahe des Hafens, da steht jetzt ein Reichenghetto mit eigenen Yachtstegs) verführen lassen.

Gegen diese Wand ist an sich nichts einzuwenden. Aber gegen das, was mich von meinen polnischen Nachbarn unter mir trennt, schon. Die müssen auch einen Hörschaden haben, ich kenne inzwischen alle ihre CDs. Irgendwie habe ich immer polnische Nachbarn mit einem sehr schlechtem Musikgeschmack, das war in der alten Wohnung genauso (nur hörten die keinen Billig-Techno, sondern Polski Pop und "Ace of Base" und so ein Zeugs). Und immer greift irgendwann einer zum Messer. Dort gab es nur einen über zwei Stockwerke blutbesudelten Hausflur. Hier starb eine junge Frau, ermordet von ihrem Ex-Mann.

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kid37 - Mittwoch, 9. März 2005, 20:38
Eigentum statt Miete, haha. Damit ködert man die Dummen. Wenn schon Eigentum, dann bitte nur mit phallischen Fenstern. ich glaube fest daran, daß die schlechte Laune all überall nur von dieser Quadratisch-praktisch-gut-Architektur stammt.

Immer greift irgendwann einer zum Messer... In so einem Haushalt habe ich auch mal gewohnt. Aber das ist ja jetzt vorbei.

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lunally - Mittwoch, 9. März 2005, 14:50
Les ich das eben, denk ich, Heeee, wer hat meinen Namen geklaut *rumtob*. Guck ich - oh ich bin gemeint. Das ja was.

Sie bringen mich jetzt wieder auf Ideen. Ich hatte das Kloster gerade ad acta gelegt.

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kid37 - Mittwoch, 9. März 2005, 14:52
Ich denke, bei solch suggestivem Fensterbau sollten Sie noch einmal darüber nachdenken.

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lunally - Mittwoch, 9. März 2005, 14:57
Ich wollt eigentlich austreten. Na, vielleicht geben ich denen noch ein Jahr, mal sehn.

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delacruze - Mittwoch, 9. März 2005, 15:14
Raubte mir, als Synästhetiker, die Schwere Ihrer gestrigen Worte förmlich den Atem, so fühle ich mich heute irgendwie peinlich berührt .

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kid37 - Mittwoch, 9. März 2005, 15:21
Das muß es nicht. Die Sinnlichkeit des Katholizismus ist weithin belegt. Die der Architektur auch. Und tun Sie mal nicht so, als hätten Sie hier noch nie was Albernes gelesen ;-)

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