Mittwoch, 26. Februar 2020


Wave of Mutilation



Hinter meinem Rücken, so vernahm ich, wurde wieder gelacht. "Wie will der denn seine Strahlenkanone betreiben, wenn die ja mal fertig sein sollte?" hieß es. Und: "Der kann ja nicht mal seine normalen Stromrechnung bezahlen." Nun ist daran viel Quatsch, aber auch nicht alles. Gleich meinem berühmten Vorbild Nicola Tesla, der einen ähnlich kecken Schnurrbart trug wie ich, habe ich nicht nur ein Übermaß genialer Ideen, sondern leide auch an chronischer Unterfinanzierung meiner gewagten Projekte.

Dennoch weiß ich nun, wie ich genügend hochfrequente Energie bereitstellen kann, um meine Strahlenkanone (hier noch mal das Modell) zu laden. Mein neuester Prototyp, eine selbstkonstruierte Vakuum-Elektronenröhre mit der Modellbezeichnung EL 4237 wird genügend Leistung bringen, die ich über einen - noch zu konstruierenden - Transformator mit freischwingenden Kupferspulen im Bereich von 21 MHz (das ist noch relativ niederfrequent für diese Art Anwendung, wie jedermann sofort bemerken wird) über die Kanone abfeuern kann. Und zwar fokussiert!

Noch funktioniert diese Technik konstruktionsbedingt nur über lange Kabel und ist noch nicht für den mobilen Einsatz gedacht. Denkbar ist aber eine tragbare Einheit mit einer auf den Rücken geschnallten Batterie und der Röhre als Helmaufsatz.

Sollte also hier in Hamburg abends mal das Licht der Straßenlatern stärker flackern als gewöhnlich oder der Empfang von Netflix auf Kurzwelle gestört sein, dann kann es sein, daß gerade meine Röhre aufheizt und erste Impulse abstrahlt. Bitte nicht in Panik geraten und an die gehamsterten Vorräte gehen. Das ist nur ein Test! Der ist aber gut für die Zukunft.

Die wird strahlend, wenn ich erst diesen Siegelring habe, den es in den 50er-Jahren von einem Cerealienhersteller gab. Bei Messy Nessy kann man das nachlesen (Punkt 8): "When the red base (which served as a “secret message compartment”) was taken off, and after a suitable period of time for dark adaptation, you could look through a small plastic lens at scintillations caused by polonium alpha particles striking a zinc sulfide screen." Wie immer, wenn es um Atomkraft geht, ist alles ungefährlich, und so denke ich, taugt der sicher als hübscher Hingucker und Gesprächsstarter auf gedimmt beleuchteten Partys, wo ich dann schüchtern fragen kann: "Willst du mal meinen Ring gucken?" - und dann steckt man die Köpfe zusammen und schaut durch die verkratzte Plastikscheibe auf das Blitzen des Poloniums. Aber nur heimlich.


 


Samstag, 22. Februar 2020


Absturzmelodien


Strahlenkanone, 1:1-Modell

"Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet." Sagte Joseph Beuys, von dem man aber auch schon lange nichts mehr gehört hat. Wer aber sagt, daß Kunst immer beredt sein muß? Allzu oft wird dabei nur ein Name in den Schnee gepinkelt, wichtigtuerisch und mit dem Finger als einziges nach oben womöglich. Ich hingegen habe ich mich - gleichwohl kunstbeflissen - auf einer kleinen Abwärtsspirale absturzergeben ins Meditative zurückgezogen.

Wie weit reicht meine Erinnerung zurück? Da war jedenfalls der Abend mit Meredith Monk, zu dem ich mich zu einem Besuch der Elbphilharmonie überwand, vorfreudig kämmte, Minzwasser auftrug und es - immerhin muß man sagen - bis vor die Aufzüge im von mir schwer kritisierten, aber nicht verhinderten Gebäude schaffte. Weiter aber, da mögt ihr jetzt lachen, kam ich nicht, weil wie ein göttlicher Fingerzeig Unpäßlichkeit mich umfing. Was wieder zeigt, was passiert, wenn man inkonsequent ist. Wirklich frustriert atmete ich flach und flach sitzend auf so einem unterkühlenden Zierfindling vor dem Gebäude. Allein, der Abend war gegen mich entschieden, der Rest nicht protokollierbar. Hilfreich der Verweis gütiger Stimmen, die Dame (grad mal 77 geworden) käme so ungefähr "alle 12 bis 14 Jahre nach Hamburg". Ich bin sicher, sie schafft es. Ich selbst will mich da noch nicht festlegen. Weniger hilfreich die verschiedentlich im Nachhinein geäußerten Bekundungen, der Abend sei "sehr schön" gewesen. Wie kampferölige Salbe rieb sich das ein, und zwar ins tränende Auge.


When the music is over

Nächster Einsatz dann zur bildenden Kunst. Rundgang in der Hochschule für bildende Künste, Hamburg. Auf dem Weg dorthin (mittlerweile kuriert und guter Dinge) aber stürzte ich über seit Wochen aufgeplatzt daliegendes Pflaster und brach mir nur durch extrem meditative Körperspannung beim Aufprall die Hände nicht. (Vielleicht aber doch, die Schmerzen habe ich noch immer.) Seither sieht man mich mit erhobenen und arnikagesalbten Händen getreu der P.E.C.H.-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochhalten) vor meinem Hausaltar. So ruht dann auch mein eigentliches Projekt. Denn ich will ja das Forschungslabor wechseln und als Astrophysiker weiterwirken. Meine kleine Bewerbungsarbeit, die Konstruktion einer Strahlenkanone, für den Fall, daß ich auf Aliens stoßen sollte, aber blieb verletzungsbedingt bei einem Konstruktionsmodell (Maßstab 1:1, Abb. 1) stehen. Ist aber exakt durchgerechnet und muß nur noch in 3D ausgedruckt und mit ein paar Elektrokabel und einem Trafo verbunden werden.


Don't be so picky!

Zum Kunstkontrolbesuch ging es aber trotzdem, Wohlwollen und Stirnrunzeln gleichmäßig verteilend, von gütigen Handbewegungen aber absehend. Das vielfluchtige Treppen- und Gängelabyrinth ist seit langem eine Herausforderung für Kondition und Orientierung, aber seit ich mich im Leben treibe lasse, komme ich irgendwie immer ans Ziel. Es ist wie das viel zitierte Motto toter Vögel: So starr kann man gar nicht sein, als daß es nicht noch irgendwas zu picken gäbe.


Sonic Youth

In der Abteilung Jutta Koether zeigten junge Leute zudem, daß die Energie weiterhin elektrisch ist. Geladen und expressiv. Make some noise. Ich lud meinen verzerrten Körper über die Stahlsaiten auf und startete zu einem kritischen Rundgang. Kaffee & Kuchen in der Mensa sehr gut, Kunst teils, teils. Ich sage dort ja gerne ermunternd "Hm" oder auch "Aha!". Immer wieder gern gehört auch "Das räumen Sie aber noch auf, junger Mann?!" oder ein ermunterndes "Das malen Sie aber noch zu Ende?!". Was bei Atelierbesuchen immer geht, ist: "Mit Scheuermilch und etwas Muskelschmalz geht das ruckzuck weg!".




Beckengymnastik I-III, Stahl, Keramik, Dispersionsfarbe, Zigaretten, Glas

Fast immer insprierend, und auch wenn die immer wiederkehrenden, durchs Curriculum geformten Sujets nicht mehr so oft überraschen, ist doch Jahr für Jahr erstaunlich viel Qualität zu finden. Auch wenn mir dieses Jahr niemand so ins Auge fiel, wie vor zehn Jahren Monika Michalko, die nun in der Ausstellung jetzt! in den Deichtorhallen vertreten ist.


Pimmelmalerei alte, weiße Männer

Zwar angeschlagen, aber zäh verbissen geschafft. Am Ende aber pinkelte spuckte man mir doch in die Suppe. Kurz vor der Wahl nämlich eilten offenbar im Morgengrauen Arbeiter herbei und besserten das Stolperpflaster aus - just bevor ich den Tatort fotografieren konnte, um die Stadt nach kanonischem Recht auf 47 Millionen Euro (die sogenannte "Warburgsumme") Schmerzensgeld zu verklagen. P.E.C.H.


 


Mittwoch, 8. Januar 2020


Die Tränkung


Die Kardinälin, 2020. Acryl, Rost auf Papier
und Schellack. 1000,- Mark.


Als Wuppertaler ist man ja Tränkung und Durchtränkung gewöhnt. Tage-, wenn nicht wochenlang, eingenieselt von mittelfeinem Landregen (Landregen in der Stadt!) spürt man erst noch den nixennassen Griff von hinten in den Kragen, bald gar nichts mehr, außer dem Gefühl einer klammen Pferdecke, die jemand fest um einen gewickelt hat. Dazu das schmatzende Geräusch schiefgelaufener Sohlen auf dem steigungsschrägen Asphalt. Laune entsprechend. Nun ist in meinem Bekanntenkreis die Frage, ob Kindheitserlebnisse prägender Natur sind, umstritten. Die besonnt Aufgewachsenen sagen nein, andere anders. Mich hat es zu einem neuen Werkzyklus inspiriert, bei dem ich an feinste flämische Malerei erinnernde Bilder in Schellack getränkt habe, um sie unempfindlich gegenüber Stadt-, Land- und Flußregen zu machen.


Die letzte Sonne, 2020. Acryl auf Papier und Schellack. 1000,- Mark.

Die Ergebnisse sind berückend (die Scans geben den Reichtum an Details und Farbe nur unzureichend wieder) und Ausdruck einer condition humaine zwischen ständiger Dekonstruktion und Niederschlag, in der weder das Verfinstern der Sonne noch goldener Glaube Hoffnung und Zuflucht bieten. Traurig eigentlich, aber so ist die Kunst. Mehr kann ich nicht erklären, sonst hätten die bei der Monopol ja nichts mehr zu schreiben über mich.

Pastoser Trübsinn im Atelier, während ich Ecken zurechtschmirgle und meine Zukunft grundiere. In der von Lösungsmitteln weichgedämpften Birne wandelte ich mich bereits vom Saulus zum Paulus und vom Kritiker des Projekts Elbphilharmonie zum Kartenkäufer. Aber nur wegen Meredith Monk, die im Februar vortragen wird. Vielleicht kann ich mit einem meiner Apparate eine Schellackaufnahme davon machen. Wasserfest.


 


Donnerstag, 2. Januar 2020


Bombette!

Als Semiotiker verbringe ich meine Neujahrsspaziergänge durchs Viertel ja mit Zeichenexegese. Dieses Jahr allerdings schlich ein zwielichtiger Mann mit so einer Pfandflaschengreifzange umher und beeilte sich, offenbar im Auftrag einer zwielichtigen Organisation, die kodiert ausgelegten Schrapnelle der Nacht (so der Titel meines Debütromans), die Spurenlage also, zu vernichten und die Beweismittel um Mülltonnen und Verteilerkästen aufzusortieren. Zwielichtig nenne ich das, und als er mich entdeckte, eilte er schnell in ein angrenzendes Neubauhauslabyrinth zurück. 2020 aber werde ich ganz neue bedeutsame Nachrichten lesen.



Dabei hätte es Hinweise, und das wird nun sehr viele interessieren, auf ein von alten Quellen so benanntes böllerozentrisches System gegeben, bei dem sich Erde, Mond und eine enthemmte Bevölkerung konzentrisch um eine Batterie von Knallkörpern drehen. Ich habe derzeit ein bißchen Zeit und werde dem in weiteren Studien nachgehen. 2020 aber werde ich ganz neue bedeutsame Systeme entdecken.



Meine Trash-Tanzkapelle für die soll "El Kid & The 37 Bombettes" heißen, mit der ich auf wilden Silvesterpartys in den Untergeschossen alter Abbruchhäuser sleazy Rock'n'Roll-Klassiker auf Spanisch vortragen werde (kann kein Spanisch). Alle angesagt mit dem Bombenspruch "One, two, three, four, seven!" (Hier ein leicht erkennbares Beispiel. Ich bin ganz links.) 2020 aber werde ich ganz neue bedeutsame Musik, Filme, Bücher und Kunst entdecken.



Derweil brodeln über den Globus verteilt neu entdeckte Vulkane und stoßen heiße Funken aus. Ich habe da kein gutes Gefühl, zumal ein über die Jahre auf dem Syfy-Channel ausgestrahlter dokumentarischer Film über einen Ex-Navy-SEAL und eine knapp bekleidete Vulkanologin ganz ähnliches berichtete. 2020 aber werde ich in meinem geheimen Geheimlabor eine bedeutsame Weltformel entdecken, die uns allen Frieden, mildes Klima und gute Schokolade bescheren wird.

So weit die Vorsätze. Ich will nicht klein anfangen, denn ich brauche ein Haus in den Hamptons für meinen inneren Weltfrieden oder wenigstens einen Gnadenhof für Bienen in Mecklenburg, die dort tanzen und schwarzen Honig für Gothics produzieren sollen.


 


Dienstag, 31. Dezember 2019


Auf nach 2020!



Über die Weihnachtstage habe ich zwei Versionen von "In 80 Tagen um die Welt gesehen", einmal eine TV-Variante mit Pierce Brosnan und dann natürlich die "klassische" mit David Niven. Beide sind nicht wirklich gut gealtert, eine machte aus dem Ballon ein Luftschiff, dazu allerhand Langatmigkeiten und Stereotypen - und am Ende dachte ich, es ist wie so oft im Leben: Am besten, man macht es selbst.

2019 sägte man gleich den ganzen Baum ab, auf dem ich saß, bedachte aber nicht, daß ich mein Seil doch lieber selber kappe. So blieb ich vor dem Fall zu Boden einfach in der Luft hängen. Ab und an reitet ein Bote heran mit Schreiben höherer Wesen, um mich zum Runterkommen zu bewegen. Das letzte erreichte mich sogar noch knapp am 30.12. Aber ich halte aus, ich habe Vorräte, und so bleibt mir ein bißchen Zeit, weiter an meinen Projekten zu basteln, den Ballon zu provisionieren, um dann 2020 vielleicht nicht raketengleich, aber mit hoffentlich guter Thermik Fahrt aufzunehmen. Mal schauen, wohin der Wind so weht, ich habe Karten aller Länder an Bord.

Allen einen guten Rutsch in ein hübsch grau gestreiftes neues Jahr - und achtet auf den Nachthimmel. Vielleicht seht ihr mich, wie ich zwischen all den Raketen durch die Wolken gleite.


 


Mittwoch, 25. Dezember 2019


Aus der inneren Berghütte gesendet


Herr Kid hat den Baum schön

Erstmals in all den Jahren hatte ich freie Hand und Muße, einen eigenen Weihnachtsbaum in meinen Leuchtturm am Ende der Wasserstraße aufzustellen. So wird Weihnachten doch gleich gemütlicher! Eigentlich war dann der Plan, rund um den Baum ein paar neckische Fotos nachzustellen, aber ich konnte meine roten Strumpfhosen nicht finden.


Für die jüngeren Leser, die das nicht kennen: Das ist die Form einer Schneeflocke

Am Morgen dess ersten Weihnachtstags, wenn die Eltern noch schlafen, kann man immer schön mit den Geschenken spielen und Reste trinken. Ich bin ja jetzt in dem Alter, wo man sich "nichts mehr schenkt", also das Haus schnell voll mit "Kleinigkeiten" hat. Aber die besonderen sind dann eben doch besonders. Wie diese handgeschöpfte Seife einer Kollegin aus der Ukraine. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir damit etwas sagen will außer, "Schau mal, hab' ich dir mitgebracht". Das Leben ist bekanntlich voll mit verschlüsselten Botschaften und komplex verschachtelten Zeichensystemen.


Frau Harvey hat den Film schön

Rechtzeitig vor dem Fest erreichte mich aus dem bald sehr fernen England die DVD zu A Dog called Money, die Dokumentation, die Musikerin Polly Jean Harvey gemeinsam mit dem Fotografen und Filmemacher Seamus Murphy gemacht hat. Damit ich was habe, falls "nix im Fernsehen" ist. Ich bin sehr gespannt, teile mir wie immer im Leben die Dinge aber ein. Oben auf der Liste stehen ja noch die Weihnachtsspecials der Murdoch Mysteries, worin, wenn ich es richtig vorausgelesen habe, Constable Crabtree die "Picture Novel" erfindet - bebilderte Abenteuer um einen Superhelden, für das schnelle Lesen zwischendruch. Bin sehr gespannt, was das sein soll.

Während ihr also das Geheimnis der Gans lüftet, werde ich ein paar Dinge und Objekte erfinden, von denen das ein oder andere möglicherweise irgendwann einmal den Lauf der Welt verändern wird. Bis dahin: Frohe Weihnachten!


 


Montag, 23. Dezember 2019


Driving home for Dings

"Daheim ist es doch am schönsten", heißt es im Film. Und doch verlangt es alte Sitte, Weihnachten in vollen Zügen zu genießen.



Die Hinfahrt im Fahrradabteil, die Rückfahrt mit Verspätungen und Unterbrechungen. Das Thema "Deutsche Bahn" bleibt schwierig. Die freundliche Bedienstete im Mitternachtsauffangdienst am Hauptbahnhof Hannover meint nur, es sei eigentlich ruhig, die größere Unruhe erwarte man erst um Heiligabend. Ich bin ein bißchen genervt, beschließe aber trotz gefühltem inneren Lärm, den Ablauf nun auch nicht weiter stören zu wollen.



Die Heimatstadt zeigt sich graugeschleiert. Zurückhaltende Opulenz mit einem leisen Hauch von erzitterndem Verfall. Lückenhaft schindelverkleidetete Häuser mit bloßgelegtem Holz, wie die Zahnhälse durchgeregneter Nörgelrentner. Als Visitenkarte steht die Hauptschwebebahnstation verlassen und verlottert, auch der Aufzug zur Plattform ruht still wie der weihnachtliche See.



Ja, wo sind wir denn hier? Die Geräte sind längst leer, alle Bildnisse und Gleichnisse auf ein anderes Gerät übertragen, von dort aus vielleicht auch schon weiter. Ein Glöcklein klingelt in der Kirche, Geheimnis der Weihnacht. Gerätschaften sind die neuen Mysterienbehälter. Alexa strömt Weihrauch aus, im Gehäuse der Googlebox liegen die Gebeine der heiligen Siri. Um Mitglied der Gemeinde zu bleiben, buche ich im Haus meiner Mutter einen Tagespass für einen Internet-Hotspot im liturgischen Magentagewand. Halleluja!



Ein Fenster zur Welt. Ich schlafe schlecht, halte die Augen halb geschlossen und entwickle Ideen fürs Stadtmarketing. Hier eine Zwischenlösung, dort was Radikales. Die Stadt indes hat die Neunziger Jahre entdeckt, die Radwege im Zentrum vergessen und plant dafür ein Outlet-Center.



Dafür wäre hier viel Potential, allein aufgrund der Topografie, die keine Mittelwege zuläßt, einmal schräg zu denken. Kopfstand auf der steilen Treppe, Wind durchjagen, den inneren Dauerregen vertreiben. Die Schuttberge hinter staubigen Fenstern verräumen. Man muß dazu offen sein.



Vieles rührt in einer Unbeholfenheit. Anderes sperrt sich starr entgegen. Soll man Ruten verteilen oder lieber Lebkuchen? Ich bleibe Gast auf der Sofakante, ansprechbar von vier bis zehn. "...eine seltsame Stadt, schwarz vor Romantik und Geschehnissen und Umhertreibern aller Art", schrieb die Lasker-Schüler. Vielleicht sollte mal einer den Finger zwischen die lockeren Schieferplatten schieben, den Schmodder herausprokeln, die Verklebungen freispülen. Die Stadt der Chöre zum Singen bringen.