Mach mir eine harte Kopie

Ich stelle nur noch Kopien in dieses Internetz (Tusche, Stempel auf Papier, 2006)














Kein Ton und keine Sirene. Es wurde entdeckt, und wie alles, was man entdeckt, tauchte es plötzlich überall auf. Brot und Not, nicht alles läßt sich in Flaschen füllen. Aber über die Augen von Milla Jovovich sollte mal jemand ein paar empathische Sätze verlieren.

In echt.

Homestory | 14:14h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
the thilo - Samstag, 4. März 2006, 00:05
Dazu fällt mir ein Aphorismus ein, den ich formulierte, als ich ca. 16 war.
"Bist du eine Kopie, oder bist du echt?
Bist du du selbst, oder bist du nur recht?"
Halt zur Findungszeit. :)
Ansonsten. Wirklich schön. Nicht nur die Augen.

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bartleby - Samstag, 4. März 2006, 19:02
Seit "Der Bauch des Architekten" (Greenaway) ist der ganze Komplex von Kopie, kopieren, copy bei mir mit dem allgemeinen Rank Xeros des Lebens besetzt. Das iterative, minimal differente Weitergeben von Information über RNS & DNS, so nahe an der Kopie, dass kaum unterscheidbar … ja, was ist? Und doch!: oder gerade darum kommen wir woanders oder anderswo an … wie Steve Reich dies durch leise Nuancen einer leicht variierten Verflechtung von Rhema & Thema in seiner Musik hören lässt. Co-(ded)-pie & oh -ccu-pie-d by Jovo's ocul-eys … eben Kuchenstückchen fürs Auge … ihre Musik kenne ich nicht. Mala Mala ein morbides Kopieren, ebenfalls. Kaum bekanntes psychogenes Syndrom.

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 14:28
Der Titel "Mach mir eine harte Kopie" ist übrigens ein Zitat aus der ersten Synchronisation von Blade Runner.
(Eine spätere Version, eventuell auch nur der Director's Cut, verwendete eine korrigierte, aber nicht mehr so retro-industrial-klingende Übersetzung: "Mach mir einen Ausdruck [davon]".)

Auf eine gewisse Art ähneln sich die zentralen Themen beider genannter Filme. Der "Replikant" als Mensch-Maschine, der sich ab einer gewissen Stufe von Bewußtsein die alten philosophischen Fragen stellt: "Woher kommen wir, wohin gehen wir, wieviel Zeit bleibt uns." Nicht die Suche nach der Mater/Matritze, sondern nach dem Schöpfer/Vater treibt die Replikanten in Blade Runner voran. Während sich Harrison Ford als Replikantenjäger fragen muß, was ist "echt", was ist die "Kopie" - und was (wenn alle Erinnerungen gefälscht sein können) ist letzten Endes er selbst?

Das waren die 80er. Im digitalen Zeitalter ist die Kopie ja plötzlich genausoviel "wert" wie das Original - das es so gesehen gar nicht mehr gibt. Man muß Variationen bauen. Kleine Fehler. Das Zeitalter des Fehlers, des genetischen Sprungs.

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 14:33
(Ach ja. Neulich fragte ich mich noch, was aus Peter Greenaway geworden ist. Für einen Moment war er der wichtigste Regisseur seiner Zeit, nun scheint er in der Bedeutungslosigkeit der reinen Selbstreferentialität und Wiederholung verschwunden. Für David Lynch fürchte ich ähnliches - das liegt in erster Linie an der Masse seiner Epigonen, die nun zuhauf die Filmhochschulen verlassen. Kennen Sie
Z mit 2 Nullen von Greenaway? Dort spielt er das Thema der Verdopplung ja in vielen Variationen durch.)

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sweetmaker - Sonntag, 5. März 2006, 16:48
langsam verzweifle ich: ich lerne immer mehr junge menschen kennen, welche noch nie von "blade runner" gehört haben...
greenaway und lynch sind halt postmodern und somit geschichte. bleibt noch cronenberg. aber Z00 hat mich sehr fasziniert (ich suche gerade die unglaubliche musik dazu von michael nyman aus meinem regal)

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 17:36
Vergessen & Verdrängt
Zoo habe ich vor bestimmt 15 Jahren im Kino gesehen, das würde ich gerne wiederholen. Haben Sie auch diese schöne alte Nyman-Ausgabe mit den fünf LPs im Schuber?

Mir erzählte gestern jemand von "jungen Leuten", denen Pink Floyd kein Begriff mehr ist, Coverversionen hin oder her. Mir sagt die Musik dieser jungen Leute aber auch nichts, das gleicht sich aus.

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diagonale - Sonntag, 5. März 2006, 18:22
Ich habe von der Musik meiner (sozusagen) Schwiegereltern auch keine Ahnung. Ich bin froh, dass sie daran nicht verzweifeln.

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luise - Sonntag, 5. März 2006, 18:27
Fertigen Sie auch welche an? Kopien?

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 19:20
Von Menschen, meinen Sie? Dr. Frankenkid ist ja nicht so erfolgreich. Aber ich gebe nicht auf. Die Wege der Reproduktion sind zudem häufig unergründlich.

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luise - Sonntag, 5. März 2006, 19:22
Bei mir können Sie nichts kaputtmachen, bei mir ist so was unkaputtbar oder bereits entsorgt und auf dem Müll gelandet, falls Sie also einen neuen Versuch unternehmen wollen, bitte sehr, dann wäre ich zur Stelle, allerdings unter der Bedingung, dass ich die Kopie meiner selbst mit nach Hause nehmen darf.

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 19:45
Ich frage mich, ob man sich mit der Kopie seiner selbst wirklich so gut versteht, wie man manchmal denkt. Schön ist natürlich, daß ich morgen meine Kopie zur Arbeit schicken und mich selbst noch ein wenig bedeckt halten kann. Nur: Was ist, wenn die Kopie stattdessen mich schickt, und ich nur denke, ich schickte sie... Probleme über Probleme.

Deshalb: Alles, was ich hier reinsetze, habe ich nochmal als Original zu Hause. Ich bin ganz schön schlau.

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 19:46
Ach so: Ich müßte Ihrer Kopie natürlich so einen Stempel auf den Steiß drücken, damit nichts durcheinanderkommt. Dafür habe ich den ja.

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luise - Sonntag, 5. März 2006, 20:16
Lieber Herr Kid, ich möchte meine Kopie zu Studienzwecken mitnehmen, sie diversen, auch extremen Situationen aussetzen und schauen wie sie reagiert, an welcher Stelle sie Kloppe kriegt (sie, hehehehe, nicht ich) und wo sie zu flennen anfängt und wo sie hoffnungslos überfordert ist. Studien- und Lernzwecke. Oder so.

Jepp, klar, Stempel ist und war klar. Ich würde aber ein Tattoo vorschlagen, Stempel ist nach dem dritten Duschen - oder was auch immer - futsch.

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kid37 - Sonntag, 5. März 2006, 23:18
Die steißtätowierten Kopien werden mit den sonnenwarmen Tagen wieder vermehrt in den Städten zu sichten sein.

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bandini - Montag, 6. März 2006, 19:23
Habe heute in der Faz zufälligerweise gelesen, dass die Arschgeweihe problematisch sind bei Rückenmarksanästhesien. Da wird nämlich der Farbmist ins innere bei transportiert, wabert dann dort herum und gibt im Extremfall Tumore. Fand ich schon ... bemerkenswert.

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the thilo - Montag, 6. März 2006, 21:36
In dem Zusammenhang finde ich noch interessant, wie sehr sich die Form von Arschgeweih und Gebärmutter ähnelt.
Oder sind das so OP-Vorbereitungen?

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kid37 - Montag, 6. März 2006, 22:21
Sehr aufmerksam beobachtet, Herr Thilo. Da hätte ich eigentlich selbst drauf kommen können. Möglicherweise ein Äquivalent zur sogenannten "Pimmelprotzerei" und ausgestopften Unterhose. Das Wort "Geweih" führt ja schon in diese Richtung. "Sieh auf meine Eierstöcke, während du..." Schön, schön.

Was kommt als nächstes? Auftätowierte Brüste auf den Schulterblättern?

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yetused - Donnerstag, 9. März 2006, 02:52
Ich muss gestehen, dass ich Blade Runner auch nicht kenne. Dachte bis jetzt, dass sei ein Trash-Slash-Film mit Vampiren.

Aber Milla in ihrer Paraderolle. Die kenn ich.

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kid37 - Donnerstag, 9. März 2006, 13:09
Blade Runner hat ein ganzes Genre begründet und das post-apokalyptische Gelände der "Dark Future" für die große Leinwand geöffnet. So wie Alien (ebenfalls von Ridley Scott) zeigte, wie Raumschiffe auch aussehen könnten: dreckig, verrostet, klaustrophobisch. Ein totaler Gegensatz zur utopischen Enterprise also. Falls Sie die "normale" Fassung erwischen - wundern Sie sich nicht über das angeklebte Happy end. Das Studio wollte das so. Rutger Hauer und Daryl Hannah sahen übrigens nie besser aus.

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lady grey - Donnerstag, 9. März 2006, 22:39
beachtlich
mindestens drei meiner lieblingsfilme und drei meiner lieblingsregisseure werden in diesem thread genannt.
hach ja, blade runner ... ich wollte mich danach gern so schminken wie daryl hannah: augen zu und einmal kräftig mit der schwarzen sprühdose drübergehen.

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el_loco - Freitag, 10. März 2006, 03:17
Die Reste einer hochentwickelten Zivilisation
Eines Tages werden die Bibliothekare und Buchhalter dieser Welt wieder mit Registraturen und Kontenblätter arbeiten, während die andere Hälfte der Menschheit Bänder umkopiert und Dateiformate konvertiert. Vielleicht haben die schlaueren Vorfahren Microfiche hinterlassen, welche sich mit Lupe und Kerzenlicht lesen lassen? Ein Herr Genzfleisch hatte jedem Mensch im Internetz eine Druckerpresse ins Haus gestellt, dazu noch einen Super-Verleger, der sofort an jedem Punkt der Welt augenblicklich jedes Buch erhältlich machen konnte. Der Fluß wurde nicht immer tiefer, aber breiter. Die Menge sicherungsbedürftiger Daten explodierte. Sollte meine persönliche Datenmenge in den mir (hoffentlich) verbleibenden 30 Jahren auch dem 2. Gesetz von Moore folgen, benötige ich für den letzten Weg 235 TB Sicherungsmedien in meinem Erdmöbel. Kommende Generationen von Archäologen werden merkwürdige Plastikscheiben und Bändchen in der Erde finden und vielleicht, ähnlich wie wir es heute von den Kelten annehmen, glauben, diese Zivilisation hätte nichts schriftliches hinterlassen. Jede babylonische Keilschrift hat weniger Probleme mit dem Data Lifecycle Management.

Letzten Monat scheint die Domain von "Uwe aka medvedj" http://blog.environ.de bei der denic abgelaufen zu sein. Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt war oder ob medvech nicht in der Lage war sie zu verlängern, jedenfalls las ich seine Kommentare bei dotcomtod schon gerne und später verfolgte ich seine "Notizen vom Abgrund" regelmäßig. Was bleibt ist ein Nachruf auf ein sehr engagiertes, analytisches Blog, welches jetzt ebenfalls im Nirwana der Daten gelandet ist (?).

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kid37 - Dienstag, 14. März 2006, 02:23
Das digitale Erinnern wird in der Tat ein sehr dunkles sein. Man sagt, zur Zeit Goethes wäre es fast noch möglich gewesen, alles gelesen zu haben. Nun ist der Ausstoß gigantisch - und die Verlustrate befremdlich. Ich habe neulich meine letzten 5 1/4 Zoll-Floppys ausgemustert - mangels Lesegerät.

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