Bitte ein BIC
Der belgische Künstler Jan Fabre ist offenbar tatsächlich ein Stiefenkel des berühmten Insektenforsches Jean-Henri Fabre, dies sei aber nur in einer wie an Spinnweben herbeiassoziierten Gedankenkette angemerkt. Das Naturfreundliche der Familie spiegelt sich in seinen Ausstellungen: tote Tiere, zerlegte Wesen, die Freundlichkeit einer pelzigen Überraschung.
Angeblich, so lese ich, sei er "nach einem zweimaligen jugendlichen Unfall mit Komafolge [...] unfähig, länger als drei Stunden zu schlafen." [Q] Kontinuierliches Schaffen ist ein Weg, damit umzugehen, Repetition (wie im Tanztheater, für das Fabre inszeniert) ein Ausdruck. So erklären sich vielleicht auch die Bilder, die derzeit im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen sind.
Riesige Formate, Gemälde, und beileibe keine Zeichnungen, wie es zu vermuten ist. Die Bilder sind mit BIC-Stiften entstanden. Fabre zeichnet keine Umrißlinien, er malt. Mit BIC-Stiften. Obsessiv, neurotisch, bekloppt sind dort vielleicht in diesen ungezählten schlaflosen Stunden Schraffuren und Texturen entstanden, so wie man selbst beim Telefonieren einen Block vollkritzelt, wie man früher in einer halb verpennten Geschichtsstunde oder Philosophievorlesung die Ränder seines Heftes verziert und in endlosen Girlanden bemustert hat. Bei Fabre wellt sich das Papier, wo sich die schmale Spitze dicht an dicht an dicht ins Papier gegraben hat, wo Kulitinte wie hingegossen und doch eingeschabt in das Material strömte. Mit BIC-Stiften.
Neben Texturen und Rhythmik werden einzelne gegenständliche Abbildungen sichtbar, Schädel, Insektenpanzer, eine Erinnerung. Blauer Wahnsinn, aber mit System. Der Tintner übrigens stammt nicht von der Tinte ab, sondern aus dem schlesischen Tinz¹. Fabre, als Choreograph und BIC-colateur gleichermassen tätig, schließt hier einen Kreis.
Wahnwitzig aber auch die Präsentation. Das muß man sich auch erst mal trauen, Kugelschreiberbilder umstandslos zwischen Tizians und Breughels und Rubens' und Cranachs zu hängen. Und Fabre kommt bei diesen Gegenüberstellungen gar nicht mal schlecht weg.
¹ vgl. Hans Bahlow. Deutsches Namenslexikon. Frankfurt/M., 1972.
(Jan Fabre, "Die Jahre der Blauen Stunde". Kunsthistorisches Museum, Wien. Bis 28. August 2011.)
>>> Webseite von Jan Fabre
Als ich mal vor zig Jahren in Brüsel so ein Kuli-Bild sah, war ich hin und weg. Schön, daß er hier Erwähnung findet!
Ich kannte den gar nicht. Im ersten Moment dachte ich, es handele sich um eine Ausstellung um Jean-Henri Fabre, den Großvater. Wäre natürlich auch toll gewesen. Irgendetwas insektoides.
Oh, Insektoides hat Jan Fabre auch gemacht. Das ist zur Zeit in den Niederlanden zu bestaunen.
Auf
3SAT lief neulich ein Bericht über die Ausstellungen in Wien und Otterlo.
So ein Obi-Wan-Kenobi-Mantel aus Insektenpanzern wär ja echt was für die Japan Fashion Week.
Sieh an. Das ist ja wie in Stein, den man hochhebt - und plötzlich wimmelt und krabbelt es nur so von Verweisen. Ein Mantel von Coco Chitin, was für ein Traum!
Den 3Sat-Bericht habe ich auch fasziniert angesehen. "Ohne Imagination keine Erektion" - das hat er ausserdem schön gesagt.
Na super. Und so was verpasse ich natürlich wieder.
Fabre hat vor längerer Zeit ganze Gründerzeitvillen (ich glaube, das waren Gründerzeitvillen) in Blau getaucht, auch mit BIC-Kugelschreibern.
Interessanterweise sah ich 2006 in Wien eine Installation von
Herbert Hinteregger, bei der die ganze Galerie mit BIC-Stiften zugeklebt war. So schließen sich Kreise.
Auch interessant, dass er ausgerechnet BIC-Kulis verwendet, diese so zuverlässig schmierenden und unkalkulierbar dicke Tropfen absondernden Schreibgeräte from Hell.
Also das muß ein Anwenderproblem sein. Ich bin sicher, die Firma BIC baut ganz hervorragende Schreibgeräte.
Sicher spielt auch die Verfügbarkeit eine Rolle. In Belgien lässt sich schwer was anderes finden, als der Marktführer. Doof an diesem Gerät finde ich, das man verflixt auf der Hut sein muss, wenn man dazu neigt, den Stift in den Mundwinkel zu stecken...
Beängstigend schräg! Aber nicht schlafen können... der Preis für die Kunst ist manchmal arg hoch.
Ich litt früher extrem unter Schlaflosigkeit. Ein Übel, von dem ich hoffe, mich befreit zu haben. Kunst hin oder her.
Ich war früher auch oft schlaflos - allerdings oft auch absichtlich und, äh, nicht immer mit legalen Mitteln. So lange man jung ist, sagt man sich, ruhen kann ich noch lang genug im Grab. Da blieb es dann freilich auch nicht aus, dass es mit dem Schlafen dann auch nicht klappte, wenn es eigentlich hätte dringend stattfinden sollen. Von daher kann ich den Horror gut nachfühlen. Aber ich wusste wenigstens, woran es lag.
Wir hätten es nicht beschreien sollen. Heute nacht, ab 3.23 Uhr war ich auf Empfang. Ächz.
habe sie
das hier etwa verpasst?
ich
binwäre schockiert!
Tatsächlich verpaßt, das muß wohl auch ein paar Tage vorher gewesen sein. Andererseits, solche Belustigungsaktionen wie "Probeliegen im Sarg" überlasse ich gerne anderen. Thanatos war diesmal nicht so das Thema, dafür standen zuviele halbnackte Damen im Bezirk. Auf das in der SZ-Bildstrecke gezeigte Auto indes war ich auch mal
scharf.
wäre wohl auch aus kulturanthropologischen gründen interessant gewesen.
(wie genau kommt eigentlich r2d2
dahin?)
Das geht sich schon aus. Die Sepulchralkultur läuft ja net so schnell davoan.
(Da schau'n 's her! Klarer Phall, ich habe da was anderes gesehen. Hm. Keine Ahnung.)
ich seh jetzt grad erst: das ist ja das grab von falco.
vielleicht haben sie doch recht. oder unter dem tuch ist eine schneekugel. oder beides oder alles.
Falco? Ah, dann also: Verdammt, wir leben noch!