Im Kino gewesen. Nicht geweint

Heute morgen wollte ich meinen inneren Frühaufsteher entdecken und schlich noch schnell in die Pressevorführung des neuen Films von Wong Kar-wai My Blueberry Nights. Schöne Bilder, elegische Musik und tragische, unerfüllte oder besser noch erfüllte Liebe hatte ich erwartet, ein Paket Papiertaschentücher in Griffweite, durchaus bereit, mich von diesem Film rühren zu lassen wie von einem Messer, das sich in der Nähe des Herzens in den Körper bohrt und dann langsam umdreht.

Stilisierte Bilder, oft bereits über der Grenze zum Kitsch (Kamera nicht Christopher Doyle, sondern Dariius Khondij), akzeptabler Soundtrack (u.a. Cat Power, die auch eine kleine Nebenrolle hat), das Versprechen einer großen Liebesgeschichte - nur leider funktionierte es für mich nicht.

Wie es manchmal so ist, begibt sich eine junge Frau (Norah Jones, keine Schauspielerin), nachdem ihre Liebe zerbrochen ist, auf eine lange Selbstfindungsreise. Kenn ich auch, aber eines hat sie mir voraus: Sie schreibt regelmäßig Karten an ihre Zufallsbekanntschaft, einen Barkeeper (Jude Law, muß man mögen). Dazwischen werden "Gespräche" geführt - und das war die Enttäuschung - die aus theaterhaften, gestelzten Dialogen bestanden, die unangenehm an Glückskekssprüche erinnerten.

Türen, so heißt es, solle man nicht für immer zumachen. Ich bin dafür und wünschte hart, meine wäre beizeiten offener gewesen (Charakterfehler, also ich jetzt). "Aber manchmal kann man die Türen nicht mehr aufmachen, auch wenn man die Schlüssel dafür noch hat oder?" fragt eine alte Liebe des Barkeepers. Der den nächsten Glückskeks nachreicht: "Selbst wenn die Tür offen ist, ist der Mensch, den Du suchst, möglicherweise nicht da."

Oh ja. Das ist dem Leben abgeschaut. Denn die alten Philosophen lehrten bekanntlich bereits: "Du schreitest niemals zweimal durch dieselbe Tür." Denn alles ändert sich! Man holt Atem, taucht unter, ist ein Arschloch, zwei Monate, drei Tage und sieben Stunden verschwunden - und will sich noch wundern? Daß Türen geschlossen, Menschen verschwunden, Schlösser ausgetauscht sind? Nein, da gibt es nichts zu wundern. Jude Law jedenfalls hat ein ganzes großes Glas voller verlorener und weggeworfener Schlüssel auf seinem Tresen stehen. Doch, halt, die alten Philosophen gingen weiter. Wer aber den Mut hat, sich selbst zu ändern, sich selbst zum Schlüssel zu machen, darf es wagen, in die veränderten Räume zu treten. Wachsen, neue Türen finden und Mut für die alten haben. Den Mut haben, zu klopfen, die Klinke zu drücken. Und bleibt sie trotz allem geschlossen, dann steht man Ende eines Weges, aber vielleicht nicht aller. (Nur daß es leider genau dann so aussieht und sich, das weiß ich genau, auch so anfühlt.) Dann aber besser nicht so machen, wie ich von Zeit zu Zeit, sondern wie Gregory Peck in Ein Herz und eine Krone (auch ein super Film): Alles mit den Augenbrauen! Haltung, Mann! (ein Lehrauftrag)

Von alledem erfährt man aber nichts im neuen Film von Wong Kar-wai. Denn das habe ich ja so ausgedacht. Nur eine, dafür sehr wahre Erkenntnis gibt es: "Ich wollte nur, daß er mich losläßt. Und jetzt, wo er es getan hat, verletzt es mich mehr als alles andere auf der Welt."

Da hätte sie losgehen können, die weitere Wahrheit, das Beispiel, das zeigt, wie es von dort aus weitergeht. Doch nichts davon, keine Ratschläge, keine Hilfereichung. Mein Taschentuch blieb trocken, und ich ahnte wieder einmal, daß Kino zwar das Leben, das Leben aber nicht das Kino imitiert. Schade, denn am Ende, dem vom Film, immerhin, - gab es einen Kuß.

Wong Kar-Wai. My Blueberry Nights. (HK, China, F, 2007.)

Super 8 | 16:45h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
monolog - Dienstag, 8. Januar 2008, 17:38
Verdammt. Jetzt schreiben Sie mir hier mal eben so meine große Kino-Hoffnung beiläufig zunichte.
Geh ich halt zuerst in Control und Darjeeling Limited. Bis ich die überstanden habe, hat mein Kurzzeitgedächtnis und ihre Aktualisierungzuverlässigkeit diesen Beitrag verdrängt ;)

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kid37 - Dienstag, 8. Januar 2008, 21:17
Ich bin derzeit nicht wirklich zurechnungsfähig. Es mag sein, daß andere einen Reiz draus ziehen können. Ich fand's ein wenig banal. Das ist kein In the Mood for Love.

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urgruende - Mittwoch, 9. Januar 2008, 00:51
... mein beileid

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rollinger - Mittwoch, 9. Januar 2008, 09:28
Wie halten Sie solche Filme eigentlich bis zum Ende durch. "Glückskeksdialoge" das ist sehr treffend.
Sie haben sicher schon Karten für "Control" geordert?

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kid37 - Mittwoch, 9. Januar 2008, 09:47
Mir wurde er tatsächlich ein wenig lang, obwohl er nur 95 Minuten oder so hat. Er lief im Original, wenigstens der Akzent von Jude Law machte Spaß. "Control" ist super, den habe ich letztes Jahr auf einer Preview gesehen. Da hat man nicht nur wie bei Wong Kar Wai optisch was von. Mir liegt da der Soundtrack auch mehr ;-)

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goetzeclan - Sonntag, 13. Januar 2008, 00:02
Der Control-Trailer hat mich mit meiner „Substance“-CD versöhnt. Sie wissen schon, die neben dem Johnny-hates-Jazz-Album :-)

Control scheint der erste Film seid langem zu sein, der mich in ein Kino lockt.

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kid37 - Mittwoch, 9. Januar 2008, 12:01
Edit
justina.herzog - Mittwoch, 9. Januar 2008, 09:33
My Blueberry Nights
Also abgesehen von Jude Law konnte ich dem Film nichts positives abgewinnen, vor allem weil ichso hoche Erwartungen an den Filme hatte un dalle zu nichte gamcht wurden, und das schon nach der ersten halben Stunde!
Naja so ist das Leben nun mal!

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stackenblochen - Mittwoch, 9. Januar 2008, 09:41
Ah, der Traumuhren-Kommentarspam ist auch hier angekommen.

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Kondolieren

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Frau Herzog, Sie haben da einen etwas unglücklich gewählten Link gewählt. Solche kommerziellen Seiten sind nicht so gern gesehen. Deshalb habe ich den Kommentar hier umkopiert.

Zu Jude Law habe ich kein rechtes Verhältnis. Ich war ein wenig auf Rachel Weisz gespannt, aber leider empfand ich auch ihre Rolle als Aufsagetheater, mit Dialogen, die nicht recht zu Ende geführt waren. Na ja, der Film ist nicht völlig schlecht. Ich hatte eben mehr erwartet. Antworten muß man eben selber finden.

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bateman - Mittwoch, 9. Januar 2008, 18:12
Ich mag eher die Frühwerke Wong Kar-Wais. Bizarrer, bunter, greller.

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kid37 - Mittwoch, 9. Januar 2008, 18:40
(Und weniger redselig.)

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kelly mg - Samstag, 12. Januar 2008, 20:28
komisch, ich mochte den film, obwohl ich genau weiss, wie ich ihn hätte zerreisen konnte. hängt vielleicht mehr mit den eigenen erwartung und der aktuellen stimmung zusammen als dem tatsächlichen film.

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