Ist nicht morgen, sondern grade eben.
(Bernadette La Hengst, "Der beste Augenblick".)
Mein langjährigster Freund ist ein halbes Jahr jünger als ich, und weil unsere Mütter von Anfang an ihre Kinderwagen Seite an Seite um den Ententeich geschoben haben, kennen wir uns nicht nur ein berühmtes halbes Leben lang, sondern tatsächlich ein ganzes. Wir waren gemeinsam im Kindergarten, haben nachmittags die Western vom Sonntag nachgespielt, später auch mal Feuer gelegt und uns die Nasen blutig gehauen, erste Zigarettten gedreht, uns gestritten und wieder vertragen. Wir wohnten in derselben Straße, zwei Häuser auseinander, und verloren uns dann doch ein wenig aus den Augen, weil eine unterschiedliche Schulkarriere unsere Interessen auseinanderführte. Der Kontakt brach dennoch nicht ab, wir trugen erst seinen Vater und später meine Katze zu Grabe, tranken einen Schnaps sowohl auf den einen als auch auf den anderen, und am Ende half er mir, meine 30 Kartons in einem Kleinlaster nach Hamburg zu bringen.
Der Kontakt ist immer noch lose, und oft ist es meine Mutter, die Nachrichten und Grüße von hier nach da trägt und uns gegenseitig auf dem Laufenden hält, bis auf die Dinge, die sie besser nicht weiß. Jetzt telefonierten wir zum neuen Jahr und hielten Bilanz. Was war, was geschah, was uns wirklich bewegt. Irgendwann fiel das Wort Midlife-Krise, wir redeten über Frauen (Kummer), Kinder (keine) und kleine rote Sportwagen (komisch) und das, was das Leben noch bieten wird. Das Heute wird mir wichtiger als das Morgen, sagt er, und ich wußte nicht, wie ich ihm widersprechen sollte. Ich erwähne meinen kleinen Unfall im letzten Jahr und wie ich im Krankenhaus lag und nachdenklich wurde. Und wie das Nachdenken stärker wurde, mehr Raum einnahm und sich ausbreitete, wie eine Wasserlache, die in alle Ritzen und Windungen dringt. Überall dorthin, wo plötzlich Leerräume sind. Was bleibt, ist die Frage. Und wer? "Man will ja nicht alleine sein", sagt er und erzählt mir, wie er fast zur selben Zeit im Sommer einen Unfall mit dem Motorrad hatte. Wie ihn seine gebrochene Schulter zurückwarf, auf ihn selbst natürlich auch und auf die Gedanken, die dann kommen.
Man merkt, sage ich, daß es nicht endlos nur noch vorne geht, egal, was nun kommt. Daß es nicht bloß mehr um Neugierde und Abenteuer und das Neue geht, sondern um Beständigkeit und Verläßlichkeit und um das, was jetzt ist. Um das, was bleibt. Und wer.
Er erzählt von einem Kollegen, dessen alten Arbeitsraum er nun als Lager benutzt. Der Mann galt als aufopferungsvoll, ein Workaholic, immer für die nächsten Projekte und die Firma da. Nicht wegzudenken. Eines Tages war er tot, fiel einfach um, im besten Alter, wie man so sagt. Seine Stelle wurde nicht neu besetzt, sein Arbeitsraum blieb, wie er war. "Ich sollte alles entrümpeln", erzählt mein Freund. Und hielt am Ende zwei Kartons in den Händen, darunter Fotos vom Schreibtisch und geschäftliche Briefe, die der Kollege nicht mehr geöffnet hatte. Die Bilanz von 30 Jahren, zwei verstaubte Kartons, Strandgut eines ganzen Lebens. Tja, sage ich. Meins paßt auf eine CD.
Dennoch stimmt er nachdenklich, der Satz:
Das Heute wird mir wichtiger als das Morgen
Und er erinnert mich an meinen Vater, der sich immer weniger mit dem Hier und dem Jetzt beschäftigt als mit der Vergangenheit. Ich will damit sagen, dass das, was einen berührt erst die Zukunft, dann die Gegenwart und irgendwann die Vergangenheit ist. Wenn wir schon im Jetzt angekommen sind, sind wir bald im Früher, was bedeutet, wird werden alt.
Traurig finde ich es nur, wenn man dadurch viele Schmerzen hat oder die geistigen Fähigkeiten nachlassen. Schrecklich! Aber ach, man kann et sich ja nich aussuchen, woll? ...um mal in Ihrem Heimatslang zu sprechen.
Ich glaube kinder haben mich etwas gerettet. Nein, viel gerettet. Tiere gehen nicht, sind nur Tiere und lernen irgendwann nichts mehr.
Lassen Sie sich ein Kind machen. Das Leben hat zwar weniger Geld und weniger Zeit und keine Ruhe. Aber es geht vorwärts mit Vollgas und am Ende immer was zu lachen.
(Ich weiß, ich hab gut reden) Aber was ich so lese, ich würde Ihnen mein ind mal ausleihen. Der Kleine (6) ist so kauzig wie Sie auch.
Ich am letzten Sonntag "Hey Kleiner, was hastn da wieder gemacht"
Kleiner "Ich hab nichts gemacht"
Ich "Komm raus mit der Sprache"
Kleiner "Ach Papa, ich hab was gemacht."
Ich"und was?"
Kleiner " Was auch immer"
Ich "und ist das OK"
Kleiner "Ein bissl nicht, aber schon ganz gut und Dir gefällt es. Du bist ein nämlich ein guter Papa!"
Da zerfließe ich natürlich wie Butter in der Sonne
Das ist ja süß von Ihrem Kleinen. Man ahnt es ja kaum, aber ich kann recht gut mit Kindern. Sogar schreiende Säuglinge schläfer ich sofort ein. Manchmal nur für fünf Minuten, aber immerhin. Vielleicht sollte ich Museumskurse für Bloggerkinder machen. Ich kann auch gut Staudämme bauen mit allen Schikanen (Todesrutsche, Schnelleinsturzbrücke usw.). Ja, die Idee klingt nicht schlecht. Kinder sind sicher besser als ein "Fit ab 40"-Abo.
Denn so oder so muss man diese Gedanken weiter leben, um der Brut die besten Startschüsse zu geben, damit sie selber eines Tages vor dieser Tür stehend entspannt hindurch passen.
Es ist einfach der Moment an dem man sich für den einen Blick auf die Zukunft entscheiden muss: sieht man in den nächsten 40 Jahren eben auch gute, gelebte Zukunft. Oder will man sie nur als ewigen Abschied vom Gestern und der Jugend erleben?
Ich möchte nur nicht mehr alles ins Endlose aufschieben, ich habe zu lange gewartet. Das Jahreshoroskop von Merlix finde ich sehr passend. Nur das mit dem Amüsement bekümmert mich.
Das hat mir sehr geholfen.
Danke.
das ist wahre freiheit.
manches mal hat man nur den bruchteil einer sekunde, und nichts ist mehr , vom alten leben. diese unfälle sind da gute ratgeber.
ich spreche aus schmerzlichster erfahrung.
ich habe, unausgesucht, alle fünf jahre meines daseins ein völlig neues leben beginnen dürfen. in diesem turnus lebe ich seit geburt. fünf jahre verdauen und dann ^peng^. wie froh könnte ich zurückblicken, in eine einzelne cd, so überschaubar, aneinandergereiht, ein fliessendes leben gehabt zu haben.
"this is the other side of the coin"
Mein Leben selbst ist gar nicht mal so überschaubar, ich habe vieles erlebt, Gutes und nicht so Gutes - aber das Erleben fällt leicht, wenn man jung ist und neugierig. Selbst etwas zu Schaffen, das sind andere Dinge. Aber zu welchem Ende leben wir (frei nach Schiller)? Die richtigen Prioritäten setzen, interessiert zu bleiben, offen für Menschen und Ereignisse. Man soll das Heute genießen und sich auf den Morgen freuen, heißt es. Der Glaube daran fällt nicht immer leicht. Nach dem grüblerischen 2007 wird 2008 mehr Bewegung folgen. So mein Plan.
Und ja: Mein eher harmloser Unfall hat mich mehr beschäftigt und verändert als ich wahrhaben wollte.
kein suchen nach sinn, eher versuche ich zu sein.
ein kleines etwas davon stossen sie in mir an, daher traue ich mich ein flüchtiges abbild hier zu zeigen.
man-o es gibt vier, nochwas milliarden realitäten, nicht wahr, und jede gleicht sich im behaupten um das sein.
Warum, weiß ich selber nicht. Es wäre leicht, in die psychologische Kiste zu greifen, das Selbst zu sezieren (ich kenne die Antworten). Vielleicht hätte ich nur noch ein halbes Jahr warten müssen, Vielleicht war ich mit dem Verlangen nach dem "Jetzt" zu ungeduldig. Diese Leichtigkeit war mir zwar nicht völlig abhanden gekommen, aber leider genau bei dem Menschen, bei dem es wichtig gewesen wäre. Einen Sinn gibt es wahrlich nicht, denn das "macht" es nicht. ich wünschte, ich sähe einen Strohhalm. Es bleibt wohl das, was immer bleibt: Lektion akzeptieren, etwas daraus lernen und irgendwie weitermachen.
Derzeit ist mir der Glaube abhanden gekommen.
zum ersten abschnitt: nein, nun das nicht, ja? machen sie sich nicht so nieder, sonst muss wieder ihr wunderbarer hofstaat unisono widersprechen. murmeln sie sich bitte das "gegreine" heraus, sonst darf ich nicht weiter kommentieren....
Glaube, Liebe, Hoffnung. Da sind wir wieder. (Danke fürs Mutzusprechen.)
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch
Was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen. "
Deutschland. Ein Wintermärchen, Heine.
Kopf hoch, John-Boy.
Man sollte keine Gedanken im trüben fischen.
Nicht das wehmütige , traurige , schlechte soll man heraufbeschwören ,
sondern das lustige , gute und sinnvoll geleistete.
Klar denkt man ab und an darüber nach ; was war , was kommt.
Aber nicht so .
Das ist nicht gut.
Mir hatte mal jemand einen Schups gegeben .
Als ich mal des lebens ein wenig müde wurde..
Er nahm einen Meter.
Knickte vorne co 20 cm ab Knack.
- Das ist das was du gelebt hast.
Hinten knickte er bei 90 cm ab. Knack.
- das ist realistisch.
Das übrige Stück hielt er mir vor die Nase.
- und nun mach was daraus und jammere nicht.
Ich habe die 69 cm in einer Vase stehen.
Mittlerweile sehe ich das Stück was übrigbleiben würde wenn ich das gelebte abknicken würde ..
und beeile mich , ... und meinen Plan zu erfüllen , aber mit einem Lächeln.
Gut , das ich es nicht damals schon abgeknickt hatte.
Liebe Grüße von hier .. nach Dir .
Wenn in diese "Idylle" der Blitz durch Streit einschlägt und dieser Streit nicht wieder beigelegt wird, befinden Sie sich von Null auf Hundert in der Hölle.
Sollte es gelingen, durch ein reinigendes Gewitter die Sonne wieder scheinen zu lassen, wissen Sie die "Familie" zu schätzen. Dann reicht das gemeinsame Frühstück am Wochenende als Inbegriff des guten Lebens.
Wie gesagt, es ist nur ein Beispiel.
ich kann das auch bestätigen .
Familie kann Himmel und Hölle bedeuten.
- genauso wie keine zu haben.
Übrigens :
Da gibts doch dieses Ding bei den Men in Black.
Wer besorgt das aus der Requisite ?
;)
..machen wir das Beste daraus.
Schwamm drüber.
dann lieber allein und in vollem schwung durchs jammertal. umso schneller ist man wieder übern berg.
trost gibt es nicht.
der widerspruch ist doch schon mit dem ersten satz gesagt:
ein anderes leben - ist man in sich gefangen und aussen liegt eine familie an, ist es schwer; komplett allein ist es schwer.
im weh und schmerz ist uns immer allein. immer.
herr kid, ich erkenne mich nicht im spiegel, auf fotos starre ich fremd und lange...gestern sagt mir wieder jemand, wie attraktiv ich sei; nur ich fühle das garnicht!
ich glaube in den zeiten der verschiebung, zeiten des schluckens von lektionen, ist es ein gutes zeichen zu fremdeln, veränderung braucht chaos; danach kommt die glatte ruhe und das wiedererkennen.
Für den Text oben gibt es verschiedene Anlässe. Der Jahreswechsel, die Bilanz, die man zieht, die Rückschau, die man auf sein Leben hält. Dazu die Verluste. Von alten Freundschaften, aber auch von einer Liebe. Die nicht nur einfach war, aber oft eben ganz erstaunlich auch, und in der sich zwei Menschen gefunden hatten, die stark und interessiert genug sind, auch alleine durchs Leben zu schreiten mit Lust und Gewinn. Die nicht abhängig sind, aber die gemeinsam viel mehr hätten erreichen können, durch Ergänzung, Austausch und Nähe. Aspekte und Menschen, die ich entsetzlich vermisse. Die Verantwortung und Mitverantwortung an diesen Verlusten und Leerstellen macht mir zu schaffen.
Ja, da ist Chaos. Verzweiflung und Chaos - und der Wille, weiter zu lernen. Das ist ein harter und manchmal auch verdammt einsamer Weg.
das hat einige meiner noch stehenden dominosteine gekippt, kettenreaktion in der hirnchemie folgte.
schon ein mistig ding: das lernen hört nie auf.
geht das so weiter, verschwinde ich, vor lauter abnehmen durch verbrennen infolge starkem denkens.
jetzt verschwinde ich erstmal wieder aus ihrem hof....
Ich freu mich , das Du da noch einen Funken Kampfgeist gefunden hast..
Und puste feste , damit daraus ein Feuer wird.