Freitag, 31. Dezember 2021


Fight Cowrona!



(Terror aus dem Weltenraume - demnächst 1954 im Kino!)

In meiner Reise rückwärts durch die Zeit bin ich nun im Jahre 1954 angekommen und eine Art Ed Wood (letzter Autorenfilmer) in einer Art Jack-Arnold-Studio (Tarantula) geworden. Was dem einen Plan 9 from outer Space ist mir Terror aus dem Weltenraume, ein epochales Sci-Fi-Werk mit ungewöhnlichem Twist. In meinem Film kommen nämlich Aliens auf die Erde, um eine gefährliche Krankheit zu bekämpfen: Cowrona, eine durch Rinder übertragene Virusinfektion, gegen die die Menschheit kein Mittel gefunden hat. Extraterrestrische Wissenschaftler aber können mit ihren Labor-UFOs die befallenen Kühe aufspüren und unschädlich machen. (Sie werden auf einem kleinen Exoplaneten ausgesetzt und können dort friedlich grasen.)

Werke wie dieser Film sollen Frieden und Freundlichkeit in die Welt bringen. Davon erhoffe ich mir für 2022 ganz viel. Schluß mit Krankheit, Einbruch, Plünderungen, Zerstörung, Seuchen, Arbeitslosigkeit und andere Niederlagen des Lebens. 2022 soll das Geschichte sein, denn - bringt nichts. Ist nicht schön. Braucht kein Mensch.


 


Samstag, 25. Dezember 2021


Keine Tränen unterm Weihnachtsbaum



Der erste Weihnachtstag ist immer der schönste, wenn auch atmosphärisch "kühler" als Heiligabend. Diesem Tag liegt aber inne, das "Gröbste geschafft" zu haben: Staubsaugen, Baum schmücken, Essen totkochen, letzte Geschenke besorgen, einpacken oder es gleich ganz sein lassen, klingelnde Nachbarn, Telefonate quer durch die Weltgeschichte, Flötenkonzert, Bescherung mit emotionaler Aufwallung oder gleich gar keiner... Wie schön also der erste Weihnachtstag. Man trägt die neuen Pantoffeln, die Krawatte um den Kopf oder gleich gar nichts, schaut die Peanuts aus nostalgischen Gründen, spielt mit der Modelleisenbahn oder anderen Geschenken, doziert über Weihnachten früher?, sucht diese eine zerkratzte Schallplatte, die unbedingt jetzt und nur heute abgespielt werden muß - und das war's auch schon. Man macht vielleicht einen Spaziergang um den zugefrorenen Ententeich (müßte sich dazu aber umziehen, muß also nicht), bringt Altpapier zum Müll oder all die schlechten Gedanken, aber sonst - nichts.

Ich kann jetzt zufrieden mein kleines Impfpflaster streicheln, das vielleicht nicht schönste, aber beste Weihnachtsgeschenk, das allerdings durch unvorhergesehenes langes Schlangestehen auch schwer erarbeitet war. Aber manches geht ja, wenn man es einfach nur tut. Sonst kann man es gleich ganz sein lassen.

Frohe Weihnachten.


 


Dienstag, 21. Dezember 2021


Merz/Bow #70



Der US-Autor T.C. Boyle führt auf Twitter einen absichtslosen Strang mit absichtslosen Fotos, Malereien und Bilder und Bemerkungen insbesondere über Eier. Da ich nur schwer einen Witz auslassen kann, kam es zu einem kleinen Match in der Kategorie Games with Names, bei dem es nach der ersten Runde 1:1 steht. Sehr nett.

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Am Morgen darauf erwachte ich aus intensiven Träumen, in denen ich an meinen neuen Freund T.C. dachte. "T.C.", sagte ich mit einer an Hardy Krüger erinnernden rauen Stimme, "T.C., wir sollten mal ein Bier zusammen trinken". Vielleicht könnten wir dabei auch in Schwarzweiß auf ein nebelverhangenes Flugfeld starren. Jedenfalls sollte der Beginn einer ganz wunderbaren Freundschaft auch standesgemäß begossen werden.

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Auf Social Media ist es übrigens leichter, mit international bekannten Menschen in Kontakt zu treten als mit deutschen Sozialkanalbetreuern ab einer gewissen Followerzahl. Hier ist die Chance auf eine Reaktion sehr gering, während (vorbildlich) Patti Smith, Gillian Anderson, Viv Albertine, Kim Gordon, aber auch Caroline Peters zum Beispiel (um mal in meinem Social-Media-Autogrammbuch zu blättern) einfach unkompliziert freundlich sind bzw. wissen, wie man Fans und Publikum bespielt. Es liegt wahrscheinlich schlicht daran, daß die zunächst mal einer anderen Profession nachgehen und nicht als bloße Meinungs- und Kommentierberühmtheiten auf ihren Internetstatus achten müssen.

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Bin vom Hamburger Boosterspiel überfordert, das liegt aber deutlich auch an mir und nicht nur daran, daß etwa mein Drucker ausgefallen ist und keine geforderten Einwilligungserklärungen ausliefert oder an starren "Sechs Monate, sonst heim!"-Grenzen oder Warteschlangen ins Ungewisse. Aber von allem eine Messerspitze, das macht schon was aus. Mental Overload, auch ein schöner Bandname. Ich bunker mich einfach ein.

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Interessanter als solche Banalbetrachtungen sind übrigens Projekte wie The Alternative Limb Project. Funktional bis Spielerisch werden hier Prothesen aufgebohrt, umgedreht, verschnörkelt oder in neue Sinnzusamenhänge verwoben. Das ist immer überraschend, oft verblüffend, manchmal auch provokant. Schönes Freispiel für enge Reha-Räume.

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So oder so, am Ende gilt: "You're the only one who matters".

MerzBow | von kid37 um 19:05h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 11. Dezember 2021


Illust



In meinem Beruf als Wissenschaftsillustrator muß ich häufig bei Laborexperimenten dabei sein, um Prozesse und Stadien live ("Live und in Farbe", sagt man) festzuhalten, damit sie nicht für die Nachwelt vergessen sind. Das ist nicht ganz ungefährlich, vor allem bei Experimenten, deren Ausgang ungewiß ist.



So wie bei diesem mit einem geheimen Edelgas gefüllten Glaskolben, der durch Hochspannung (Kids, don't try this at home!) in ebenso hochfrequente Schwingung versetzt wird und eine (hier noch viel geheimere) Trägersubstanz transformiert. Die dahinterliegende chemische Formel muß ich nicht verstehen, ich bin nur der Maler, der mit unbestechlichem Auge akribisch die Wunder der Reaktion in allen Details festhält, damit sie später exakt studiert werden können. Leider kann ich als Illustrator nicht die Geräusche festhalten, das Summen und Brummen der Transformatoren, das Blubbern in den Inkubatoren, der schwere Atem der fleißigen Experimentatoren.

Ähnlich betriebsam war die Woche, ein Brizzeln und Bruzzeln, wie man in Entenhausen sagt, am Mittwoch wurde ich ein bißchen gegrillt und schon Donnerstag bereits fielen mir sozusagen postkonversational die richtigen Antworten ein. Weshalb es grundsätzlich praktisch ist, sein Leben rückwärts zu leben! Da hat man die Antworten schon, ehe überhaupt die Frage gestellt wurde. Nächste Woche noch mal Stube kehren, Vorräte aufstocken und dann bis Jahresende in meinem von blubbernden Glaskolben umgringten Bett liegen bleiben und auf einen Booster-Termin warten.


 


Montag, 6. Dezember 2021


Traumhäuser

In meinem galanten Maklerroman Liegenschaften der Liebe schreibe ich über ein Künstlerpaar, das einige Jahre gemeinsam durchs Leben schreitet zusammen die Kalenderblätter zählt Bett und Miete teilt eine Bedarfsgemeinschaft bildet, sich dann vom Herzen her aber ein wenig entmietet (zuviele Leute, die durch die Fenster schauen und Kommentare abgeben). Ein schönes, romantisches Stück.

Heute, an einem typischen Nikolaustag (nix im Stiefel, nix im Topf), erwachte ich aber aus intensiven Träumen, in denen ich an eine Bekannte dachte, mit der ich früher mal einen Roman teilte, ehe dann die Zeitenläufte unsere kleinen Schiffe in unterschiedliche Richtungen wehten (zuviele Leute, die durch die Bullaugen schauten und Kommentare abgaben, zu wenige Planken, über die man die alle hätte laufen lassen können).

Alles geht zu Ende, das Jahr nun endlich auch. Ich weiß nicht, als was das in Erinnerung bleiben will oder ob ich jemals "intensive Träume" dazu haben werde. Man träumt nicht von griesgrämigen Jahren. Man sagt, komm, geh' weg, du stinkst. Man sagt, I'm coming around, raus aus dem Stillklebestand und "mal sehen, was 2022 bringt". Zur Abwechslung mal wieder vorwärts gehen, nicht den Kopf seitwärts halten, Brackwasser aus verstopften Ohren laufen lassen oder um totgelaufene, abgeschrappte Punkte tänzeln wie Raucher im gelben Käsekästchen am Regionalbahnsteig.

Hab' eine Einladung in eine große Stadt in den USA erhalten, Perspektivwechsel, jemand, der mir auf den Kopf haut, aber liebevoll, Namen hin- und herwerfen und Ideen, Mißverständnisse auftürmen wie Wolkenkratzer oder auch Einsichten, ein bißchen Touriprogramm. Dort dann gleich den internationalen Markt erobern, denn die Rentenauskunft, die ich zwischenzeitlich erhielt, legt mir das als Empfehlung nahe. Ich write dann nur noch auf English, male amerikanisch und fliege auf Kosten des ZDF nach Hause zur großen Weihnachtsshow.

Nachdem ich all dies durchgedacht hatte, war es schon Zeit aufzustehen. Frühstück machen, Kaffee trinken, Nachrichten lesen. I'm coming around.


 


Mittwoch, 1. Dezember 2021


Kanadischer Herbst


Peter Ferguson: "The Engineer Jules Bernhardt"

Vielleicht grob angesiedelt zwischen Eugen Egner und einem bekifften (wird bald legal) Neo Rauch [sic!], malt der Kanadier Peter Ferguson (*1956) verschrobene Szenarien, die wirken, als seien irgendwelche flämischen Maler von den dieselbetriebenen (wird bald verboten) 40er-Jahren geimpft worden. Es sind vielfach Industrie- und Arbeiterszenen, Männer und Frauen in derber Kluft an merkwürdigen Maschinen in einer von Grau- und Ockertönen gefärbten Welt. Eine Art ewiger kanadischer Herbst. In einer Zeichnung [Instagram] hat er, die Verwandtschaft liegt nahe, David Lynchs berühmte "Kaffeekannen"-Maschine aus der dritten Staffel Twin Peaks verewigt (neben dem ebenfalls aus dem frühen Lynch-Universum berühmten "Radiator").

Mich rührt das oben abgebildete Gemälde "The Engineer Jules Bernhardt", weil es quasi mich zeigt (Ringelhemd), wie ich im nächsten Jahr in meiner penibel aufgeräumten Atelierwerkstatt komplizierte Apparaturen entwickeln werde. Aber lässig. Tatsächlich - und das ist vielleicht noch eine andere Geschichte, die mich nicht unerwartet in die Nähe des erfinderischen Detective Murdoch aus Toronto rückt - habe ich in den letzten Wochen einem, die Verwandtschaft liegt manchmal auch in der Ferne, in Kanada verschollenen Zweig der Familie nachgespürt, diesen auch gefunden und eine allerdings lose Konversation mit Britisch-Kolumbien aufgebaut. Das nur als Teaser.

Sollte ich eine Hühnerfarm erben, könnte ich mir ein Bild von Ferguson leisten. Das obige etwa oder dieses, das mich als Jungen mit meinem zahmen Vogel zeigt.

>>> Website von Peter Ferguson mit Galerie


 


Mittwoch, 24. November 2021


Merz/Bow #69



Von dem Drucke: In meiner kargen freien Zeit bin ich derzeit damit beschäftigt, aus Altteilen vom Straßenrand eine Maschine zu bauen, mit der ich Impfverweigerern Druck machen möchte. Dazu steckt man einen solchen Pandemiedully in den rostigen, aber sonst intakten Hartschalenzylinder, dreht an der Kurbel und beobachtet den Druckanstieg auf dem kleinen Manometer. Springt der über fünf, wird auch der härteste Wissenschaftsleugner weichgekocht - dann heißt es, Arme frei zum Gebet und Glück auf, die Spritze kommt.

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Muß jetzt mal Schluß sein mit diesem endlosen Lavieren auf meine Kosten. Bin vulnerabel und nicht verhandlungsbereit. AND THAT'S OFFICIAL!

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Verfolge seit Jahren die Arbeiten der in Großbritannien lebenden Künstlerin Julia Soboleva (Instagram), von der ich auch zwei fantastische Drucke besitze. Jetzt hat sie gemeinsam mit dem kleinen französischen Verlag Joie Panique ein noch kleineres Buch herausgegeben, das sehr hübsch geworden ist.

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Wie schnell doch die französische Post Bücher liefert. Und wie günstig. Man zuckt da schon wehmütig zusammen, wenn man die Entwicklung der Portokosten für den kleinen Kunst- und Warenverkehr in den letzten zwei, drei Jahren betrachtet.

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Übrigens ist das Buch auf hundert Exemplare limitiert. Ich habe die Nr. 32 erwischt. Wieviel Pech kann man haben?

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TWASBO sucht Störschreiber.

MerzBow | von kid37 um 17:43h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link