Marlen Mueller, genau, das ist die Schwester der großartigen Anousch, die ihr Blog ja leider vernachlässigt und den meisten nur noch als Twitterin bekannt ist. Wir erinnern uns an das Seufzen, das gestern Blogs und Twitter freudig (und in vielen Herzen auch trauernd) durchwehte. Die ist also weg, ihre Schwester aber auch - und zwar auf den Spuren von Jack Kerouac und seinem Roman On the Road. Quer durch die USA von New York nach San Francisco ging es für vier junge Leute aus unterschiedlichen Ländern, viele unverbrauchte Bilder fielen dabei ab, die man noch nicht aus tausend anderen Dokus und Filmen kennt, nicht alle eine echte Entdeckung vielleicht, aber mal ein anderer Ansatz.
Das Ganze ist ein Experiment, ein Wagnis, das eben auch nicht immer gelingt. Vieles bleibt leider flüchtig, viele Momente sind nicht auf den Punkt, so wie die Musikauswahl, die gelingt, wenn ein Beatgedicht mit dem passenden Bob-Dylan-Song unterlegt wird und man merkt, wo sich der Meister mal wieder bedient hat. So kenntnisreich geht es nicht immer zu, was Pink Floyd auf dieser Strecke zu suchen haben, bleibt mir ein Geheimnis. Eine Bereicherung sind auch die Zeitzeugen und Memorials, die anfangs besucht werden und die Spurensuche mit Bildern, Gedanken und Eindrücken füttern. Ab der Mitte aber läßt die Regie die Vier spürbar im Stich. Die Strecke verläuft durchs Irgendwo, und leider füllen die Protagonisten die great wide open nicht so recht, hängen etwas hilflos in der Luft. Wir sehen eine Klassenreise, da sind Leute lustig, albern, führen zwei, drei Sätze "ernsthaftes Gespräch", aber wirklich nahe kommen sie einem nicht.
Ich hätte die meisten ja nach hundert Kilometern schon aus dem Auto geworfen. Bis auf die Fotografin Marlen Mueller, die offen zugibt, das erste Mal in den USA zu sein (die anderen natürlich po.ly.glott) und sich im besten Sinne naiv zeigt, im Sinne von bei sich und offen genug, sich von dem, was sie sieht, beeindrucken zu lassen, statt immerfort nur sich selbst auszustellen oder affektiert durchs Haar zu streichen. Vielleicht wäre es besser gewesen die einzelnen auch einmal stärker einzeln vor die Kamera zu holen, erzählen zu lassen, näher ranzugehen. Uns bleiben Bruchstücke, Fragmente, Stümmelsätze.
Hinreißend bleiben Besuche wie die bei City Lights in San Francisco, einen Laden, dessen Beduetung für die US-Literatur nicht zu überschätzen ist - was man aber auch nicht erfährt. Während es für die vier Reisenden also um eine großartige Erfahrung und erinnerungswürdiges Abenteuer gehandelt haben dürfte, bleibt man als Zuschauer etwas zwiegespalten zurück. Unbedingt wiederholen, sage ich, beim nächsten Mal möchte ich aber bitte das Casting machen.
>>> On Jack's Road, Arte-Mediathek, Teil 1, Teil 2 (Nur noch heute!)
Die rosa Ausgabe war mein Jugend-Exemplar, das ich mir (kleine Anmerkung zur Aussage meiner Schwester) als Sproß einer eher Buch-armen Familie 15jährig selbst gekauft hatte und mit jeder Seite betäubter zerlas. (Mit echten Drogen hatte ich es als Hypochonderin ja nie so.) Um so magischer, dass meine Schwester 17 Jahre später das Buch anstatt meiner durch die Staaten reisen lässt. True and beautiful story. Und auch wenn es vielleicht nicht mehr so kribbelt und rockt, diesen Trip mache ich irgendwann trotzdem. Im Caravan mit Mann und Kind und Blog.
Schöner Artikel von Willi Winkler.