but the laws of nature do not.
(M. Milgrom, Still Life.)
So still. Aber ein Blog schreibt sich manchmal fast wie von allein, da kann ich mich still zurückziehen und endlich ein paar Bücher weiterlesen, die ich im letzten Jahr begonnen hatte, aber zur Seite legen mußte, weil mir ab und an so still dunkel wurde.
So wie Still Life von Melissa Milgrom, eine ganz wunderbare und spannende Reise in die Welt der Tierpräparation. Die US-amerikanische Journalistin Milgrom tastet sich von erster Neugier getrieben insgesamt recht furchtlos von aktiven Meistern des Fachs zu den in den USA recht verbreiteten Conventions und Wettbewerben vor und stellt die Pioniere der Kunst und großen Namen der Museumstaxidermisten vor. Das beginnt bei den berühmten Schwendemans, die ihr geduldig die aufwendigen und komplizierten Methoden des Sezierens, Aufbereitens und Nachbildens erklären, denn "Ausstopfen" ist nur etwas für Stümper. Der Titel bedeutet im Grunde auch "still alive", denn ein guter Präparator läßt sein Tier weiterleben, auferstehen und einen realistischen Eindruck von Natur vermitteln. So auch der Anspruch der Überväter der Taxidermie, die handwerkliche Grundlagen bildeten für jüngste Arbeiten, in denen lange ausgestorben Tiere anhand von DNA-Spuren akribisch nachgebildet werden.
In den insgesamt sehr waffen- und jagdbegeisterten USA wird auch die Taxidermie viel selbstverständlicher wahrgenommen. Die geschossenen Eichhörnchen und Rehe und Stinktiere wollen gezeigt werden, denkt der Jäger. Die engagiertesten zeigen ihre Geschöpfe auf Wettbewerben, dort werden dann auch präparierte "Pandas" gezeigt, die natürlich nicht echt sind. Humor gehört dazu: "A man in a PETA shirt caused a stir until people realized the acronym stood for People Eating Tasty Animals." Am Ende gewinnt den Wettbewerb ein Deutscher mit einem verblüffend lebensechten Ensemble Spatzen. Da kann man mal sehen, daß es nicht immer einen Säbelzahntiger braucht, um im Leben zu punkten.
Carl Akeley hingegen jagte Anfang des 20. Jahrhunderts seltene Tiere in Afrika (man muß ihn sich als eine Figur Hemingways vorstellen), aber aus einem wissenschaftlichen Interesse. Seine Expeditionen begleiteten Maler, die später die Hintergründe für aufwendige Dioramen anfertigten, vor denen Elefanten und Affen wie aus ihrem Alltag herauskristallisiert präsentiert wurden. Diese Arbeiten waren bestimmt für das American Museum of Natural History und zu ihrer Zeit eine Sensation für Publikum und Wissenschaftler. Interessant sind auch die vielen kritischen Einschübe. Etwa, als das Smithsonian umbaute und die wertvolle Sammlung teilweise auf dem Müll landete oder - wie der Blauwal, der dem Abrißunternehmer zufiel - auf eBay. Ein kompletter Blauwal auf eBay! Das Smithsonian ersetzte die wissenschaftliche Sammlung durch eine Art Disneyland mit toten Tieren, in dem digitale Effekte für Dschungelgeräusche, Tag- und Nachtwechsel, Regen und Sonnenschein sorgen. Was nicht nur Milgrom befremdet.
Ein schöner Seitenblick ist der Besuch bei der "Anti-Taxidermistin" Emily Mayer in England. Die benutzt eine von ihr verfeinerte spezielle Methode und steht etwas außerhalb der Szene. Sie arbeitet mit Damien Hirst zusammen, der nun keine Ersatz-Tigerhaie mehr für seine Glasbehälter besorgen muß, weil Mayers Methode ihren dauerhaften Erhalt garantieren. Am Ende von Milgroms Reise geht es ans Sachen machen Eingemachte: Unterstützt von den Schwendemans macht sie sich fluchend, zögernd und fleißig an ihr erstes Eichhörnchen. Beruhigenderweise ging es ihr dabei wie uns allen: "I wasn't sure I had the stomach for taxidermy. [...] I could barely watch Julia Child filet a fish on TV."
Ein Handbuch des praktischen Hauswissens, möchte man meinen. Denn es ist - bei deutschen Verlagen fast undenkbar - lobenswerterweise mit einem umfangreichen kommentierten Fußnoten- und Quellenanhang versehen.
(Melisssa Milgrom. Still Life: Adventures in Taxidermy. New York, 2010.)
Gerne Rede Ich Mit Melancholisch Interessierten Galanen
Auch schöne T-Shirts.
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Der einzige gelungene Besuch der Langen Nacht der Museen war bei einem Freak im Berliner Naturkundemuseum, der mit lodernder Begeisterung immer neue Käferkuriositäten für uns aus den Depotuntiefen zog. Danach waren wir dann hiervon nicht minder hingerissen. Ja, klar, muss man mögen.
@Ana: "Da steht ein Pferd im Flur" wird im Rheinland ja bald wieder laut und kräftig gesingen. Cattelan hat es zum Springen gebracht.
@Montez: Eine sehr würdevolle Idee. Ich glaube, die Mayer, die Hirst bei seinen Projekten hilft, verarbeitet auch nur Roadkill und was sie als Kind in den Hecken fand. Nach dem Tod noch Freude schenken, das gelingt Menschen oft nicht mal zu Lebzeiten.
Leider ist es mir auch nicht gelungen, meine Goldhamster für die Ewigkeit zu präparieren. Das ist alles lange her.
Jetzt endlich ein Handbuch!
@Carodame: Das wäre natürlich auch eine weitere hübsche Idee für die große Scheune! Ein Diorama mit heimischer Fauna plus Riesenrüssel. Man vergißt ja leicht, woher die Exponate in naturhistorischen Museen stammen und welches Handwerk dahintersteht. Es ist ja auch kein Beruf, mit dem sich, auch zwischenmenschlich, große Karriere machen läßt. Wer reisefreudig ist, kann Anfang Februar lernen, wie man Rocky Raccoon präpariert. Vielleicht auch ein hübsches Geschenk zum anstehenden Valentinstag.
Der schöne Rüssel ist leider nicht mehr in meinem Besitz.
Scheune! Sie erinnern mich da an was...