Only pleasantries
And like a fool
You thought life could be cheated
Of life's realites
(Siouxsie, "Here Comes That Day".)
Mein Studium, also damals, da muß der Sauerbruch ja noch gelebt haben, habe ich mir zum Teil durch die Arbeit in der Pathologie finanziert. Nicht im Sektionsraum, so viel wäre da auch gar nicht zu tun gewesen. Wir sind ja nicht bei CSI. Spannend war es trotzdem und beim abendlichen Gang durchs Labor, an den Tischen mit den Präparaten vorbei, die dort in trüber Flüssigkeit in alten Marmeladengläsern dümpelten, auch interessant. Ich verbinde angenehme Erinnerungen mit dieser Zeit, aus der ein Großteil meiner medizinischen Kenntnisse stammt. Getreu dem Motto: "Der Pathologe weiß alles - aber leider zu spät". So geht es mir im Privatleben schließlich bis heute.
Schön war es daher heute abend, in die alte Pathologie in Eilbek zu schauen. Ein heimelig vom Verfall angekränkeltes Backsteingebäude, das nun die Ausstellung Zwischenwelten beherbergt. Sechs Künstler präsentieren dort Fotografie, Malerei, Installationen und Videokunst. Am intensivsten vielleicht die Arbeit von Marina Lindemann, die zeigt, was bleibt, wenn jemand geht. Das Banale nämlich und der Alltagsschrott. Das, so bedeutete ich meiner Begleitung, wird dereinst auch mit dem Gerümpel aus dem hermetischen Café passieren, die pronografische Sammlung inklusive. Machen wir uns da mal nichts vor. Schon deshalb habe ich vorsichtshalber das Warten verlernt.
("Zwischenwelten". Alte Pathologie P40. Friedrichsberger Str. 40, Hamburg. Noch bis zum 7.9.2008)
>>> Informationen zur Ausstellung
Und viel Arbeit?! Aber ein Gedanke ist es wert.
Sie sind besser, als jede OXMOX.
Danke. Ich sehe es mir an.
ein ganz großartiger satz... ;-)
Frl. Deville, der/die/das Oxmox hat ja auch ein Layout... da findet man ja nix ;-)
wir haben lange diskutiert, ob man das alles darf.
zeigen, anschauen.
ich war für ein uneingeschränktes ja, bin mir aber bis heute nicht sicher ob ich die bilder, die ich aus pietätsgründen nicht gemacht habe, z.b. im blog herumzeigen sollte...
"Pathologien" waren schließlich mein Magisterarbeitsthema, wenn auch andere. Aber Psyche/Soma sind ja eins.
(mir war so, als wäre u.a. auch ein nichtöffentlicher bereich dabei gewesen)
ein gedanke aber, der den stark körperlich behinderten menschen vielleicht auch gekommen ist behagt mir immer noch nicht:
das warten auf meinen tod, damit ich endlich in formalin eingeweckt werden kann, neben den anderen monstern?
verschiedene formen von sammlerehrgeiz dürften auch recht stark an der menschenwürde kratzen.
patientenverfügung und einwilligung zur wissenschaftlichen verwertung waren wohl nicht unbedingt tagesgeschäft - eine medizinhistorische aufbereitung gab es zum zeitpunkt meines besuchs auch nicht.
Herr Vert, ja, nein, ja, nein. Sie sehen uns vor weiten Feldern stehen. Die Archäologie steht vor einem ähnlichen Dilemma, man denke an Ötzi und seine Kollegen. Und natürlich gibt es Sammlungen obskurer Provenienz. Der Schrumpfkopf in Harrys Hafenbasar... ist er wirklich echt? Es gibt die Klage, daß es für den Ausbildungsbereich oft zu wenig, zu wenig gute Präparate gibt. Es gibt die Klage, daß hierzulande zu wenig Leichen seziert werden. (Für die Angehörigen oft ein hochproblematisches Thema.) Dann gibt es Unis, die sich vor Anfragen gar nicht retten können, weil es immer mehr Menschen gibt, die auf diese Weise die Bestattungkosten sparen möchten. (Das wahre Monster heißt Hartz IV.)
Aufzuarbeiten gibt es aber tatsächlich genug. Ich weiß allerdings nicht, wie z.B. die Charité damit umgeht. (Und ja, es gibt einen weit größeren nicht-öffentlichen Bereich. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es der ist, den ich damals bei Durch die Nacht mit... Rocko Schamoni gesehen habe. Irgendwann um fünf Uhr morgens.)
die plastination ist ein medizinischer geniestreich, die einige der präparatsprobleme lösen könnte, dann aber dargeboten von einem windigen beuys-verschnitt, der nicht dafür garantieren kann, dass die ware nicht aus chinesischen hinrichtungen kommt.
aber ansonsten ja.
(um fünf uhr in der früh war das sicherlich ein besonderes erlebnis.)
À bientôt! Audrii