
Freitag, 17. August 2012

Mal raus aus der bedächtigen Wackeldackelwelt, den eigenen Wasserkreislauf schön durchzirkulieren, schön alles durchschwitzen, ein Carepaket von der Post holen und ausschnaufen dans le parc. Herr Kid unter Wasser, zeigt das Foto, wie er einem Tintenfisch an den Tentakeln zupft. Mehr als eine Walflosse zeige ich dieser Tage nicht, abtauchen würde ich gern, aber oben schwimmen läßt die Nixen summen: . Vor mir liegen Bauklötze, Bruchstücke, Mosaikteile, daraus ein kleines Haus basteln, ein Bild formen, irgendwas Erkennbares, bleibt eine Aufgabe.
Die Hitze von links nach rechts wenden, sich ein Kleid aus Kühlakkus wünschen, was denn noch alles denken. Abends ein paar Kräuter hacken, wieder nur Boote unten am Wasser zählen, nichts aber zu erzählen haben. In der Gebäckschale sammeln sich Carpe-diem-Sprüche, ich aber sorge mich nicht, sondern bebe.

Mittwoch, 15. August 2012
Sieh an, kleine Uniklinik. Zwei, dreimal an der Infusionsflasche genuckelt, schon ist mir nach Kurzer-Hosen-Musik, so als läge draußen vor dem Fenster Ibiza und keine Provinzstadteilkleingartenanlage.
Was immer du da reinmischst, mir soll es erstmal recht sein. Muß man nicht an dunklen Ecken fragen. Schön wäre es natürlich, man könnte bereits wieder SchwimmenSchwofenRadfahren. So aber bleibt bei diesem plötzlich Ausbruch von Wetter nur Schwitzen über Nach- und Vorbetrachtungen. In meiner Kellerwerkstatt bastel ich an einer mobilen Sprinkleranlage, denn ich denke nicht, daß es in sieben Jahren Zauberberg jemals so muckelig warm war. Die Kollegen aus der Fabrik versorgen mich mit Hörbüchern, Wiener Literaturgröße, der soll nicht dumm werden im Kopf, denken die, der soll die Stiege wieder hochsteigen.
Langsam alles zusammenschrauben, alles weiter entplundern, den Radius vermessen. Vielleicht mal duschen, ich rieche wie ein Weltkriegslazarett. Vielleicht mal Pläne machen, die Musik lauter drehen, ein paar Antworten schreiben. Vielleicht mal vorsichtig machen, erst einmal die Fragen hören. Vielleicht mal immerhin sagen.

Samstag, 11. August 2012
Aus den Augenwinkeln zwei, dreimal Olympia geguckt. Die Übertragungen unterscheiden sich nicht mehr allzusehr von den beliebten Nachtsendungen auf Das Vierte oder diesem Sportkanal. SexyClips, in denen knapp bekleidete Akteusen mit den Deuserband oder irgendwelchen Bällen spielen. Bei Olympia: Beachvolleyballerinnen im Stringtanga und Tassles aus dem Burlesque-Bedarf. Oder knapp mehr. Die Staffelläuferinnen würden in ihren bauchnabelfreien Outfit aus jedem Restaurant auf Mallorca geworfen werden. Selbst die Turmspringerinnen tragen mehr. Worum geht es da? Mich stößt das ein wenig ab. Was aber wäre, wenn jede Sportart so fotografiert würde wie diese Miezenparade? Hier erste Ergebnisse. (via Kottke)
Angeliska besucht das Grab von Hank Williams und erinnert sich. [1, 2]
Fotograf Theron Humphrey reist mit seiner Hündin Maddie durch 50 Staaten der USA und führt darüber ein Blog. Die Hündin ist sehr begabt darin, eine Balance im Leben zu finden, einen Platz zwischen Oben und Unten, dem Möglichen und dem Unmöglichen. Dem Vertrauen, sich Einlassen- und Auf sich-zukommen-lassen-können. Mit der unverfälscht-lässigen Eleganz und Selbstvergessenheit, wie sie nur Tiere haben. [via BumBumBum]
Im Bus steigt ein junges Mädchen ein. Lange, gesunde, natürlich ins Kraut geschossene Haare, freundliches Gesicht, die Hose mit modisch zerfetzten großen Löchern auf den Oberschenkeln, durch die gebräunte Hautflecken glänzen, nicht in diesem verlederten Solariumton, sondern in einer leichten Segelbräune, wie man hier sagt. So genau habe ich das olympionikische Taxieren gelernt. Ihr gegenüber sitzt eine andere Frau, die sie ebenfalls betrachtet. Sie ist über 40, Typ Eppendorfer Agenturfrau, die es nur zumBusfahren geschafft hat, verledert an Handtasche und Gesichtshaut, sie hält ihren frischen Blumenstrauß hart umklammert und wirft erst einen kurzen, dann immer längere Blicke auf das Mädchen. In ihren Augen schimmern Abschätzigkeit, dann Neid und Bitterkeit. Ihr Taxieren hat nichts sportliches mehr, es ist ein Existenzkampf. Sie hört nicht auf zu schauen.
In der U-Bahn sitzt mir gegenüber ein junges EMO-Pärchen. Sie erzählt von einem Freund, der knapp 20 zu seiner neuen Freundin zieht. "Die ist voll alt. Fast 50. 48 ist die." Ich beuge mich vor und sage: "Entschuldigung, ich bin auch, äh, 37. Da geht noch was." - "Ja", rollt sie mit den Augen. "Aber der ist doch erst 20!" (Ich denke. Na ja, 20. Die haben eine schöne Haut, und viele sind ja auch schon sehr weit in diesem Alter. Sagt man doch so. Das muß man sportlich sehen. Wie dieser Fußballer, wie hieß er noch gleich.)
Sich nicht abstempeln lassen. Auf neue Geschichten einlassen. Mit dem Schmutzigen Würfel immer wieder Liebesgeschichten erfinden (mit der Maus über die Wörter fahren). Botschaften weitergeben. Kassiber.
("Das fühlt sich gut an/und wir sehen super aus/und wir haben uns was zu sagen." Blumfeld, "2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß".)
(via Mumien, Analphabeten, Diebe)

Freitag, 10. August 2012
Endlich wieder Krankenhauscontent, es drohte bereits etwas langweilig zu werden. In meinem näheren und weiteren sozialen Umfeld nörgelte es schon, daß dauere aber voll krass lange diesmal mit diesem ganzen Genesungsscheiß. So war ich froh, die ewige Frage "ubi es?" "Wo bis?" mit "Bin isch UKE!" beantworten zu können. Ja, so reden wir unter Bloggern, wenn das Netz alle ist. Jetzt bin ich schon eine große Kapitänslaufbahn in Hamburg und war noch nie im UKE, meist nur in diesem anderen Krankenhaus, wo sich sonst der Herr Altbundeskanzler und auch das englische Rockchamäleon David B. behandeln lassen. Und ich eben.

Diesmal also sozusagen die Charité von Hamburg. Der beachtlich große Aufnahmebereich sieht aus wie die Abflughalle des Flughafens dieser Stadt, es gibt Shops, Cafés, womöglich Duty Free. Am Schalter aber fragt man überraschend zuvorkommend "Herr Kid?" - dabei habe ich noch nicht einmal die Goldene Krankenkassenkarte oder irgendwelche Kaffeepads in der Tasche wie dieser andere Grauhaarige. Man hatte die aber vorgewarnt mich aber angemeldet, sehr aufmerksam. Auf der dann wieder schnuckelig kleinen Station für die UFO-Fälle werde ich von einer jungen Studentin empfangen, die ein paar Tests mit mir machen will, und ich bin gleich sehr entzückt. Denn sie erinnert mich an eine Frau die ich mal gut kannte, die auch was mit Medizin gemacht hatte, und ihr vom landgesunden blonden Typ her so ähnlich schaut, daß ich fragen wollte, sind sie die Schwester? doch sehr lachen muß. Ich meine, das wird immer bizarrer hier. Möglicherweise auch Nebenwirkungen. Sie hat mir dann später sehr elegant einen Zugang gelegt, ich kann das mittlerweile beurteilen, wer das kann und wer sich schwertut. Mein Lob nahm sie indes ganz unbefangen auf, kein Wunder, aus den Tests wußte sie, daß bei mir im Kopf grad nicht so besonders viel talentiertes los ist. [Anmerkung für die Öffentlichkeit: Da könnte sie sich täuschen, denn es war noch vor dem ersten Kaffee!]
Dazwischen Konsultationen mit Hm, hm, hm und mal sehen, mal sehen und dann ab 10:15 Uhr wieder warten auf das langsame drip, drip, drip. Sonst alles super.

Mittwoch, 8. August 2012

Zarte Pflanzen hinterm Schutzwall, auch so eine doofe Metapher aus dem Füllfederhalterköcher.
Dafür hat man doch gar keine Zeit. Da will man nur schnell in die Praxis, um mal nette Menschen zu treffen, da sitzt schon die Ärztin, die gute Frau Sorge, an ihrem Tisch und sagt, na Sie wollte ich auch gerade anrufen. Und runzelt die zarte Haut auf der Stirn und macht und fragt und sagt, kommen Sie mal mit ins dunkle Zimmer, und ich so Oho und Gern!, sie aber will nur mit ihrer Ermittlungs-Taschenlampe in meine Pupillen leuchten und fährt mit Feuerwehrgeläut durch irgendwelche Befunde, die auf ihrem Schreibtisch liegen. Dabei wollte ich nur kurz meine Theorie vortragen, die ich aus meiner Vorkriegsliteratur, dem Verfolgen der US-amerikanischen TV-Krankenhausserie Akte-X und diesem Internet zusammenbuchstabiert habe. Mitfabulierende Laien, die Frau muß viel ertragen. Nun aber mal ernst, sagt sie, und ich schicke Sie jetzt ins hermetische Klinikum. Das ist das Geheimlabor der Regierung, in der im Rahmen einer noch geheimeren Verschwörung supergeheime Experimente an Personen mit paranormalen Phänomenen durchgeführt werden. Jetzt haben sie eben mich. Also bald.
Das darf keiner erfahren, sage ich. Denkt denn niemand an die Kinder? Das beunruhigt die Menschen, vor allem die, die mich nicht so gut kennen und glauben, ich würde von Aliens entführt, aus Jux womöglich, und sei bald hinterm Horizont, von dem angeblich jeder weiß, daß es dahinter weitergeht, verschwunden. Wunden. Wunden sind das, also auch im sozialen Gefüge, weshalb man Pflanzen hinter einem Schutzwall anpflanzt, hnter dem dann Baustellen und Kräne und Drähte und tropfende Abflußrohre, aus denen die Chemie sickert, verborgen sind, sich selbst aber lächelnd davorstellt und ein Schild hochhält, auf dem steht geschrieben: Alles super.
Und das wird es auch.

Sonntag, 5. August 2012

Das US-Projekt My Parents Were Awesome gibt es mittlerweile auch als Buch, die Kaltmamsell wies neulich noch einmal daraufhin und präsentierte die eigenen, most awesome Eltern. Am Wochenende - es galt, Dinge zu regeln und Vergangenes aufzuräumen- flöhte ich ein wenig durch meine Fotokisten und kann nun in der Reihe Mods vs. Rockers ebenfalls ein epochetypisches Familienbild herumzeigen. Väterchen Kid, mit Helm und Brille, dem Leben aber furchtlos zugewandt, hatte, glaube ich, keine eigene Vespa, aber kurz ein Motorrad, ehe er auf vier Räder erweiterte, schon allein, weil man da besser Radio hören konnte.
Mütterchen Kid, ganz rechts und offensichtlich im besten Backfischalter dem Gesetz nach noch minderjährig, aber dem Leben gegenüber aufgeschlossen, wußte das zu schätzen. Denn so kam auch Farbe ins Leben und eine gewisse wirtschaftswunderliche Heiterkeit. (Wer sich jetzt gerade am Kopf kratzt und wundert und rumrechnet: Meine Eltern haben mich sehr spät bekommen. Also sehr, sehr spät. Quasi, als sie schon erwachsen waren.) Väterchen Kid nun war gerade am Wochenende zu Besuch in Hamburg, leider mit einem anderen Auto, um den Erstgeborenen zu begutachten, Dinge anzusprechen und sich die Stadt anzuschauen. Mein Vorschlag, die Parade zum Christopher Street Day nicht zu verpassen, wurde dankend kommentiert. Das sei schon sehr bunt gewesen, und ich glaube, er meinte so etwas wie "eindeutig". Das ist ja dann auch sehr awesome. Diese Interessiertheit an besonderen und ungewohnten und merkwürdigen Dingen. Das finde ich wichtiger als irgendein Motorrad oder Schlitten. Obwohl, den Helm und die Brille hätte ich schon gern.

Mittwoch, 1. August 2012
(Ringrichterkommentar)
Zum Jubiläum gab es aber die ganz große Torte: Das einzig originale Hamburger Rock & Wrestling feierte gleich an zwei Tagen das zehnjährige Bestehen. Ich wurde am Samstag natürlich gemahnt (zurecht, völlig zurecht), den Freitag verpaßt zu haben. Aber man kann auch sagen, immerhin einen Tag, schön links und rechts in soziale Watte gepackt und ansonsten ohne weiteres Gegreine [Verlautbarung für die Öffentlichkeit]. Der zähe Wille zählt wie sonst nur innerhalb des Rings. Die Stimmung im Laden ansatzlos grrrrroßartig, man ist gleich irgendwie zu Hause. Die Welt, das habe ich an diesem Abend feststellen müssen, ist sowieso kaum größer als eine Ringmatte.
Sicht frei vom verkehrsberuhigten Plätzchen in der Invalidenecke: Ich steh aufrecht, die Kämpfer sowieso. Veteranin Heidi H. ruft die "Tittokratie" aus und zieht mit ihren Jungschar-Mädels Hanni & Nanni dem eh schon gebeutelten Baster den Seitenscheitel nach. Die Fuckers, so eine wilde Kuttenbande vom Abenteuerspielplatz, zeigen einem Mitnahmegetränk-Hipster, was to go noch alles bedeuten kann. ♥Dolly Duschenka♥ habe geheiratet - so die Nachricht, die zahlreiche Männerherzen im Publikum zu Dörrobst macht -, zeigt aber ihrem nunmehr fiesen Ex, dem Haspa-Man, daß mit ihr gewohnt furios und unberechenbar zu rechnen ist. Ring-Ehe kaputt, aber Aufatmen in der Luft. Ehekrach hat ja oft etwas romantisches auch, wenn man so zusieht.
Zwischendurch will ich mir Kunstblut von der Brille wischen - da fällt mir ein, ist St. Pauli hier, das ist kein Kunstblut. Aber für sowas bleibt keine Zeit, alle sind begeistert, was nicht wundert, denn Tiere gehen immer: Loony Lobster und Dr. Tentakel werden von Atomarschloch Kommander Kernschmelze mal so richtig auf Asse gelegt. Ziemlicher Gau, denn selbst Bento Love, der beste Kampfroboter von allen, geht mit Systemfehler in die Knie. Vielleicht suf Android umsteigen beim nächsten Mal. Inklusion ist ebenfalls ein Thema, wir grenzen nicht aus, sondern holen Schauspieler Michael J. F. und Muhammad A., die zittrige Biene, zum Park-and-Ride-Kampf in den Ring. Der Unparteiische, Sensation, ist Ozzy O., ein ehemals bekannter Hardrockfanfarensänger und Fledermausfreund. Herzergreifender Kampf, drei rüstige rostige Herren verkörpern den olympischen Gedanken und sind einfach mal dabei. Warmer Applaus zeugt von der Herzensgüte des mittlerweile exaltierten Publikums.
Schock und Feuer, Caracho machen Lärm und eine feurige Hitze, dazwischen immer wieder Nik Neandertal mit seiner Hymne, die so suchterzeugend ist, wie sonst nur pfannenwarmes Crack aus den Tiefen eines US-amerikanischen Wohnmobils. Zwanzig Mal hören wir das muntere Liedchen, heimlich werden zerknüllte Papiertaschentücher im Laufe des Abends wahlweise an die Augen oder in die Ohren geführt. Ganz rührend, wer die Hymne noch nicht kennt, bitte hier zwanzig Mal klicken.
Von der Titte zur Mitte, Lokalmatador Captain Penis zeigt Steherqualitäten und nimmt sich zusammen mit Hairy Helga in einem alwaysultraohneregel Käfigkampf den brutalen Metzger vor. Am Ende hätte man besser Regenschirme spannen sollen oder verdunkelte Brillen. So werden wir Zeugen von mutmaßlichen Gewalttaten, die zum Glück aber durch einen Vorhang verborgen blieben.
Große Sause, draußen Frischluft und schön verschwitzte Gesichter. Überhaupt schöne Gesichter. Nächtliche Wege neben flackerndem Fahrradlicht, die kleinen Gesten. Das ist schon alles richtig so. Ich gehe nur unwesentlich weniger elegant als ein alter Kneipenboxer. Aber im Grunde unbesiegt.
