So ging das damals dann wohl los. Ich muß das glauben, denn ich war ja nicht dabei. Wuppertal ist nicht Williamsburg und Barmen war nicht Brooklyn. Mitte der 70er wurden aufgelassene Viertel im quasi-bankrotten New York (das ist eine Stadt in den USA) Unterschlupf und Nährboden für die nach Richard Hells Hit als Blank Generation bezeichnete lose Gruppe von mäßig Frisierten. Künstler, Filmemacher, Schriftsteller und Musiker, die nicht mal Blogs hatten, dafür aber das CBGB. Der winzige Laden wurde zum versifften Inkubator für Bands wie Television, die Patti Smith Group, Blondie, Ramones, die Talking Heads. Das ist alles bekannt und läßt sich ansonsten nachlesen.
Mir sickerten diese Nachrichten tatsächlich durch Aspekte ins Gemüt (eher denn ins Bewußtsein), eine Sendung, die als festes Wort zum Wochenende neben Berichten über die Einstürzenden Neubauten oder Die tödliche Doris (sprich: Berlin) immer mal wieder Rumoren aus fremden Welten in die Provinz brachte. Nihilisten in New York! Richard Hell besingt die "Blank Generation"! 2:45 Min. Energiegewummse, das sich heute fast gezähmt anhört. Eine Rettung aber, gerade zur rechten Zeit, wenn man befürchtet, im Leben nur noch mit der Schwebebahn von links nach rechts fahren zu können und fürderhin Schallplattenerzeugnisse von, sagen wir, Al Green kaufen zu müssen. Wie die vorzeitig vergreisten Mitschüler. Blasierte Verachtung, da habt ihr!
Nun war ich ja selber lange noch brav, ging also nicht sofort (oder auch später, wie dei Frau Kink) nach New York, kann nun aber alles noch mal genau nachschauen. Meine Tochter Die junge Französin Céline Danhier nämlich hat eine lässig dahergerockte Doku gemacht. Blank City spürt diesen alten Zeiten am Brandherd nach, rückt den Protagonisten von einst auf die Pelle, zeigt Musik, Liveauftritte und eine Reihe rarer Momente. Der Schwerpunkt aber liegt bei den Filmemachern dieser Zeit. Unbekümmerte Super-8-Revolverhelden aus der grimmig-schmutzigen Welt des Cinema of Transgression. Beth B., Nick Zedd, Richard Kern, Lydia Lunch. Jim Jarmusch, Steve Buscemi und John Waters sind als bekanntere Vertreter der No Wave dabei und plaudern entspannt und selbstgewiß, wie das so ist, wenn man weiß: Man hat das alles überlebt. I can take it or leave it each time.
Ach ja. Und Sonic Youth.
Der Film läuft gerade durch die kleineren Kinos, mit Glück kann man den noch bis Anfang Februar sehen. Die DVD folgt dann ab Mai, also nicht traurig sein.
(Blank City. Regie: Céline Danhier. USA 20212.)
>>> Trailer und Info
Na ja, die sollten vielleicht besser in 20 Jahren schon kommen.
Was sollte man auch sonst machen, immerhin wurde hier 1979 sogar der Betrieb der Schwebebahn eingestellt...
Ja, mit der Schwebebahn von links nach rechts, das gibt es heute nur noch mit dem Finger auf dem Smartphone. Und wenn wir keine Musik hatten, dann konnten wir die nicht downloaden, sondern mußten sie selbst machen! So war das damals. Kids.
Und "Aspekte" war Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre eine ganz wichtige Inspirationsquelle (auch wegen der Filmkritiken von Peter W. Jansen), recht kritisch und links (jedenfalls in meiner Erinnerung); die Sendung kackte erst später ab (im Zweifelsfall nach der Wiedervereinigung, wie so viele bunderepublikanische "Institutionen").
Manchmal allerdings frage ich mich, ob ich nicht einfach alt geworden bin oder es nicht einfach andere Zeiten sind. Vielleicht passiert eben einfach nichts, was soll Aspekte machen? Graben, würde man sagen. immer weiter graben.
Vielleicht sind Sie (und unsereins Blogger) ja die "Aspekte" von heute. Ich hol' schon mal 'ne Schaufel.
Dirk. Wie in so einem Namen ALLES enthalten sein kann: Plastikpullover mit zu kurzen Ärmeln, Butterbrotpapier, Verbote, Tintenkiller, erste Fahrten zu Saturn.
Hier selbes Dilemma, 22 Uhr spät oder kurz danach. Da hatte ja selbst das CBGB schon zu. Jedenfalls vermute ich das stark.
Fürderhin Al Green. Soso. Nene.