Hätte ich meine Pilotenbrille nicht vergessen, wäre ich gleich mitgeflogen



Es galt, an der 30-Km-Marke zu kratzen. Ich weiß, das beeindruckt hier niemanden, aber man weiß ja, große Sprünge sind aus kleinen Schritten gemacht. Sonnenstand stabil, leichtes Lüftchen von achtern (meinem Rad fehlt ein Windmeßgerät, sonst zeigt der kleine Computer am Lenker ja alles mögliche an), auf gehts also mit gleich zwei geöffneten Hemdknöpfen (Hipster nennen es casual sunday) Richtung Wilhelmsburg. Letztes Frühjahr war ich zuletzt dort, und seither hat sich einiges getan. Seit Aufhebung des Freihafengebiets wurden nämlich die Grenzzäune entfernt. Jetzt kann man von der Veddel aus auf der asphaltierten Deichkrone bis ins alte Zentrum fahren. Immer schön am Wasser entlang, manchmal auch dazwischen, an Liegewiesen und Hausbootanlegern vorbei. Wer schauen will, macht einfach eine Pause auf einem bequemen Stück Deichmöblierung.



Aber auch dafür habe ich, wie für viele andere Dinge übrigens, keine Zeit, denn wie heißt es so schön: Im Leben warten die Liebe und ein Luftschiff nicht ewig. Schreibt euch das in eure Expeditionstagebücher. Meine eigene führte mich weiter über eine mittlerweile gut ausgebaute Fahrradstraße (!) zur S-Bahnstation. Dort war, eher zaghaft angekündigt durch die Internationale Gartenausstellung, ein mit Pflanzenkraft betriebenes Luftschiff aus Nantes gelandet.

Genau.



Gut, vielleicht sollte man das näher erläutern, sonst glaubt mir wieder kein Mensch. Wie nicht nur entspannte jüngere Menschen oder auch Alt-Hippies wissen, ist "Flowerpower" oder "Blumenkraft", wie die Romantiker unter uns sagen, nicht nur als Königsweg zur Antriebslosigkeit bekannt. Findige Ingenieure und Wissenschaftler aus besagtem Nantes sind daher weltweit unterwegs, um Phytokräfte in aufwendigen Experimenten zu untersuchen. Nantes, das wißt ihr alle, ist die Geburtsstadt Jules Vernes, der in zahlreichen Sachbüchern weit zahlreichere wegweisende Erfindungen und wissenschaftliche Phänomene beschrieben hat. Ihm zu Ehren gibt es ja die berühmten und, jetzt ganz ohne Schmäh, wunderbaren Machines de l'îsle, die ein paar seiner Ideen aufgreifen. Riesige Puppen, Elefanten und andere mechanische Wesen.

Ein unerschrockenes Team aus Nantes ist also den Weg nach Hamburg geflogen, hat sein Botanik-Luftschiff sicher in Wilhelmsburg gelandet, dort Expeditionszelte, Labortische und retrofuturistische Instrumente aufgebaut, um allerhand wichtige Untersuchungen an der norddeutschen Pflanzenwelt durchzuführen. Ich habe mir heimlich ein paar Notizen gemacht, sauber abgeskribbelt in mein Expeditionstagebuch. In den nächsten Wochen, sobald mein Labor umgebaut ist und ein paar ordentliche Spätsommergewitter niedergehen, werde ich meine eigenen Geschöpfe schaffen. Eine Armee.

Ausfallschritt | 23:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
maphisti - Donnerstag, 29. August 2013, 03:38
unsere geröllchensteinchen sind malerischer und machen mehr spass, nicht so aufm mühlchenenberg gestöckert, sondern auf einer düne.

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kid37 - Donnerstag, 29. August 2013, 16:39
Man muß auch mal zufrieden sein.

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kreuzbube - Donnerstag, 29. August 2013, 09:49
Das Luftschiff! Und nur 30 km entfernt gelandet! Ich habe nämlich sofort mal geguckt: Nantes ist mehr als 1300 km von hier entfernt, und das bei meiner immer schlimmer werdenden Abneigung gegenüber dem Reisen in geschlossenen Blechkabinen.

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kid37 - Donnerstag, 29. August 2013, 16:47
Hier gibt es noch ein paar Bider. Sehr imposant. Diese Puppen und mechanischen Tiere sind auch ab und an auf Tournee. Vielleicht kann man sich auf halber Strecke begegnen. Nantes ist sonst aber auch auf dem Landweg zu erreichen. Z.B. mit Lastelefanten.

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kreuzbube - Donnerstag, 29. August 2013, 17:11
Ich war natürlich ein wenig verblüfft beim Anblick des Fotos, dachte ich doch fast, da wären die Leipziger gelandet:

http://www.titanick.de/htcms/de/galerie/expo-2.html

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kid37 - Freitag, 30. August 2013, 01:32
Die Richtung stimmt auf jeden Fall. Hier sind ähnliche Geister am Werk.

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maphisti - Freitag, 30. August 2013, 02:19
Thanks four answer.

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novesia - Donnerstag, 29. August 2013, 10:45
wun-der-bar!

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kid37 - Donnerstag, 29. August 2013, 16:47
Das habe ich mir gedacht, daß Ihnen das gefällt.

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gaga - Donnerstag, 29. August 2013, 14:39
cool.

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kid37 - Donnerstag, 29. August 2013, 16:48
Und die Truppe trug tolle Expeditionsoveralls. Alles sehr chique.

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gaga - Donnerstag, 29. August 2013, 17:34
noch mehr cool.

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carodame - Donnerstag, 29. August 2013, 19:00
Flowerpower! Energie durch Sprossung und Luftwurzeln.
Ganz entzückend.

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maphisti - Donnerstag, 29. August 2013, 22:42
William hätte noch ein gekröntes Kind mit einem Baum in der Hand hinzugefügt.

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kid37 - Freitag, 30. August 2013, 01:21
Blumenkraft läßt Herzen und Luftschiffe in den Himmel steigen.

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maphisti - Freitag, 30. August 2013, 01:31
Visionär! - Ich gehe jetzt Beth mit Mac.

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cabman - Freitag, 30. August 2013, 00:38
Schön. Wirklich.

Nun scheint mir der dräuende Sonntagsausflug mit Mutter zu diesem floralem Spektakel gleich weniger uninteressant. Wenn das meine Mutter wüßte, was Sie ihr hiermit Gutes taten, die würde Ihnen glatt was backen...

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kid37 - Freitag, 30. August 2013, 01:24
Leider hat die Aéroflorale Sonntag wieder abgelegt. Wie es in Hafenstädten so ist: Auch Luftschiffe können nicht trödeln, weiter, weiter muß es gehen.

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vert - Freitag, 30. August 2013, 16:02
die hätten sie mal den ganzen sommer einladen wollen - das wär mal ein wahrzeichen gewesen!
vielleicht wär ich sogar hingegangen...

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kid37 - Samstag, 31. August 2013, 10:32
Oder überhaupt Werbung machen. Oder in Wilhelmsburg besser ausschildern.

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maphisti - Samstag, 31. August 2013, 15:22
Die Werbung für Willi hängt hoch.

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vert - Montag, 2. September 2013, 02:24
von der s-bahn kommend kann man da aber eigentlich nicht mehr verloren gehen. ich bin nur bei den preisen beleidigt. vielleicht aber auch nur einfach nicht ausreichend interessiert an blumenschlpracht.

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kid37 - Montag, 2. September 2013, 23:45
Ja, es ist eigentlich ganz einfach:


Das Luftschiff parkte direkt neben der S-Bahn. Das war leicht zu finden. Aber wenn man von der anderen Seite Wilhelmsburg kommt, gibt es keine Ausschilderung zum Gelände. (Oder ich habe sie ovm Rad aus nicht entdeckt.) Man muß das schon wissen.

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ana - Samstag, 31. August 2013, 15:26
Ich bin mitgeflogen, wenngleich das Luftschiff sicher langweiliger war. Weiter ging es mit der Faehre, da man auf der kleinsten Insel der Balearen mit dem Flugzeug nicht landen kann. Mit einem Radius von 30km ( meistens reichen 10 - 15km ) koennten Sie hier in Formentera mit dem Fahrrad von jedem Punkt der Insel aus locker jeden Strand erreichen. Die Landschaft ist vielfach unberuehrt und Naturschutzgebiet, leider sind aber die meisten trotzdem nicht per Fahrrad, sondern per Moped unterwegs, so dass man auf den Strassen staendig von einem Gedroehne ueberholt wird. Die Ankunft am klaren Wasser entschaedigt aber fuer alles. Von sandigen, kiesigen bis felsigen Straenden, von ruhigem Meer bis hohen Wellen gibt es wirklich alles. ( Nur Muscheln kann man seltsamerweise nirgendwo finden. )

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kid37 - Montag, 2. September 2013, 23:47
Oh das klingt aber hübsch. Verreisen traue ich mir derzeit nicht so recht zu. Ich bin auch zu müde, da was zu organisieren. Ausschlafen klingt auch schon nach einem guten Plan.

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