What Time is Love?



Greta Thunberg hat, wie in dem kleinen Tourvideo oben zu sehen ist, mittlerweile Amerika mit dem Segelboot erreicht. Glückwunsch - und echt tapfer! Ich vermute, eine Menge dieser vornehmlich männlichen Kritiker, die meisten deutlich doppelt und dreifach so alt wie die 16-jährige Klimaaktivistin, hätten die Überfahrt kotzend an der Reeling verbracht. Vorsichtshalber begleiteten sie die Fahrt aber nur auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wo sie Häme und messerscharfe Analysen auskübelten wie die, das der Teenager sich für die Reise die Hilfe von Profiskippern gesichert habe. Das von Leuten, denen ich unterstelle, daß sie nicht mal mit einer gutmütigen Anfängerjolle über die Alster kämen. "Millionenteuer" sei die Yacht zudem gewesen, so als hätte sie die gekauft oder als sei dies überhaupt eine Aussage. Der Airbus, mit dem ich letztes Jahr nach New York flog, nur um für mich selbst zu demonstrieren, hat nach Liste an die 450 Millionen Euro gekostet. Mal zum Vergleich.

Aber da mischen sich eben die Fixierung auf Geld, Dollars, Knete & Moneten zum Neid auf eine junge Schülerin, die in jungen Jahren schon mehr für ihre Ideale erreicht und Aufmerksamkeit erregt hat als diese seibernden Herrschaften alle zusammen. Greta Thunberg ist der größte Mittelfinger der Welt - und schon allein dafür liebe ich sie.



Zum Wochenende dann aber Kulturprogramm. Ein Hinweis erreichte mich aus Kiel. Dort beginnt am 21.9. die (aus Frankfurt übernommene) Ausstellung "Von Angesicht zu Angesicht" mit Werken von Lotte Laserstein. Vielleicht mal was für einen Tagesausflug. Das tolle Fotomagazin Die Nacht ist ja bekanntlich mit der Nummer 20 zum letzten Mal in dieser Form erschienen, eine Nummer 21 wird aber gerade als Themenheft ("Mexiko") produziert. Durch Patti Smith wiederum wurde ich auf die Ausgabe von Marcel Schwobs The Book of Monelle aufmerksam, die von mir unbemerkt bereits 2012 erschien (ich weiß gar nicht, ob es eine erhältliche deutsche Ausgabe gibt). Gute Rüstung also für ein Bad im Mondlicht. Morgen sind noch mal Temperaturen von über 31 Grad prognostiziert, danach ist Leben vielleicht wieder möglich.



In Deutschland als besserer "Pferdeflüsterer" vermarktet, war das großartig fotografierte Drama The Rider einer der Knaller 2018. Es war zudem der erste Film, den ich nach langer, langer Absenz im Kino sah. In New York übrigens und quasi unter Zwang, aber ich empfehle den ausdrücklich auch Leuten fürs Heimkino, die nichts mit Pferden anfangen können, dafür aber mit Lebensfügungen und schwierigen Schicksalen. Da ich zuletzt wieder schwierig, schwierig mit Berlin, patzigen Antworten von dort Beschäftigten und stornierten Reisen dorthin zu tun hatte, suche ich Trost bei Yvan Goll. Er beschreibt die psychosexuelldramatische Lage schon 1929 in seinem Roman Sodom Berlin, die ZEIT berichtete sichtlich amüsiert knapp 60 Jahre später darüber.

Homestory | 21:34h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
der imperialist - Freitag, 30. August 2019, 23:30
Ich war gut zwei Jahre für die UNO in vorderster Front tätig um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. natürlich nicht aus Überzeugung ich bin oldschool.Wir konnten nicht mal einen irakischen jungen in unserer Sandsack-Stellung weiterhelfen. Da gabs auch noch kein Twitter und all das Zeug. aus dieser Perspektive betrachtet ist das was die Greta macht extremst important und eine ganz wunderbare, wenn nicht sogar wundersame Sache. Oder auch nicht. Was weiß man. Was ich noch immer nicht weiß. haben die jüngeren heute mit Diagnose einen an der Klatsche oder nur wir alten Säcke. Eventuell ist das auch eine soziale Frage.

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kid37 - Samstag, 31. August 2019, 02:28
Ich sehe das vor allem als Hoffnungsschmmer, daß wir hier keine apathische Jugend haben, sondern eine engagierte, vieleicht auch über-beseelte, auf jeden Fall aber bereit, älteren Säcken (also auch mir) ans Bein zu pissen und um die Gestaltung ihrer Zukunft zu ringen. Da hatte ich die Smartphoneslackerapathiker zuvor ja bereits aufgegeben. Es ist das Recht, vor allem aber die Pflicht der Jugend, uns zu beunruhigen. Wo es Präsidenten gibt, die sich über alle Verträge und Konventionen hinwegsetzen, dürfen junge Leute nicht nachstehen. Diese ganze Erbsenzählerei hingegen, wer da wen sponsert oder wer wieviel Methan gepupst hat, geht mir auf den Sack. Selbstgerechte alte Männer (und Frauen). Sie können das besser beurteilen, aber (metaphorische) Sandsackstellungen bringen einen doch bestimmt nicht voran.

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fidibus - Samstag, 31. August 2019, 02:46
Es ist einwandfrei, wenn man etwas unschlüssig nach Freitagabendunterhaltung sucht - und zeitlich passend Ihre Empfehlungen präsentiert bekommt. 'The Rider' mag ich jedenfalls schon mal. Danke.

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kid37 - Samstag, 31. August 2019, 03:09
Gern. Es ist ein etwas wild-willkürlicher Mix, ich sortiere aber gerade viel rum und aus. Platz ist immer so endlich.

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frau klugscheisser - Dienstag, 3. September 2019, 02:33
****Gerne Gelesen****

(im zweiten Teil über's Buch hatte mich der Autor mit der Künstlerwitwe von Alma Mahlerscherm Format)

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