Früher hat man ja, möglicherweise leicht angetüddelt, sich abends oder später an den Rechner gesetzt, gehofft, daß Blogger.de nicht mittendrin abstürzt und alles ins Nichts reißt und irgendwelchen, womöglich sogar emotional geprägten Unsinn gebloggt. Heute geht das auch ohne Alkohol, aber lange nicht mehr so gut.
Der Spaß, heißt es, sei irgendwie vorbei. It just ain't fun anymore, und wenn ich wüßte, aus welchem Film das wieder war, könnte ich öfter einmal fünf Minuten eher einschlafen. Maulkörbe, Gelangweiltsein vom eigenen Tun & Treiben, falsche Rücksichten und richtige noch dazu, das Schleifendrehen in der immergleichen Sisyphosprojektion - indes am Ende einer harten Arbeitswoche, so die Kollegin, mit der ich heute auf dem Heimweg ging, ist man froh, wenn nicht allzuviel für die Montagskehrbesen übrig bleibt.
Mancher Peinlichkeit wünschte man im Nachhinein die [del]-Taste, aber, so antwortete ich heute meiner Kollegin, wir haben auch ganz schön was weggeschafft. Die Hornhaut auf den Fingerspitzen, die Stahlplatten über dem Herzen, die goldbedampfte Sonnenbrille gegen die Strahlen aus der Zukunft - man ist ja auch gewachsen womöglich.
Der frohe Spott, der unbedachte Witz, die schlecht verborgene Liebeserklärung, der enttäuschte Zorn. Die Menschen, die man traf, die paar, die man besser nicht getroffen hätte. Träume auch und ein paar zu laute Versprechen. Die Biere bei Kehrwieder, die Reisen, das Vorlesen, die falschen Hoffnungen. Zwischendurch das Immerweitermachen, immerhin, die augenrollenden Freunde, die sehr schöne Frau™, die zu klug für all das war, die Rollschuhchampionesse, die ihr eigenes Geschick nicht kennt, die Frau, die das Lied von Moloko mit mir nicht teilen wollte, die Frau, die mir am Ende die Leviten las.
Die Freunde, die fremden Städte, die oft so unverdiente Hilfe, das spontane Picknick auf dem Friedhof, die Kaffeetafeln in verwunschen wunderlichen Gärten, die Schickanedernächte, und all die, die um ihre Gesten wohl gar nicht wissen. Nothing can come close to this familiar feeling.
Früher hat man diese trunkenen, womöglich emotionalen Dinge gebloggt.
Ist doch nur Herbst. Is jedes Jahr. Bisher jedenfalls.
Und wenn man jenseits der Zeit ist, in der man Weltkarriere macht, und all die Scherben und Wunden und Kratzwunden betrachtet und gar nicht versucht, das alles wieder zusammenzukriegen, dann, dann werden so Sachen wie Haltung so zentral, das man fast das Schauen auf den Anderen vergisst. Dabei geht doch nur beides.
Naja.
Die Zeit der kühleren Abende ist ja auch die, in der man merkt, mit welchen Anderen man enger zusammenrücken möchte, auf wen man sich verlassen möchte, wenn dann der Schnee fällt.
Ich liebe den Herbst. Es gibt so schöne Mäntel.
Ich lese es so und wenn dem so wäre, würden wir schon Zwei sein.
Im Übrigen hätte ich große Lust mal wieder eine Kanne Tee mit Ihnen zu trinken. Sehen Sie da Möglichkeiten?
Und als Worte des Aufbaus und des Trostes, da ich sie heute las und an dieser Stelle sehr passend finde:
Aus solchem Chaos, Mischmasch-Potpourri,
was sonst erwartet uns als Poesie?
Wird nachts ihr Hirn mit Schlafentzug gequält,
Bleibt ihr nur Verseschreiben oder Schafezählen.
T.S. Elliot "The Waste Land"
In diesem Sinne, bitte weiter schreiben. Danke.;-)
'Has it begun to sprout? Will it bloom this year?
t(ee) minus x Tage. Aber bis dahin schaffen wir vielleicht sogar was mit Schaum oben drauf. Gern.
bei
Lu, die hbe ich neulich noch gesehen. Verschwundene Orte, entschwundene Menschen zum Teil. Das war ein herrlicher Abend - oder Nacht muß man ja fast sagen. Ich glaube, die Hedi fuhr auch noch vorbei.
Ach Saxana, ich habe dieses Jahr soviele Zahlen einfach bloß abgelegt, mal hier eine Summe, dort ein paar Posten. Es kostet viel Kraft, das alles mal zusammenzuzählen und eine größere Bilanz zu ziehen.
Aber dann muss man raus.
Aufhören, weil es am schönsten war...
einen jahresabschlussblogbericht schreibe ich auch schon, in gedanken.
Aber ein schönes Blatt Papier haben Sie da wieder schön vollgeschrieben, Ihr Handschrift ist so edel!
(Huch, habe ich das gerade gesagt?)
will not pass you by.
Singt die wunderschöne junge Dame da einfach so. Und man kann sich beinahe selber zusehen, wie sich einem diese Zeilen in den Kopf bohren, ins Herz und in den Magen.
Immerhin, mein Lieber, Sie vertreiben einem die Wut. Und das ist doch schon eine Menge in diesen Tagen. Schnee bis ins Flachland. Man will es besser gar nicht so genau wissen.
Heute ist kein Tag für Wut. Gut so.
Und stellen Sie sich nur vor: Unser Scheff hat kürzlich eine Schuhputzmaschine im Foyer aufstellen lassen. Grimmig, aber vielleicht doch nicht ganz.
Das Problem reicht dann natürlich tief, wenn sich so ein Befindlichkeitsblog auf diese Weise selbst den Gnadenschuß gibt. Vielleicht sind das auch nur Phasen, vielleicht findet man die passenden Worte zu besseren Gelegenheiten. Bloggen aber sollte nicht so viel Selbstkontrolle haben. Man könnte dann ja gleich in der Zeitung schreiben. Bloggen ist besser, wenn es wie Küssen ist, bis es schmerzt. Oder wie eine Ohrfeige.