Zwischendurch Kulturbetrachtungen
Ach, die seligen 80er. Die ersten Jahre waren nur Graubrotgraubärgrauzeit, dann schien penetrant die Sonne, selbst in den Videoclips von Siouxsie and the Banshees. Parallel gab es diese merkwürdige Wendung, als nämlich diese drei Mädels von Bananananamramanamana aus der Punk- und später Fun Boy Three-Ecke in die Plastikschmiede von Stock-Aitken-Waterman gerieten, deren kaugummiklebenden Kirmesmusik ab der Mitte dieses schulterverstärkten Jahrzehnts keiner mehr entkommen konnte. Schönes Beispiel hier. Die fröhlichen Drei scheren sich nicht um Playback, auch die Choreographie sitzt nicht bei allen richtig. Dabei ist die prinzipiell Verkehrspolizisten-easy: bei "heard" faßt man sich an die Ohren, bei "heart" legt man die Hände auf die Brust. Zwischendrin, ich bin in Tanzbegriffen nicht so sattelfest, gibt es den Hampelmann, die holländische Poldermühle, den händeflatternden Schwalbenschwarm und die Cowboypistolen - und dann zum Schluß den Kopf zurück, einen Griff in die Big hair-Frisur und dabei einen dieser neonbunten 80er-Jahre-Cocktails gurgeln. Aber so waren die Zeiten, selbst ich trug damals noch kurze Hosen. Man hatte ja alles noch vor sich, zum Beispiel die Mädels von Banananamaramanamarama.
Zwischen den Wellen (wir sind jetzt in der Jetzt-Zeit), in denen ich allerlei fehlgeleiteten, wie elektrischen Strom durch meinen Körper rauschenden Nervenimpulsen nachlausche, mache ich sogenannte physiotherapeutische Übungen. Da dachte ich, schau doch mal, was die Damen von Bananamarnamanranamana heute so machen, ich bin ja der Bill Murray der internationalen Karaokebühnen, ich mache denen das einfach nach. Das sah hier zuerst auch ganz leicht aus, Arme nach links, Arme nach rechts, wedel, wedel, Schwalbenschwarm. Aber irgendwie, ich muß das zerknirscht zugeben, sind die immer schon gerüchteweise (Rumour!) als extrem trinkfest geltenden Fräuleins mir voraus, dabei sind die keinen Tag älter als ich.
Falls ich doch noch meine große Jubiläumsparty mache in 13 Jahren, lade ich die ein, mit Sonic Youth wird es eh sicher schwierig werden. Dann aber Polonaise und alle zusammen.
Niedelich!
(Heute sehen Sachbearbeiterinnen in der Buchhaltung so aus. Oder in den 80ern vielleicht auch schon? Damals hatte ich noch keinen Einblick in Buchhaltungsabteilungen.)
Geben Sie mir Ihre Wünsche für die Jubiläumsparty einfach durch: Ich kenne jemanden, die enge Kontakte zu Kapellen hat, die damals "Independent" hießen - vielleicht kann sie in 13 Jahren was machen.
Strukturierte Planung fängt nicht früh genug an! Ich komme noch darauf zurück, sollten meine Anfragen ansonsten abgewiesen werden. Die Damen haben mich auch ein wenig überrascht. Früher hat es mich amüsiert Leute wie "Suzie Quattro" auf den Programmzetteln von Sommerfesten in Bad Salz Irgendwo oder Wuppertal-Cronenberg zu sehen. Jetzt amüsiert mich das auch, aber auf andere Weise. Ich mag diese Bodenständigkeit, man merkt, daß die da einfach nur ihren Spaß haben und gerne andere (und sich selber) unterhalten. Und nicht mehr. Die beiden sind letztes Jahr 50 geworden, Winken und Singen immer noch und haben ihre Karriere offensichtlich auch in den Niederungen im Griff. Nicht alle Sängerinnen schaffen das.
Ich muss auch ganz oft an die denken. Zum Beispiel wenn sich, ganz gegen meinen Willen, wieder diese schockierend blaue Venus namens Mariska in mein Bewusstsein schleicht. (Ich bin mir sicher, dass Sie als versierter Impulslauscher meinen Synapsenverknüpfungen folgen.) Als reichlich humorlosem Anhänger vergrübelter Abiturientenmusik der 70er waren diese Damen für mich sowas wie, hm, verbotene Bananen.
Aber
ja. Später wurde sie sowas wie eine holländische Joy Fleming. Das Originalalbum übrigens habe ich mal von meinem Vater abgegriffen. Riecht irgendwie nach Gras, Wildlederhüten und Sitar-Rockmusik.
Woher wissen Sie eigentlich von meinen geheimen Vorbereitungen mit den drei Damen (siehe auch: Vox Vobis)?
Bei den drei Männern im Hintergrund wollte ich nebst Ihrem gestählten Körper natürlich John Travolta und Kevin Bacon engagieren.
Aber ich hab ja noch 21 Jahre Zeit...
Die Sonnenbrille wird bei mir nicht reichen, denn bis dahin sind es wohl eher Stahlschienen an meinem Körper, wenn ich mich nicht bald in entsprechende Form bringe. Die Uhr fängt ja immer schneller an zu ticken.
Ahja, die Cowboypistolen. Sicherlich ein Zitat und eine Hommage an Luv (You are the greatest Lover...)
Das ist ein sehr, sehr böser
Vergleich. Ok, die hatten die Stiefelchen.
Ich glaube der Ursprung liegt bei diesem Stück
Weltmusik. "Cherokee People, Cherokee tribe/So proud to live/So proud to die" -Himmel.
Niemand hat Disko so gelebt wie Orlando Riva Sound!
Ja, "Grausamer Sommer" war da gewissermaßen Programm. Mir als nur sporadischem "Spex"-Leser waren die Punk-Wurzeln jener Chiquita-Chicks zunächst gar nicht so prominent bewusst. Ich wunderte mich nur, wieso selbst Leute, denen "Blue Monday" von New Order oder "Don't you forget about me" von Simple Minds schon viel zu mittelstraßig und hauptstromig waren, total auf die drei Damen mit ihrer Lala-Mucke abgingen.
Ich glaube, "wir" hielten das für subtil ironisch, daß die quasi als verkappte New-Wave-Agentinnen mit Lala die Popcharts aufmischten und abends mit The Cure einen trinken gingen.
Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob ich Ihre Anspielung auf "abends mit The Cure einen trinken" nicht auch für subtil ironisch halten soll. Wenn ich mich frage, warum in dem Fall der eigentlich zwingende Szenevorwurf "Ausverkauf"! ausblieb, dann kann ich mir das nur damit erklären, dass die von "The Residents" und ähnlicher Kost gestressten Ohren grüblerlisch veranlagter junger Männer auch mal Erholung brauchten, für die man sich nicht schämen oder rechtfertigen muss.
Frau Fragmente weiß das sicher besser, aber aus meiner eigenen Zeit als Fan der Musikgruppe The Cure meine ich zu erinnern, daß jenseits der Bühnen viel gelacht wurde. Vor allem, wenn Alkohol und Weihnachtsparties im Spiel waren. Und die drei fluffigen Damen von Banananramanamananan verkehrten da auch. Ich meine, stand doch im NME! (Oder war es in Smash Hits? Egal.)
Au fein. Jubiläumsparty mit Erna Struwe an der Spitze der Polonaise. Niemand muss mehr in die Hocke. Arme hoch reicht aus.
Der Ausblick ist auf einmal wieder so hoffnungsvoll.
Bin ich hier im falschen Film, Herr Kid? Versichern Sie mir bitte ganz schnell, dass das alles zuteifst ironisch gemeint ist und sie so etwas niemals nichtund nirgends freiwillig anhören oder anschauen würden. Das steht doch für alles, was ich an den Achtzigern so gehasst habe. Es war schon ein Graus, mit zu erleben, wie all die New Wave-Helden ("whatever happened to the heroes...") spätestens 1982/83 entweder in der Versenkung verschwanden oder in die unerträgliche Seichtigkeit des Seins namens Synthie Pop eintauchten (von den grauenvollen New Romantics ganz zu schweigen). Selbst die alten Haudegen wie Neil Young und Bob Dylan lieferten fast nur Schrott ab. Der einzige, auf den in den Achtzigern noch Verlass war, war Mark E. Smith (der stürzte erst später ab). Ohne ihn, eine handvoll Gitarrenbands (frühe R.E.M., Feelies, Woodentops), den einen oder anderen Singer/Songwriter (Tom Waits, Bruce Cockburn, Rickie Lee Jones) und meine geliebten Nits hätte ich die Achtziger musikalisch nicht überlebt (auf die amerikanischen Indiebands a la Pixies, Sonic Youth & Co. stieß ich erst 1990 ff.). So jetzt habe ich mich auch wieder beruhigt. Einatmen, ausatmen...
Hö hö hö
Wer zu spät kam, ... also nicht erkannte, daß die Revoluzzer längst gekauft und verbeamtet ruhig gestellt waren ... mußte die Seichtigkeit bejammern oder in hiesigen Breiten eben Spex lesen und Bedeutung simulieren.
Die Anderen spent their cash on looking flash and grabbed some attention.
... womit dann auch die Bundesjugendspiele in Wackersdorf und an der Startbahn West erklärt wären.
Aber es war ja auch tatsächlich ein Kreuz ab der Mitte des Jahrzehnts! Plötzlich galt eine Gitarre nichts mehr, da gab es plötzlich nur noch Disco oder Rave... und diese zarte Pflanze namens Noise Pop. Mir halfen da Jesus and Mary Chain, The Primitives, später die Pixies usw. Aber abseits meiner Bühnen, vor allem an Weihnachten oder wenn Alkohol im Spiel war, wurde tatsächlich auch mal gelacht. Oder Musikfernsehen geguckt. Und da lief dann dieser Maria-Magdalena-Schrott, aber - wie es bei Farin Urlaub heißt "manchmal auch The Cure oder New Order..." - zwischendurch auch Banarnamrnanannananma als quasi unschuldiger Spaß. Ich habe aber auch eine weiche Stelle für Pop.
Hölle. Das hatten die Vandellas damals schon nicht verdient.
War "Fade to grey" insofern viel programmatischer für das Jahrzehnt als irgendwer ahnen mochte?
kommt in meinem Musikunterricht besser an als Stiff Little Fingers. "Cruel Summer" wird so laut mitgegröhltsungen, dass die Wände wackeln. Okay, das ist ein ehemaliger SED-Bau, da wackelt vieles. Trotzdem, sehr angesagt in Teenagerkreisen. Irgendwie auch ein kleiner Lichtblick in der Dunkelheit. Warum sollen die auch mit besserer Musik aufwachsen als unsereins ;-)
Wobei: In der zehnten Klasse kam jemand mit "Radio Transmission" an ..... - erstmal abgelehnt. Sonst fangen die schon früher mit dem Ritzen an.
Siobhan war soooooooo süss.
Ausserdem haben die etwas mit Fun Boy Three gemacht, und stehen somit ausserhalb jeglicher Kritik. Punkt.
Die war aber auch irre schwierig. Sind ja meist die interessanten. Herr Schacke hat Ahnung, das ist mal klar. Und die Schüler von Herrn Thingonaspring ebenfalls. Das sind eben noch unverstellte Menschen und haben ein sensibles Herz für die schönen Dinge.
Diese beiden messerscharfen Erdbeerstreuseldekorationssängerinnen sind ja auch so ein Fall. Punk-Hintergrund, später dann ein Zuckerpophit mit
Since Yesterday (produziert vom
Cure-Produzenten), Tingelei durchs Nirgendwo und später dann ausgerechnet bei Bands wie
Current 93und
Death In June. Das ist mal ein Spagat.