Freitag, 31. Mai 2013


Kleine Spitaleske, o.B.

Heute dann zur nächsten Abteilung. Es treten auf: Herr Kid, ohne Kaffee, Blogger der Herzen, Ödlandgentrifizierer und Bausparvertragsbohèmian und Dr. Weißichjetztnichtmehr, junger Arzt mit bereits großem Geweih und auf dem Weg nach oben. Wir waren uns spontan unsympathisch.

Er so, Typ ZackZack, bemißt 20 Sekunden Anamnese, zwei Blicke auf den mitgebrachten Digest der Befunde, dann "Zeigen Sie mal, das haben wir gleich." Ich lege bloß, zeige her, er so Aha und HmHm, die Pupillen werden enger, und ich kann sehen, wie sich die Geweihspitzen langsam zu Fragezeichen aufrollen. Aus dem ZackZack wird auf einmal Grabenkampfposition der ziellosen Nachfragen. Was wann wer mit welcher Folge diagnostiziert oder vermutet oder angeordnet habe. "Gut", kommt er aus der Zeitschindemaschine heraus, "ich hole die Oberärztin. " Steht in der Tür, dreht sich noch mal um: "Die sagt Ihnen dann, was Sie haben. Die kennt sich aus."

Ich überlege im Stillen eine Wette, weiß aber nicht, was er anzubieten hat. Die Oberärztin kommt, ihr Telefon klingelt immerzu, sie ist so Typ Mother of fact. Dr. Weißichgradnichtmehr senkt Stimme und Geweih und erstattet ein klein wenig streberhaft, wie mir scheint, Bericht. Wenn zwei oder drei Ärzte in ihren leukozytoikonoklastischen Lingo fallen, wird man als Patient ja augenblicklich zum Objekt, über dessen Kopf hinweg munter gesprochen wird. So als sei man gar nicht da oder tot oder, schlimmer noch, bloß ein Fall. Oder wie früher, wenn beim Spaziergang mit Mütterchen Kid diese eine entfernte Bekannte traf und dann stolz in erwachsener Giraffenhöhe posaunte: "Der kleine Herr Kid kommt ja bald in die Schule!". Und man bei der Namensnennung hochschreckt, aus komplizierten (Pobleme von Diffusionstriebwerken, Weltformel et al.) Erwägungen und denkt, na ja, soooo aufregend wird das schon nicht sein. Schule. (Ich hatte recht.)

Die Oberärztin, freundlich, aber knapp, wirft selbst ein Auge, also auf die Misere, macht ihrer Ranghöhe gemäß noch größere Fragezeichen, hat dann aber wirklich eine Idee und ordert zur Differenzierung eine neue Biopsie an. So kommt es, daß ich mich unvermutet auf der Liege wiederfinde. Es schneidet mich ein netter graumelierter Herr, der die gleiche Brille wie ich trägt. Gastarzt aus Schweden, wie ich bald erfahre, und auf eine sympathische Weise gutaussehend. Allerdings, setzt euch wieder hin, bereits verheiratet. (Ich habe mich für die traurigen Seelen unter meinen Leserinnen gleich erkundigt.) Ich frage ihn, weil ich gerade betäubt bin und Zeit habe, nach seinem Beruf und den Einzelheiten seines Gastaufenthalts, er spricht ein paar Komplimente über meine Krankenakte aus und macht da irgendwas, was ich nicht so genau sehen möchte, zumal ich es ja genau im Kopf habe. Ich höre, wie er irgendwas in einen Plastikbehälter steckt, weil ich den Deckel knacksen höre. (Kleiner Tip nochmal, vor allem bei Urinproben: Deckel immer fest drauf! Bis man den Knacks hört!) Nähen kann er auch und möglicherweise schwedische Apfelkuchen backen. Absolute Empfehlung. Hausarzt. In Schweden. Zum Schluß gibt er noch ein paar Ratschläge, sagt, wann ich irgendwo die Fäden ziehen lassen soll. "Oder ich mache es selbst", schlage ich vor. Er lacht und meint, oder so.

Auf dem Weg durchs schöne Wetter lege ich mir Antworten für Dr. Istmirjetztauchgradgegal bereit, wenn er sagen wird, daß er keine Antworten hat. Aber vielleicht finden sie ja mal was. Denn wie heißt es neuerdings so schön? "Ich zahle acht Milliarden GEZ-Gebühren, da will ich aber auch Programm!" (Die Entgegnung lautet übrigens: "Ich bin bei der AOK, ich habe nur drei Sender.") Dann muß ich Abbitte leisten und sagen, großes Geweih! Und das zurecht! So. Betäubung läßt nach.