Kleine Spitaleske, o.B.

Heute dann zur nächsten Abteilung. Es treten auf: Herr Kid, ohne Kaffee, Blogger der Herzen, Ödlandgentrifizierer und Bausparvertragsbohèmian und Dr. Weißichjetztnichtmehr, junger Arzt mit bereits großem Geweih und auf dem Weg nach oben. Wir waren uns spontan unsympathisch.

Er so, Typ ZackZack, bemißt 20 Sekunden Anamnese, zwei Blicke auf den mitgebrachten Digest der Befunde, dann "Zeigen Sie mal, das haben wir gleich." Ich lege bloß, zeige her, er so Aha und HmHm, die Pupillen werden enger, und ich kann sehen, wie sich die Geweihspitzen langsam zu Fragezeichen aufrollen. Aus dem ZackZack wird auf einmal Grabenkampfposition der ziellosen Nachfragen. Was wann wer mit welcher Folge diagnostiziert oder vermutet oder angeordnet habe. "Gut", kommt er aus der Zeitschindemaschine heraus, "ich hole die Oberärztin. " Steht in der Tür, dreht sich noch mal um: "Die sagt Ihnen dann, was Sie haben. Die kennt sich aus."

Ich überlege im Stillen eine Wette, weiß aber nicht, was er anzubieten hat. Die Oberärztin kommt, ihr Telefon klingelt immerzu, sie ist so Typ Mother of fact. Dr. Weißichgradnichtmehr senkt Stimme und Geweih und erstattet ein klein wenig streberhaft, wie mir scheint, Bericht. Wenn zwei oder drei Ärzte in ihren leukozytoikonoklastischen Lingo fallen, wird man als Patient ja augenblicklich zum Objekt, über dessen Kopf hinweg munter gesprochen wird. So als sei man gar nicht da oder tot oder, schlimmer noch, bloß ein Fall. Oder wie früher, wenn beim Spaziergang mit Mütterchen Kid diese eine entfernte Bekannte traf und dann stolz in erwachsener Giraffenhöhe posaunte: "Der kleine Herr Kid kommt ja bald in die Schule!". Und man bei der Namensnennung hochschreckt, aus komplizierten (Pobleme von Diffusionstriebwerken, Weltformel et al.) Erwägungen und denkt, na ja, soooo aufregend wird das schon nicht sein. Schule. (Ich hatte recht.)

Die Oberärztin, freundlich, aber knapp, wirft selbst ein Auge, also auf die Misere, macht ihrer Ranghöhe gemäß noch größere Fragezeichen, hat dann aber wirklich eine Idee und ordert zur Differenzierung eine neue Biopsie an. So kommt es, daß ich mich unvermutet auf der Liege wiederfinde. Es schneidet mich ein netter graumelierter Herr, der die gleiche Brille wie ich trägt. Gastarzt aus Schweden, wie ich bald erfahre, und auf eine sympathische Weise gutaussehend. Allerdings, setzt euch wieder hin, bereits verheiratet. (Ich habe mich für die traurigen Seelen unter meinen Leserinnen gleich erkundigt.) Ich frage ihn, weil ich gerade betäubt bin und Zeit habe, nach seinem Beruf und den Einzelheiten seines Gastaufenthalts, er spricht ein paar Komplimente über meine Krankenakte aus und macht da irgendwas, was ich nicht so genau sehen möchte, zumal ich es ja genau im Kopf habe. Ich höre, wie er irgendwas in einen Plastikbehälter steckt, weil ich den Deckel knacksen höre. (Kleiner Tip nochmal, vor allem bei Urinproben: Deckel immer fest drauf! Bis man den Knacks hört!) Nähen kann er auch und möglicherweise schwedische Apfelkuchen backen. Absolute Empfehlung. Hausarzt. In Schweden. Zum Schluß gibt er noch ein paar Ratschläge, sagt, wann ich irgendwo die Fäden ziehen lassen soll. "Oder ich mache es selbst", schlage ich vor. Er lacht und meint, oder so.

Auf dem Weg durchs schöne Wetter lege ich mir Antworten für Dr. Istmirjetztauchgradgegal bereit, wenn er sagen wird, daß er keine Antworten hat. Aber vielleicht finden sie ja mal was. Denn wie heißt es neuerdings so schön? "Ich zahle acht Milliarden GEZ-Gebühren, da will ich aber auch Programm!" (Die Entgegnung lautet übrigens: "Ich bin bei der AOK, ich habe nur drei Sender.") Dann muß ich Abbitte leisten und sagen, großes Geweih! Und das zurecht! So. Betäubung läßt nach.

The Mercy Seat | 23:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
liisa - Freitag, 31. Mai 2013, 23:29
Sie verstehen wirklich noch aus den unangenehmsten Erfahrungen kleine Text-Diamanten zu formen. Muss ich einfach mal wieder loswerden. Großartig. Und jetzt gehe ich eine Weile weinen, weil der schwedische Arzt schon vergeben ist. ;o)

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 02:29
Dufter Typ, irgendwie. In unserem Alter (Also irgendwo zwischen Ihrem jungen Alter und meinem etwas älterem jungen Alter). Und so, daß ich ihm meinen Oldtimer anvertrauen würde. Also, besäße ich einen.

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montez - Samstag, 1. Juni 2013, 00:15
Schwedischer Arzt. Das klingt fast wie südenglischer Rennpferdezüchter. Pffff.

Eine Idee. Na dann hoffe ich, dass es eine gute ist, Sie Blogger der Herzen.

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 02:31
Ach, Hauptsache endlich mal irgendeine. Ja, nur gute. Oder akzeptable. Oder so was. Ich könnte mir den auch als Landarzt am Bodensee vorstellen. Wäre das nicht was für Sie? Landarzt? Oder James Herriot?

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montez - Samstag, 1. Juni 2013, 10:57
Ein Arzt im Haus? Noch dazu ein Neurologe? Das fehlt noch. Da würde sicher keinerlei Romantik aufkommen: Duuu, Sveeen, würdest Du dieses MRT von gestern wirklich auch wie Dr. Müller auslegen? Schau mal, das da hinten, das ist doch gar keine Läsion, das sieht eher aus wie … Alienkacke?!

Ich freu mich jedenfalls, wenn Sie in guten Händen sind.

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 14:05
MRT-Bilder schön im Wechselrahmen über der Küchenzeile - ein unverbindlicher Konversationsstarter. Sven könnte gleißen und glänzen.

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carodame - Samstag, 1. Juni 2013, 00:19
Ich hoffe, es puckert nicht so arg, dass Ihnen die wunderbaren Worte fehlen. Der schwedische Hausarzt(!) war zu meiner Erleichterung nur an der Außenhülle Ihres Kopfes und die streberhafte Dynamik des Geweihträgers brachte Sie nicht aus der Fassung. Ich nippe auf ihr Wohl.

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 02:34
Die Fassung verlor ich dummerweise erst später in meinem anderen Einsatzgebiet. Aber das ist eine andere Geschichte. Und tiefer als Außenhülle laß ich derzeit keinen ran. Obwohl Dr. Google sagt, das könnte auch noch kommen. Pfff. Darauf noch schnell einen guten Ventoux.

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cut - Samstag, 1. Juni 2013, 00:30
Menschenskinder. Auf den Knacks achten. Hier lernt man Sachen. Alles Gute!

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 02:35
Ich könnte da eine Geschichte erzählen... oder besser nicht. Sie haben das bestimmt alles schon in ihrem Kopf.

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maphisti - Samstag, 1. Juni 2013, 23:10
... the answer of a great headhunter!

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kaltmamsell - Samstag, 1. Juni 2013, 00:31
Moment: Ich kannte bislang nur deutsche Ärzte, die nach Schweden auswandern. Aus sehr nachvollziehbaren Gründen. Der Mann MUSS ein Scharlatan gewesen sein!

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maphisti - Samstag, 1. Juni 2013, 02:28
Herr Blogger der Herzen, ich kenne aber auch einen Arzt der Herzen: mein Zahnarzt! Hat der mir doch gestern meine Wange gestreichelt! Na ja, ich hatte mich geweigert, in seinen Spiegel zu schauen ... ( Ein Schurke, der ....!!)

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 02:38
Werte Kaltmamsell, nein, nein. So etwas gibt es. Da stecken oft romantische Geschichten dahinter, so auch in diesem Fall. (Ich weiß, Sie üben ja eine spezielle Form der Romantik, daher der Hinweis.)

Frau Maphisti, Zahnärzte erleben einen ja oft auch in einem extremen Zustand der Aufgelöstheit. Wenn einem so lisnk oder rescht was aus der betäubten Wange sabbert. Demütigend!

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hora sexta - Samstag, 1. Juni 2013, 10:36
Herr Kid, darf ich Sie mal kurz ein ganz kleines bisschen lieben? Ich höre auch gleich wieder auf.

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kid37 - Samstag, 1. Juni 2013, 14:05
Um die Zeit bin ich doch noch gar nicht wach!

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hora sexta - Samstag, 1. Juni 2013, 14:13
Klar, wenn Sie so viel Narkose trinken am Abend vorher. Aber das stört nicht. Schlafend seid ihr Männer sowieso am schönsten.

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maphisti - Samstag, 1. Juni 2013, 17:37
Ich schließe mich der Meinung an.

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frau klugscheisser - Samstag, 1. Juni 2013, 19:14
Das mit den schwierigen Krankheiten, das machen Sie doch bloß, um so Typen wie Dr. Weißichjetztnichtmehr zu ärgern. Gehmsesruhigzu.

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ana - Sonntag, 2. Juni 2013, 00:56
Besser keine Antworten als schlechte. Das alte "primum nihil nocere" wird manchmal in der Medizin vergessen. Aber das ist nun mal das Mindeste, was man von der Disziplin erwarten kann.

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