"Eigentlich wollten wir Kollegen K. für den Job, aber nun nehmen wir auch dich. Also, äh, gerne auch dich." Die Abteilungsleitung verplapperte sich heute. Das paßte gut zum Spiel beim Mann mit dem Geldsack, der die Leute shanghait und bezahlt. "Jeder ist ersetzbar - auch du. Ich selbst natürlich auch, haha." Draußen gäbe es 5,2 Millionen, die würden das gerne machen, was ich mache. "Man kommt sich da natürlich erpresst vor, ich weiß." Ich weiß es auch. Man kommt mit dem Betriebsrat. Die Entlassungen gerade, du verstehst. "Der fragt sich, warum ich mich nicht einklage", antworte ich ruhig. "Oh. Nun ja..." Dann kommt das Lied, Wenn ich könnte, wie ich wollte... und ich halte mir innerlich die Ohren zu. Als er bei Ich hoffe, du nimmst es nicht persönlich ankommt, fahre ich dazwischen.
"Ich persönlich muß sehen, wie es weitergeht. Offenbar geht es das nicht."
Ich fasse die Fakten zusammen. Ich trage mehr Verantwortung, das werde aber nicht honoriert. "Wir sind dir ja auch sehr dankbar...", sagt er. Ich freue mich. "Aber es gibt ja auch keine Alternative in der heutigen Zeit. Oder gibt es eine?" Ich lächle ihn an mit meinem süßen Lächeln. "Du", werde ich vertraulich, "es gibt immer eine Alternative." Er schaut skeptisch. "Herr Sakanachan hält einen Platz auf der Parkbank für mich frei. Aber da muß ich mich bald entscheiden, denn in Zeiten wie diesen, sind auch diese Stellen sehr beliebt."
Ich erkläre, daß ich keinen alten Bauernhof in Mecklenburg finanzieren und auch keinen kleinen Kindern Winterschuhe kaufen muß. Daß ich dies oft bedauerte, aber daß dies auch meine Freiheit bedeute. Er will mir ein Buch über einen Amokläufer leihen, das er gerade liest. Ich bedanke mich.
Ich merke immer wieder, daß ich irgendwie nicht gut genug bin für diese Fabrik. Immer nur bin ich Ersatz, denke ich und gehe die Alternativen durch. Ziegenzüchten in der Steiermark, das wäre was. Oder Fotograf für das Crack Whore Magazine. Manchmal denke ich, wenn es eh keine Perspektive gibt, warum nicht eigene Gartenzwerge entwerfen, anstatt die von anderen Leuten bemalen? Na ja, erstmal wie immer. Erstmal weitermachen. Ich habe jetzt Physiotherapie. Gegen den krummen Rücken.
Wenn das auch nur halbwegs ernst gemeint ist, sind Sie ja schon auf dem Weg zum "guten" Mitarbeiter. (Scheißspiel, wirklich.)
Heute gibt es ja nicht mal mehr Volkswirte. Nur noch BWLer mit der ihnen immanenten Kurzsichtigkeit und Manager mit Drei-Jahres-Verträgen, die nur noch Quartalszahlen im Kopf haben. Das ist Wirtschaft der verbrannten Erde. Für einen Defaitisten wie mich eigentlich elysische Felder.
Scherz beiseite: Das Bessere soll ja der Feind des Guten sein, aber in Wahrheit gibt es in den Redaktionen sehr viel Mittelmaß, das sich gegen alles wehrt. Dafür haben die dann aber einen langjährigen Rahmenvertrag oder eine Planstelle gar, üppige Altersvorsorge inklusive. Soll heißen: Andersherum wird ein Schuh daraus – die sind womöglich nicht gut genug für Sie, Herr Kid. Und wer von denen lässt sich das schon gerne Tag für Tag vor Augen führen?
Non illegitimi te carborundum!
In der Fabrik sind natürlich eine Menge Menschen viel schlimmer dran, weil die nun gar nicht mehr kommen dürfen. Das kann doch aber nicht dazu führen, daß die Verbliebenen nur noch im Kotau durch die Gänge marschieren. Na ja. Wieder eine Übung in Stoizismus.
In der Schneekugelmanufaktur hätten die ja gerne, dass ich öfter komme. Damit nicht noch mehr Vorarbeiter gehen müssen, haben die nämlich alle gesagt, dass sie gerne auf den schnöden Mammon verzichten und dafür weniger arbeiten, damit die anderen bleiben dürfen. Das war sehr nett, nur ist jetzt eigentlich keiner mehr zum Schnee machen da. Die Vorarbeiter müssen nun die meiste Zeit daheim bleiben.
Ich hätte ja gar nichts dagegen, an mehr als zwei Tagen Flocken zu machen, aber die Agentur für Absurdes wird dann ärgerlich. Schließlich zahlen die mir gerade soviel, dass ich noch locker 190 Euro unter der Armutsgrenze bleibe. Sehr viel mehr soll das dann nicht werden.
Die obersten Manufakturchefs hingegen mögen aber die freischwebenden Schneemacher nicht ordentlich bezahlen und denken sich jeden Tag neue, gemeine Sachen aus. Und meine Frau Holle sagt, ich wüsste ja, dass sie mir leider nichts versprechen kann. Sie glaubt, dass es im nächsten Jahr noch schlimmer wird. Dann zählen sie alle wieder ihre Sozialpunkte. Und wir Freischwebenden sollen dann wahrscheinlich noch dafür zahlen, dass wir in der tollen Manufaktur Flocken machen dürfen.
Am besten, wir schreiten sofort zur Tat, Herr Kid.
Und denken Sie daran, wenn Sie aufrecht durch die leeren Gänge streifen:
Non illegitimi te carborundum!
Das habe ich über ein Jahr lang meiner Freundin vorgebetet, die kann auch Zwerge anmalen. Jetzt hat sie für ein Jahr Arbeit bei den Wellenschäumern. Allein unter lauter Maultaschen ruft sie mich mehrmals in der Woche vorm Einschlafen an. Dann bete ich ihr entweder dieses Mantra vor oder singe ihr leise die ersten vier Zeilen von "Venceremos" ins Ohr, je nachdem, was gerade angebracht ist.
Da scheint man Sie im Flockenwerk aber auch richtig ranzunehmen. Dagegen jammere ich mal wieder auf hohem Niveau. Es darf immer alles nichts kosten. Dabei hat eine Qualitätsschneekugel einfach ihren Preis. Können Sie sich nicht einklagen - und dann mache ich Ihnen schnell einskommadrei Kinder? Das erhöht dann sprunghaft Ihre Sozialpunkte.
Aber Sie können mir ja zum Ausgleich 3,1 Kinder machen. Dann gibt es wenigstens mehr Geld von den Absurden und unser Rentenproblem haben wir auch gleich gelöst. Meine Zusatzversorgung, die ich jetzt nicht mehr habe, zahlt mir später mal jeden Monat 49 Euro irgendwas. Davon kaufen wir uns dann schöne Bücher oder edles Briefpapier (und retten somit einem Postboten den Job).
Ich sehe gerade, singen können Sie auch noch. Herr Kid, Sie wollen mir wohl das Herz rauben.
Da können wir ja mit dem Nachwuchs abends auf dem Heimweg im Auto einen Kanon anstimmen.
Ich bin aber ein wenig traurig, keine Schneekugeln mehr für Hanseaten? Ein Grund mehr vielleicht, ins Rheinland zurückzuziehen. Das wird hier ja immer trister.
Herzen möchte ich übrigens nicht rauben. Die liegen dann nachher hier rum und gehen womöglich kaputt. Und in Kardiologie bin ich etwas schwach auf der Brust.
99 Euro, Herr Kid, da werde ich bestimmt übermütig. Natürlich werden wir uns damit auch noch Bildbände UND Keilrahmen kaufen. Ihr Umzug ins Rheinland hätte den Vorteil, dass es von dort mit dem ICE hierher nicht mehr so weit ist. Falls Sie gerne mal wieder Zug fahren möchten. Ich wüsste Sie schon gern mehr in meiner Nähe, schon allein wegen der geringelten Kid1-3.
Um mein Herz brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Das hat zwar schon einen gehörigen Sprung, aber ich habe es ordentlich geklebt, das sieht man kaum. Außerdem weiß ich ja mittlerweile, dass Sie außerordentlich fürsorglich sind.
Außerdem weiß ich ja mittlerweile, dass Sie außerordentlich fürsorglich sind. Täuschen Sie sich da mal nicht. Als ich das anderswo schrieb, bezog sich das ja auf die Situation nach solcherart Aktivitäten, für die Sie ihre Haut als zu zart und sich selbst als zu altmodisch erklärt haben. Für sonstige Gelegenheiten gehen die Meinungen über meine Fürsorglichkeit leider weit auseinander. Aber manche Dinge muß man auch dosieren können.
Wenn ich dunkle Seiten erforschen oder in Abgründe blicken will, dann werfe ich einfach einen Blick in die 138-Seelen-ach-in-meiner-Brust, da gibt es viel zu gucken. Schaue ich zu lange oder zu genau, kann das durchaus auch körperliche Schmerzen bereiten - wer das kann, braucht wohl keine Pein von Peitschen oder Ähnlichem. Gegen alles andere habe ich nichts gesagt. Manches geht auch mit zarter Haut.
(Ihre Personalabteilung scheint echte Wiffzacks zu beschäftigen, die so richtig raushaben, wie Mitarbeiter-Motivation funktioniert. Dann brauchen die sich aber auch nicht zu wundern, wenn Sie dem nächsten Gartenzwerg einen Damenbart anschmuggeln, der erst beim nächsten Regenguss sichtbar wird.)
Wer könnte ihm da noch widersprechen? Ich bejahte, beeilte mich aber zu versichern, daß die Qualität meiner Arbeit um kein Gran abnehmen würde. Sie wissen vielleicht, daß es sich um die beste Gartenzwergfabrik Deutschlands handelt, da werden keine Damenbärte geschmuggelt. Wirklich nicht.
@Cats: Für Bedauern ist angesichts der Lage in der Fabrik kein wirklicher Anlaß. Es gibt Leute, die dürfen dort nicht mal mehr die Sozialräume putzen, selbst wenn sie es vielleicht gerne täten. Und die, die man gerne mal an selbigen Orte wischen sähe, sind bereits über alle Berge. Mit gutgefüllten Koffern sicherlich.
Ich mache jetzt mal eine Liste mit den Alternativen. Crack Whore Magazine hat zur Zeit Einstellungsstop.
ihnen würd ich glaub noch einen gartenzwerg abkaufen...
Dem Rest kann man es durch die Kunstblume sagen.
Ich fuehle mit Ihnen mit. Bei sowas muss einem die ganze (Muskel)kraft in die Schuhe rutschen.
...dabei entdecken Sie immer solch grossartige Martkluecken wenn sie bei mir kommentieren. Vielleicht steckt da doch irgendwo ein verstecktes Talent? Vielleicht doch Gartenzwerge?