
Dienstag, 10. Juli 2012

In meiner Bibliothek sieht es gerade etwas rumpelig aus, was daran liegen mag, daß mir mitunter das ein oder andere aus der Hand fällt. Aber Staubwischen und andere niedere hauswirtschaftliche Tätigkeiten führen derzeit zu nichts, auf meinem Weg zur Altmannwerdung benötige ich meine Kraft, mir Hilfsmittel zu Basteln. Eigentlich kein Spaß, reden wir hier doch über das weitreichende Thema Autonomie im Alltag. Mein neuestes Projekt in Sachen Überbrückungstechnologie bezieht sich auf die Amplifizierung meiner Sehhilfe, denn im Moment sieht manches ziemlich düster aus. (Keine Details.) Mit ein paar Klebepunkten und alten Brillengläsern habe ich nun probehalber hochgestapelt und kann nun immerhin diese chiffrierte Mitteilung tippen.
Auch kann ich erkennen, wer mir in den letzten Tagen ab und an Nahrungsmittel vor die Türe stellt und behauptet, meinen Vornamen zu kennen, während ich hier eine kleine unvorhergesehene Auszeit im Kriechgang nehme. I'm a Cyborg, But That's OK heißt es im Film, das könnte folglich noch eine spannende Unternehmung werden, wenn [Stromausf.]

Sonntag, 8. Juli 2012
Ein schönes Gefühl, denke ich still bei mir, als ich ein paar Hundehaare von meinem Teppich zupfe und zu einem kleinen Strang zusammenzwirbel. Auch so ein Anklang von Normalität, entspannt schnorchelnde Hunde auf meinem Teppich, in die diese Tieren in der ihnen oft eigenen Art von vertrauter Hingabe sich fallen lassen, arglos und anspruchslos, fast überall zuhause, wenn der Geruch und die Atmosphäre stimmen.
Durchatmen ins Nebenher, Türen öffnen und Fenster, wie ein Lotse vorsichtig die Untiefen umsteuern, Wege erkunden und Möglichkeiten, die Grenzen, die Kraft, die Leichtigkeit herausschälen, die fester geschnürten Sicherheitswege verlassen, mal tastend, mal forscher. Jeder Tag ein Trainingstag.
Selber oft hundemüde sein, sich einfach langstrecken wollen, sich einfach dazulegen, entspannen und den Rest irgendwie wie immer, einfach der Nase nach. Entdeckungen am Wegesrand.

Mittwoch, 4. Juli 2012
bride, Mulder. Not in this story.
Mulder: Where's the writer? I want to
speak to the writer.
(Akte X, "The Post-Modern Prometheus")
Als ich mich heute morgen beherzt von patenten Händen ins Auto verfrachten und ins Forschungszentrum bringen ließ, erwartete ich eigentlich, anschließend gleich die Fahrt ins CERN antreten zu müssen. Gleich einer Hochschwangeren habe ich ja seit ein paar Tagen mein Täschchen gepackt; wenn der Ruf mich ereilt, will ich bereit sein. Der vertretende Forschungsleiter aber griff nicht minder beherzt zu und ließ mich meine beeindruckende Physis präsentieren (auf Hacken laufen, auf Zehenspitzen laufen, auf einem Bein hüpfen - "Oh", sagt er, "ich halte Sie mal besser fest." - nur mit dem Zeigefinger meine Nasenspitze treffen mußte ich nicht zeigen, dabei hatte ich geübt!). Anschließend waren wir beide sicher, auch abseits eines fotografierbaren Beweises, im Besitz der Wahrheit zu sein. Freundliches Verständnis und verhaltener, sachlicher Ernst.
Danach dann die Frage nach der Konsequenz. Zugriff? Verhaftung? Untersuchungsgefängnis? Ich gab einen Bericht, danach sahen wir uns, wie Männer eben, tief in die Augen, so weit mir das in meiner persönlichen Story of an Eye bild- und erkenntnisgebend möglich ist (die Diagnosekriterien sind vielfältig, umstritten, aber immer interessant), und es wurde beschlossen: ambulante Untersuchungshaft, SOFA statt CERN, erstmal abwarten, sichten, konservativ handeln. Danach diskutieren, wie das Projekt weitergeht, ob man eine neue Stufe zündet.
Ich sage, ich sei zuversichtlich, die Wahrheit sei sicher irgendwo da draußen. Wir redeten hier quasi über Flugrost, das schmirgel ich zurecht.

Dienstag, 3. Juli 2012

Aus dem Dunkel des Westwerks schält sich eine Woge heraus, strukturierter Lärm für die Sachlichen unter uns, dicht gepacktes Emo-Symphongetöse für die mit einer Erinnerung an hormonell ungezähmtere Zeiten. Zunächst walzen Disappears die deutlich post-punk-beinflußten Lieder ihres dritten Albums von der Bühne, kämpfen mit dem schwer zu kontrollierenden Sound im Westwerk, das eigentlich eine Kunstgalerie und nur nebenher ein Ort für Musik ist. An den Drums Steve Shelley, der Mann kämpft nicht mit dem Sound, der Mann ist der Sound. Vermutlich hat man sein Schlagzeug bis hinunter in die Bauruine der Elbphilharmonie gehört, damit da auch mal etwas Musik drin ist.
Star des Abends ist aber Lee Ranaldo, der - wiederum durch Steve Shelley mit seinem zweiten Arbeitseinsatz an diesem Abend verstärkt - sein Soloalbum Between The Times And The Tides vorstellt. Im Publikum viele junge Leute, Velvet-Underground-Mädchen, Kunstbubis und Langzeitvergessene, ein, zwei Anzugträger mit Blackberry und Begleitmenschen, dazu grauhaarige Altherrengymnasten wie mich. Zum Glück ist es nicht zuuu voll, zum Glück gelten im Westwerk besondere Lärmschutzbestimmungen, was die beiden Bands pünktlich beginnen und zeitig enden läßt. In diesem Alter, darin einen Vorteil zu sehen, bin ich also auch schon.
Die andere Hälfte von Sonic Youth also, auch mal ein Erlebnis. Am Ende spielt Ranaldo mit seiner Band noch ein Talking-Heads- und Sonic-Youth-Cover, wäscht uns von innen nach außen, pflanzt uns den Lärm ins Rückenmark, demonstriert, das daß Leben erst voller Rückkopplungen ins Rollen kommt. Eine diamantene See, durch die ich schwimmen will.
>>> Lee Ranaldo, Angels.

Montag, 2. Juli 2012
ein Lied, danach seid ihr mich los.
(Bernadette Hengst,
"Ein Abschied zu viel")
Häufig an Stränden, oft aber auch im mehr oder minder zivilisierten Urbangefüge finden sich singuläre Erscheinungen, die man eigentlich (in freierer, naturbelassenerer oder schlicht idealisierterer Umgebung) paarweise erwarten würde. Verlorene, aber brauchbare Einzelstücke, Übriggebliebenes, Vergessenes oder doch Zeugen einer weitreichenden Geschichte. Blogger machte am Straßenrand grauenhaften Fund möchte man dichten, gleich einem Spurensicherungsteam des FBI ein Fähnchen plazieren, eine Kreidelinie zeichnen und eifrig in den Notizblock schreiben.
So ein einzelner Schuh liegt mit Blümchen gefüttert wie eine Abschiedszugabe, ein letztes Lied auf dem Weg, manchen vielleicht im Weg, die Linie dazwischen ist kunstlederdünn, man müßte schon tiefer graben, unter das Pflaster schauen, in den Büschen suchen, gefaßt und alles erwartend. Ein Abschied vielleicht, besser nur ein Kleiderwechsel, eine neue Hülle, die jemandem eine neue Zukunft verspricht. Fragt sich aber, was mit dem Zweiten ist. Wie der Abschied lief, zwischen dem linken und dem rechten, dem einen und dem anderen, dieses, du bleibst jetzt hier, ich aber humpel weiter. Auf einem Bein, ganz eine Seite, ganz ohne Balance, tapfer womöglich, vielleicht auch verängstigt. Verfolgt oder getrieben. Und wenn man Glück hat, ein Stück weit getragen.

Donnerstag, 28. Juni 2012
Da Selina ja überraschend ihr Blog geschlossen hat (Blogger.de-Insider), muß jemand anderes dorthin gehen, wo rostige Herzen von grünem Alienschleim zerfressen werden sanftschwere Wehmut pocht. Wie Menschen, die mich näher kennen, bereits wissen, schaue ich in letzter Zeit noch einmal alle Folgen der US-amerikanischen Krankenhausserie Akte X (dazu aber später mehr), in der zwei FBI-Agenten mehr als sieben lange Staffeln lang keine Dienstanweisung in ihrem Handbuch finden, ihren eigenen Fall zu lösen. Und danach ist es auch nicht einfach, aber Pst!, soweit bin ich noch nicht. Es soll Hoffnung herrschen im Hause, wenigstens da.
Aus manchen Dingen oder Erinnerungen kommt man nicht raus, warum auch, die sind wie ein Luftkissenboot über rumpeligem Grund. Das Reden nämlich in einer ganz eigenen Sprache, das Verstehen in wortlosen Gesten. Es wurde ja viel gelacht. Seltsam, andererseits, als ich mit einem Mal die Initialen neu las, als seien sie ein versteckter Hinweis aus einer X-Akte. Wie manches sich selbst einlädt, als sei es immer schon da. Und doch eine Sprache spricht, die niemand versteht. Mein größter Fall.

Mittwoch, 27. Juni 2012
Kleines Update: Es fehlen nur noch wenige Münzen, um das Projekt Tomorrow Can Wait zu realisieren.
Mit nur einem Dollar ist man schon dabei, wenn also nur jeder Zehnte der 2000 Leser hier heute statt Bubble-Tea eine Wertmarke für eine gute Sache erwirbt, dann ist das Ziel erreicht! Der Lohn? Neben dem Buch das Gefühl, mit duften Leuten eine super Sache unterstützt zu haben, so wie damals, als Bloggen noch Versprechen auf Unabhängigkeit und Gemeinschaft war. Dazu ein lobender Gedanke von mir und Inklusion ins Nachtgebet. Drei Tage sind noch Zeit, einen eventuell noch zögerlichen Finger auf die Maustaste zu senken, einmal ruhig durchzuatmen und laut zu sagen: Ja! Ich will das jetzt! Ich will, daß Dinge wahr werden! Ich will schon heute damit beginnen, ein besserer Mensch zu werden!
Umkehr ist möglich! Wer bislang sein Taschengeld in billige Heftchen oder teure Applikationen investiert oder einfach immer nur brav Lizenzgebühren für Katzenbilder bezahlt hat, weil ihm weitergehende Ziele fehlten, steht jetzt auf der Türschwelle in ein neues Leben. Ernsthaft: Ich glaube, das wird ein lesenwertes, ungewöhnliches Buch, dem man in die Welt helfen sollte.
>>> Siehe hier, siehe Gedankenträger
