Istanbul, andere Ecke
Es war eigentlich erst am letzten Tag, nachdem das touristische Hauptprogramm erledigt war, beim Spaziergang hinter die Ausläufer des ägyptischen Basars, den Hügel hinauf durch enge Gassen bis zur Uni, die tatsächlich LaLeLi-Universität heißt, daß ich ein Gefühl für die Details bekam: Unten am Wasser in Eminönü stehen ehemals prunkvolle Bankgebäude, dahinter reiehen sich Bürgerhäuser, die seit hundert Jahren einsam leer zu stehen scheinen, das Moos wächst senkrecht an den reichverzierten Fassaden empor, unten haben Händler ihre verwinkelten Läden. Es wird ein Spaziergang gegen die Zeit, gegen das schwindende Licht in den letzten Abend hinein. Die Stadt ist reich an Texturen, meist meint man damit die Mosaiken im Inneren der Moscheen, hier ist es Rost und bröckelnder Putz in Ockertönen und Resten von Pastell, ähnlich wie in den ausufernden Gassen unterhalb des Galata-Turms, dort wo auch dieses trutzige Teutonia-Gebäude steht und die Dogan-Apartments, die in einem altem Komplex einer belgischen Bankiersfamilie entstanden sind. Filmsets für britische Geheimagenten und untote Blutsauger, ich könnte mir dort auch ein Zimmer mit Aussicht zum Nachdenken vorstellen.
Hier in diesen steilen Gassen sind nur wenige Touristen unterwegs, vielen ist der Fußmarsch den Hügel hinauf zu anstrengend, dabei wird man ja hinaufgezogen, folgt neugierig jeder nächsten engen Kurve, hinter der neues Staunen liegt, überraschende Kontraste, ein verwaschener Reichtum von Farben und Gerüchen.
>>> Istanbul through my eyes, ein tägliches Fotoblog
Sehr schöne Fotos. Vielleicht die Touristenattraktionen weglassen und nur der Nase und dem Auge nachlaufen das nächste Mal. Das hat bei mir und Florenz seinerzeit sehr gut geklppt. Allerdings ohne gute Kamera.
(Ich wusste gar nicht, dass Sie so ein Deichsler sind. 11:11 Uhr. Nunja, aber das falsche Jahr.)
Die Seele braucht drei Tage, bis sie nachgereist ist, heißt es. Von daher wäre es wohl nicht anders abgelaufen, hätte ich das Programm von hinten nach vorn gestülpt. Außerdem bin ich der Meinung, daß man ruhig die Attraktionen schauen sollte, wenn man schon mal in der Gegend ist. Beim zweiten Besuch, geht es dann nur noch in die Nebengassen.
(Der Hoppeditz erwacht leider nicht um 11.37 Uhr.)
Attraktionen nur, wenn sie attraktiv und nicht überrannt sind.
Mit der Seele ist das so eine Sache, ja. Und in den Rhythmus einer Stadt kommen, das dauert manchmal noch sehr viel länger.
(Am schnellsten ging es lustigerweise bei mir mit der am weitesten entfernten: Sydney. Da habe ich mich dank der Freundlichkeit und Relaxtheit der Leute schon am ersten Tag so pudelwohl und drin in der Stadt gefühlt, dass ich sogar den Jetlag vergaß...)
Der Fußmarsch hat sich gelohnt!
Sehr! schöne Bilder!
Danke. Zum Glück bin ich die steilen Straßen noch aus Wuppertal gewöhnt.
schwar.ze katze von rechts. da müssen Sie aufpassen!
Für Sie wäre die Stadt nichts: In den Basaren laufen (oder besser purzeln) gerade mal Sechs-Wochen-Kätzchen frei herum (auch hier große Gelassenheit, die Tiere werden stillschweigend versorgt und akzeptiert, aber nicht verhätschelt).
Du liebe Zeit. Das hätte mich sehr abgelenkt. Und sicher wären auch alle einige davon in meine Taschen gepurzelt. Die Stadt is mir btw auch viel zu steil. Da wäre ich ja ständig atemlos.
Das Tierelend (Katzen und Hunde) muss schlimm sein in Istanbul. (So berichteten mir Freundinnen, die dort im Sommer waren.) Man kann das Gelassenheit nennen, andere empfinden das eher als Gleichgültigkeit.
Ich weiß nicht, was Ihre Freundinnen gesehen haben. Ich kann das überhaupt nicht bestätigen und habe eher einen gegenteiligen
Eindruck (oder auch
hier). Ich war auch in eher abgewrackten Ecken im asiatischen Teil, selbst dort liefen z.B. die Schrottplatzhunde ohne Kette herum, ganz entspannt. Vielleicht schreibe ich da aber noch was zu.
Nicht nur schöne Bilder, sondern auch ein schöner Text. Das soll doch auch mal gesagt werden. Ihr endzeitmelancholischer Ton paßt einfach genau zum - sogar senkrecht - kriechenden Moos an Istanbuler Fassaden und dem anämisch Gelbgrünstichigen der Aufnahmen. Wie schrieb Frau Lorilo: Sie sind schon ein "Deichsler", und das hat sie, glaube ich, durchaus anerkennend gemeint.
Oh danke, das ist sehr freundlich. Im Nachhinein hätte ich jetzt doch noch gerne zwei, drei Tage länger und in Ruhe Details und Fassaden gesucht.