Der gefundene Satz, #57
Wenn wir nicht dauernd Erzählungen über die große Liebe begegnen würden, im Fernsehen und in der Literatur, würden wir auch nicht denken, wir müssten uns dauernd verlieben und unser Leben sei nichts wert, wenn das nicht passiert. [...] Wer liebt, muss auch zahlen, womit auch immer. Das will dann aber auch keiner. Jeder möchte seinen Alltag weiterleben, einen Beruf haben, ein schönes Auto fahren, den Mixer richtig bedienen. Und obendrein möchte er eine ganz irre Liebe. Das erscheint mir doch sehr naiv und hanebüchen.
(Sophie Rois im KulturSpiegel, 5, 2012.)
Ich finde das gar nicht naiv. Neinneinnein! (Okay, das mit dem Alltag und dem Mixer vielleicht.)
Also ich finde, Frau Rois hat bei Allem ausser dem Auto und dem Mixer recht. Ganz vielleicht nicht mit dem Alltag. Aber vermutlich gibt es auch nichtirre Liebe, damit könnte es klappen.
kid37 -
Donnerstag, 4. Oktober 2012, 16:14
Ich glaube, das wird häufig zu unrecht belächelt. Die nicht irre Liebe. Die einen haben wildes Osterfeuer, die anderen haben's im Winter warm.
mark793 -
Freitag, 5. Oktober 2012, 01:43
Eben.
Aber die nicht so irre Liebe ist halt nicht der Stoff, aus dem "der große TV-Roman" gestrickt wird oder der Bestseller für den Buchmarkt. Ich mein, hätte man das wirklich lesen wollen, wie sich Emma Bovary mit ihrem Charles einigermaßen kuschlig arrangiert bis zum gemütlichen Lebensabend? Aber aus den Rezeptionsbedürfnissen daraus zu schließen, dass alle scharf drauf wären, solche Romane auch selber zu durchleben - ich weiß ja nicht.
monnemer -
Freitag, 5. Oktober 2012, 11:34
"I turn sideways to the sun
And in a moment I am gone"
Wildes Osterfeuer ist ja noch stark untertrieben...
Aber, wie Herr mark sagt, wenn sich einer umdreht und sich am Bügeleisen verbrennt - das will doch keiner hören. Das können wir auch selber.
And in a moment I am gone"
Wildes Osterfeuer ist ja noch stark untertrieben...
Aber, wie Herr mark sagt, wenn sich einer umdreht und sich am Bügeleisen verbrennt - das will doch keiner hören. Das können wir auch selber.
kid37 -
Freitag, 5. Oktober 2012, 12:07
What's The Price Of Love, da ist die Frage wieder. Ich denke, so unterschiedlich die Erwartungen an sich selbst und an ein Gegenüber sind, so viele unterschiedliche Formen von Liebe gibt es wohl auch. Vielleicht ist es aber wirklich gefährlich, wenn die romantischen Projektionen auf einmal zurückstrahlen, als Forderung, als Erwartung, als Definition eines anzustrebenden Normalzustands.
mark793 -
Freitag, 5. Oktober 2012, 14:36
Guter Punkt. Je mehr normativer Druck durch die nicht unbedingt realistischen medialen Darbietungen und die auch in der Werbung ausgebeuteten Vorstellungen ausgeübt wird, desto eher wird man sich selber als defizitär wahrnehmen, wenn das eigene Leben mit seinen Beziehungsmustern oder dem Alleinsein diesen Modellen so gar nicht entspricht. Mir selber war das in den langen Jahren des Singledaseins nicht in dem Maß aufgestoßen, aber ausgerechnet ein Beitrag aus der mehr so radikal-queer-feministischen Ecke, die ich nur gelegentlich aufzusuchen vermag, hat das neulich mal sehr nachvollziehbar thematisiert, was das mit einem machen kann, wenn man diesen Druck deutlicher spürt.
*
Doch selbst während einer warmen, nicht-irren Liebe kann einen eine irre Liebe anfallen. Wie eine Darmgrippe. Und man liegt und leidet, bis sie hoffentlich bald vorbei ist. Und hoffentlich die warme, nicht-irre Liebe nicht kaputt gemacht hat.
kid37 -
Freitag, 5. Oktober 2012, 12:12
Davor ist man leider nicht gefeit. Die Forschung hat aber gerade in diesem ganzen neurokardionalen Bereich immense Fortschritte gemacht. Vielleicht bekommt man das mal in den Griff.
Bestimmt naiv. Aber eben nicht unmöglich.
Alles hat seinen Preis, jeder bezahlt. Das mag weithin gelten. Aber in der Liebe? Ich kann aus meinem ganz kleinen eigenen, alltäglichen Erleben nur sagen: Mich kostet sie nichts.
"Jeder möchte seinen Alltag weiterleben, einen Beruf haben, ein schönes Auto fahren" erscheint doch sehr naiv und hanebüchen, um nicht zu sagen plakativ.
"Jeder möchte seinen Alltag weiterleben, einen Beruf haben, ein schönes Auto fahren" erscheint doch sehr naiv und hanebüchen, um nicht zu sagen plakativ.
kid37 -
Freitag, 5. Oktober 2012, 12:19
Ja. Nein. Sicher. Liebe ist ein Geschenk, so weit ist klar. Also bei Mulder und Scully im Normalfall ist es ja so, daß Alltagstauglichkeit ein Wert ist - und regelmäßig nächtliches Singen unter Balkonen ein anderer. Aufregung ist ja super, aber auf Dauer doch auch ermüdend. Ich habe Frau Rois so verstanden, daß eben nicht beides geht.
_pam -
Freitag, 5. Oktober 2012, 16:12
Find ich schön, wie Fr. Roiss hier ganz entgegen ihrem Image argumentiert.
kid37 -
Samstag, 6. Oktober 2012, 17:19
Aber sie spielt doch oft Rollen am Rande eines pragmatischen, tiefenschwarzen Nihilismus.
Die Liebe ist nicht irre. Wenn es irre ist, ist es etwas anderes.
kid37 -
Samstag, 6. Oktober 2012, 17:20
Kann aber auch schön sein. Wie, mal einen über den Durst trinken. Oder eine, eine... eine Zigarette rauchen!
Ich weiß nicht, wer will schon wirklich eine Liebe, die irre macht und einen am Ende wirklich, tatsächlich "irre" macht. Da gerät man doch höchstens hinein und "irre sein" ist bedingt schön und zudem sehr problematisch und dramatisch. Dagegen lebt es sich in einer Hafenliebe doch ganz gut, alltagskompatibel mit oder ohne Beruf und mit oder ohne Auto. Die "irre" Liebe ist möglicherweise einfach nur eine "verirrte" oder eine, die nicht ankommen kann. Ich würde Ihnen ja eine Hafenliebe wünschen. ( Und mit dem Mixer püriert man dann manchmal am Abend Kürbis- oder Kartoffelsuppe. ) Aber es werden, das heißt hier zum Trost gesagt, nur wenige wegen einer "irren" Liebe richtig "irre". Schließlich braucht es auch zum echten Wahnsinn eine Begabung. Und als Ophelia enden die wenigsten. Und manche waren einfach nur vorübergehend echte Ophelias. Das Leben geht eben weiter, auch wenn der Roman im Irrsinn gut zu Ende wäre.
kid37 -
Samstag, 6. Oktober 2012, 17:14
Früher, als ich noch mit Mantel und Degen bewaffnet junge Damen von Balkonen entführte, war häufig auch irre was los. Mittlerweile spreche ich mehr mit den Blumen statt sie zu pflücken. Erfüllung findet sich auch in kleinen Dingen.
Zahlen bitte!! Ach nee. Lieben und zahlen! Ach was. Das ist irre .
kid37 -
Samstag, 6. Oktober 2012, 17:17
Ich glaube, sie sagt ja nur, daß man durchaus "auf die Hand"-Essen wählen kann. Aber man sollte sich nicht wundern, sollte es nicht nahrhaft sein. Oder auf Dauer ungesund.
Ich halte den Satz:
Wer liebt, muss auch zahlen, womit auch immer.
für die eigentliche Kernaussage und würde ergänzen:
Und jeder bestimmt selber die Höhe des Zahlbetrages.
Glücklich also die, die ein Pedant finden, welches in gleicher "Währung" zahlt und in etwa denselben Betrag entrichten kann, denn diese Liebe startet mit einer befreienden Kompromisslosigkeit auf beiden Seiten, oder?
Wer liebt, muss auch zahlen, womit auch immer.
für die eigentliche Kernaussage und würde ergänzen:
Und jeder bestimmt selber die Höhe des Zahlbetrages.
Glücklich also die, die ein Pedant finden, welches in gleicher "Währung" zahlt und in etwa denselben Betrag entrichten kann, denn diese Liebe startet mit einer befreienden Kompromisslosigkeit auf beiden Seiten, oder?
kid37 -
Samstag, 6. Oktober 2012, 17:10
Genau. Es fängt bei einem selber an. Wer immerzu Raketen am Himmel will, darf nicht gleichzeitig Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr einfordern.
gut auf den punkt gebracht. hollywood-liebesillusionen und alltag vertragen sich nicht. also jagt man entweder der illusion nach, verdrängt den unverdrängbaren alltag und scheitert nach drei, fünf oder zehn monaten. oder man landet zu zweit bier trinkend und popelnd auf der couch und hat beim wetterbericht den gemeinsamen orgasmus, drei, fünf oder zehn jahre lang, bis dann einer fremd geht und man ein wenig hollywoodeskes drama hat, live und in farbe.
wer liebt, bezahlt mit seinen illusionen. die platzen. nach drei, fünf oder zehn monaten. oder nach drei, fünf oder zehn jahren.
anyway.
das leben ist das stetige q.e.d. davon.
und niemand ist schuld außer hollywood.
wer liebt, bezahlt mit seinen illusionen. die platzen. nach drei, fünf oder zehn monaten. oder nach drei, fünf oder zehn jahren.
anyway.
das leben ist das stetige q.e.d. davon.
und niemand ist schuld außer hollywood.
kid37 -
Sonntag, 7. Oktober 2012, 19:59
Darum wird beim Happy-end/
Im Film gewöhnlich abgeblend.
Um hier auch einmal ein Zitat aus der Hochliteratur beizusteuern.
Im Film gewöhnlich abgeblend.
Um hier auch einmal ein Zitat aus der Hochliteratur beizusteuern.
Also Sofie Rois würde ich sofort heiraten, sofort.
Die hat auch immer Recht.
Und: Klar bezahlt man. Aber nicht per Abbuchung, sondern mit vollen Händen, lachend, wenn man Gück hat. Und Glück muss man haben.
Die hat auch immer Recht.
Und: Klar bezahlt man. Aber nicht per Abbuchung, sondern mit vollen Händen, lachend, wenn man Gück hat. Und Glück muss man haben.
zy -
Sonntag, 7. Oktober 2012, 21:47
No question!
To pay or : not to pay ... so what?! I live and love my crazy loves and I would not miss one of it! Why? This is "ein weites Feld" ( Effi Briest).
kid37 -
Montag, 8. Oktober 2012, 13:18
Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Rois Kuchen backen kann. Sonst würde ich sofort Ja sagen. Frau Rois, wenn Sie das lesen, ich finde, man sollte sich weder in der Liebe noch mit dem Backen irgendeinen Druck machen. Aber schön ist es ja doch, wenn alles aufgeht.
frau eff -
Montag, 8. Oktober 2012, 15:25
Nein, nicht Sie Herr Kid sollen ja sagen, ICH heirate Sofie. Und weil ich heute Geburtstag habe, darf ich bestimmen.
kid37 -
Montag, 8. Oktober 2012, 17:36
Gut, da will ich mal zurückstecken, das Durcheinander würde ja sonst zu irre. Und da ich heute zufällig erfahren habe, daß Sie heute Geburtstag haben, sehen Sie das bitte als Geschenk. Herzlichen Glückwunsch!