Gewappnet mit den rücken- stärkenden Worten der Kaltmamsell ("Denken Sie daran, daß Vogelfreie nur so weit fallen können, wo sie eh schon stehen - ins Nichts", jetzt mal aus dem Kopf zitiert) ging ich heute zu einer Betriebsversammlung einem Familientreffen. Mit einem herzlichen Willkommen stellten sich drei der neuen Herren ("Lock, Stock & Barrel") der gespannten Belegschaft. Alles ist gut, lautete die Botschaft, offen, transparent, kommunikativ sei man. Sorget euch nicht, arbeitet, schwebte kurz der Geist von Dale Carnegie über den Köpfen der Zuhörer. Worte wie "Synergie" und "Harmonie" huschten durch den Raum wie ein Mantra, und bald füllte ein Om Mani Lull Lull die stickige Luft und verklebte die Hirnzellen. Fast hätte sich das Dach des Saales gehoben auf einer Woge der Begeisterung und wäre davongesegelt - nach Süden, Richtung München womöglich. So jedenfalls hätte es Peter Rüchel beschrieben, Pate der legendären Rockpalastnächte, der jedes Jahr vom Davonschweben des Daches der Essener Grugahalle faselte.
Hier dämpften die nur flüchtig mit einer Plane zugedeckten Reisekoffer der Herren, aus denen Messer und und blutige Sägen herausragten, die Stimmung. Schlank werden durch Essen, so die Devise der nächsten Monate. Stellenzuwachs durch Stellenabbau, raunte ein mächtiger Odem. Frieden ist Krieg, Leid ist Freude, und wir alle lieben den großen Bruda!
(Man muß aber auch nicht alles schlechtreden, nur weil es neu ist. Wer weiß, was ich lerne. Tabulos will man sein - und das stünde mir vielleicht mal ganz gut zu Gesicht, ehe ich noch als verklemmter Hagestolz ende. Ja, ich freue mich, dabeizusein, ein Teil der Sache, auf neuen Wind und neue Herausforderungen und weitere Monate der Ungewißheit. Denn Ungewißheit ist Sicherheit, und Damokles der Gott all derer, die den süßen Kitzel klassischer Arbeitsplätze schätzen.)
Apropos süßer Kitzel. Ich beginne, mich auf meine alten Kernkompetenzen zu besinnen, ehe man mir als Abfindung die Vaseline für meinen neuen Job hinterm Hauptbahnhof reichen will. Da war doch noch was. Müssen es immer Gartenzwerge sein? Heute kaufte ich mir ein Buch, das mich an glorreiche Zeiten im balinesischen Staatszirkus erinnerte. Wenn ich bloß ein wenig übe, wird es bestimmt noch mal was mit der Messernummer. Bei mir fange ich an.
Mein Stern soll nicht sinken. Ich habe ein buntes Jahr im Fokus.
Ihr angestrebter neuer Beruf klingt auch gleich viel gefährlicher als "Gartenzwergbemaler" - damit können Sie dann die alten Damen auf den Yachten noch mehr beeindrucken. Alles in Allem eine ordentliche Perspektive.
(Interessante Musikauswahl bei Ihnen, momentan)
Ich denke auch, daß die Kreuzfahrt-Damen ein paar Taschenspielertricks "ganz goldig" finden werden. Gartenzwerge bemalt ja heute jeder, der meint, einen Pinsel halten zu können.
Die Musik ja. What have they done to my song, Ma. Weiß ich auch nicht. Wenn man einen Verzerrer dazwischenschaltet, klingt das aber ganz gut. Ich sollte mal selbst was machen.
sie wissen, dass sie mich auf der bank bei den tauben finden. wenn es soweit kommen sollte... ausserdem hätte ich noch eine exquisite sammlung joy division-bootlegs zum konsumieren (quasi kernkompetenz-mässig).
Nein, rhythmisches Klatschen blieb aus. Dabei klang alles so überzeugend.
zum anderen wegen grösserer wahrscheinlichkeit der blogger-entlarvung.
Meine Kollegen sind großartig. Die neuen Chefs auch. Und die bloggenden Kollegen gehören zu den besten.
Wem diese Sägen gehörten, war nicht zu eruieren. Es sind wohl Werkzeuge, mit denen die angesprochene "Transparenz" hergestellt werden soll.
Und ich schließe wie immer: Ich liebe meine neuen Chefs und bin froh, unter das gemeinsame Dach einer großen neuen Fabrik geschlüpft zu sein.
Vielleicht können Sie sich gleich mal mit Entwürfen für neue Gartenzwerg-Mützen einschleimen. Oder sie reißen einen neuen Vertriebskanal in Bali auf.
Ich glaube, wer mal auf der Scheibe gearbeitet hat, wird nie zum Werfer.
Die Fabrik durchlebt viele zwiespältige und auch widersprüchliche Erfahrungen. Richtig hart trifft es die Kollegen, deren Abteilungen an andere Standorte verlegt oder ganz aufgelöst werden. Teilweise stellt sich auch Demut ein, wo vorher Hybris war. (Nein, Häme wäre hier fehl am Platz, solche Dinge spielen jetzt auch keine Rolle mehr.)
Ich habe dort seit Jahren den Seilakt geübt, ein Jahr lang mal mit Netz, ansonsten immer ohne. Insofern sollte ich jetzt nichts fürchten, sollte ich es also gewohnt sein. Man gewöhnt sich aber nicht. Höchstens an den allgegenwärtigen Zynismus.