Montag, 14. Mai 2012


Und Susi weint

"Wenn man sich die 90 Minuten anschaut,
waren wir klar die bessere Mannschaft."
(Philipp Lahm, FC Bayern München)

Heja BVB! Was für ein Saisonende! Früher gingen Pokalendspiele meist so langweilig 1:0 aus, die Mannschaften tasteten sich lange ab, keiner wagte etwas, weil ein Fehler leicht das Ende bedeuten konnte. Jetzt also sieben Tore in einem schnellen, kombinationsreich geführten Spiel, in dem beide Mannschaften 90 Minuten lang nach vorne gingen. Gut, streng genommen tat das vor allem der BVB, der auch die kurze schwankende Phase in der ersten Halbzeit in Lauerstellung überstand, einen Torwartwechsel inklusive.

Beeindruckt war ich, daß der BVB nicht nur als Mannschaft mit Hurra-Fußball überzeugte, daß dort nicht nur junge, übermütige Hunde Dauerpressing machten, sondern daß die Spieler auch technisch alle verblüffend stark waren, vor allem Gündogan mit seiner Raffinesse und Übersicht bei den Pässen. Taktisch spielten die Dortmunder sehr diszipliniert, nicht aber unbedingt überraschend. Das Verschieben der Stationen, die Veränderung der Laufwege waren sehr hübsch zu beobachten, A geht nach vorne, B zieht nach hinten links oder rechts, Ball kommt per Hacke zurück, B zieht nach innen, paßt auf A oder C, der mitgelaufen ist. Man würde meinen, die Bayern hätten sich nach vier Niederlagen in Folge darauf eingestellt. Aber von gelgentlichen starken Einzelleistungen abgesehen, waren die ja völlig von der Rolle.

Wo waren die Nationalspieler? Schweinsteiger zum Beispiel, war der überhaupt aufgestellt? Lahm? Kroos? Eigentlich darf man nicht hoffen, daß Müller mit zur EM fährt, ich vermute, der hat den frühen Erfolg bei der WM nicht verkraftet, als er zuvor quasi noch Kreisklassenspieler war, der eine Blitzkarriere bei den Bayern hingelegt hatte. Neuer? Warum wird der eigentlich so oft getunnelt?

5:2 also, so wirklich spannend war das nicht, aber sehr unterhaltsam anzuschauen. Schön dann und unverzichtbar, die Spielerinterviews, meist ja so etwas wie dritte Halbzeit. Darin das Zitat von Philipp Lahm, der offenbar ein anderes Spiel gesehen hat. Ausverkauftes Stadion endlich mal in Berlin, 80.000 Fans aus Dortmund. Da die Westfalen keinen Karneval kennen, müssen sie solche Gelegenheiten zur schwarzgelben Verkleidungs- und Umtrunksfeier nutzen. Und was die Siegesfeier angeht, muß man Berlin eines lassen. Schöne Goldelsen haben sie ja.

Der Rest ein Rauschen: Susi weint, die Mannschaft grinst, der Trainer pöhlt. Hamburg feiert Hafengeburtstag. Durch den Nebel grüßen Feuerwerk und Schiffssirenen.


 


Samstag, 12. Mai 2012


Um/Bruch

Krisenzeiten, Umbruchzeiten, diese Zeiten, um zu schauen, wo man selber steht, wo andere stehen, wie andere zu einem stehen, wie es überhaupt so steht. Welche Wege man geht, wie schnell man sie geht. Ob man sie langsam geht. Oder überhaupt nicht mehr geht. Oder überhaupt nicht mehr kann.

Weil man nicht will. Weil man nicht kann. Weil man denkt, du kannst mich mal.

Nachschauen, welche Schublade man umdreht, welchen Schrank man umräumt, welchen Karton man wegwirft, die Sicherungen rausdreht, den Raum nicht mehr betritt, das Zimmer.

Die Gespinste entfernt, dem Bla und dem BlaBla nicht mehr zuhört, das Halbgare nicht mehr ißt, sich mit Unverbindlichem nicht mehr die Hände verbindet. Oder die Arme, die Haut, den brennenden Nacken.

Den Kontostand prüft, letzte Überweisungen rausschickt, die Defizite wegstreicht, einfach abstreichen den Scheiß, die offenen Rechnungen und Posten, auf deren Eingang man warten oder auch warten kann oder es lassen, weil ja doch nichts kommt.


 


Freitag, 11. Mai 2012


Merz/Bow #32



Jetzt nur noch senkrecht bleiben. Dann alle so Yeah!.

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Großartig: Ödland (-> siehe) sind unterwegs:
am 29.5. in Hamburg
am 6.6. in Wuppertal

Das wird etwas sehr besonderes, humorvoll-nostalgisches. Ich mag diese Ausgestaltung eines kompletten Kosmos', einer durchgestalteten Welt, die sich sanft ironisch und assoziationsreich bedient an Versatzstücken der Erinnerung und unserer Erwartung. Hier gibt es auch ein Video vom Auftritt in Zürich. -> weitere Tourdaten

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Dass die Piraten keine “Endlösung der Kreativenfrage” haben, ist Schade. (Q)

An der Sprache sollt ihr sie erkennen. Unter den Avataren der Muff von 1000 Jahren. Lesenswerter Beitrag übrigens von Volker Strübing zum Thema Verwertungsrechte. Überhaupt gäbe es viel zu sagen zum unverhohlen durchscheinenden Hass auf Künstler (immer als "sogenannte "Künstler"") und Kreative (immer als "sind keine Kreative"). Wer in den Foren bei Spiegel Online oder Standard.at die Stimmen von Netzbenutzern sammelt, stößt auf Zitate wie "Der Dreck muss weg", "sollen mal arbeiten gehen", "wer sich nicht durchsetzt, hat eben Pech gehabt", "das ist eh keine Kunst", "die machen sich mit Hilfe der Künstlersozialkasse einen Lenz. Und wer bezahlt es? Ich mit meinen Steuern!" Usw. usf. Dahinter verbirgt sich eine verblüffende biedermeierhafte Spießigkeit. Der Künstler, 'tschuldigung, "Künstler", als armer Poet unterm Dach.

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Im Grunde wollen sie eine Schriftumskammer.

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Sie schenkten uns die Empörungskultur.
Ich kann natürlich immer noch Revuetänzer werden.

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search request: rasierte katze
Das ist falsch buchstabiert. Versuch es noch mal.

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"Wash it out." (PJ Harvey, "Bad Mouth")

MerzBow | von kid37 um 14:12h | 15 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 9. Mai 2012


Good Night, Little Robot Child



Anschließend habe ich mir wie ein nervöser kleiner Junge die CD signieren lassen. Ich war aber ganz locker dabei.



(Morgen noch in Köln. Hier kann man das wunderbare Album von Princess Chelsea hören.)

Radau | von kid37 um 01:48h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 7. Mai 2012


Die Prinzessin kommt!



In Beziehungen soll es ja ab und an auch mal Streit geben, auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen kann. Meist geht es dabei, so belegen es Statistiken, um das Rauchen. Der eine quarzt, der andere raucht vor unterdrückter Wut, es wird diskutiert und nach sogenannten "Lösungen" gesucht (auf den Balkon, vor die Tür, nur noch unter Wasser etc.). Am Ende gibt es Ärger und schließlich die Scheidung, denn die Sucht ist immer stärker als die Liebe. Traurig, aber wahr. Die Neuseeländerin Princess Chelsea (Chelsea Nikkel) hat darüber ein ergreifendes kleines Lied geschrieben, in dem sie beteuert, gerade mal "eine" geraucht zu haben (meint wahrscheinlich: Packung - trau keinem Junkie!), ihr Freund ist not amused und schon gar nicht über ihre doofe Freundin, die sie zu diesem Scheiß überhaupt erst angestiftet hat. 420 Paare haben sich 2010 wegen dieser Thematik in Neuseeland getrennt. Keine Bagatelle also, weshalb das Video schon eine Menge Nachahmer gefunden hat: hier z.B. oder auch hier. Sehr schöner Einsatz, junge Menschen!

Princess Chelsea faßt auch ein anderes Thema des Erwachsenwerdens ganz vorne an, wo es weh tut: "Please, don't drink so much" ("your mother would be sad"), bittet sie in Too Fast To Live, das samt Video nur darauf wartet, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Fernsehgerät gespielt zu werden. Wichtig.

Wer sich noch an Bands aus dem Flying Nun-Umfeld erinnert, wird die ein oder andere Klangidee wiedererkennen, diesen schrägen melancholischen Sixties-Einschlag in neuseeländischer Indiemusik. Wo selbst die Beatles plötzlich so klingen, wie von Elben gesungen.

Eigentlich kann ich ja diese ganzen gequetschten Mädchenstimmen nicht mehr ertragen. Es ist als hätte sich der Berg von Hameln geöffnet und die vom Rattenfänger eingesperrten Gitarrenmädchen kommen nun alle auf einmal herausgeströmt, kieksen mit ihren Cocorosie-Stimmchen und einer angeklebten Traurigkeit (hundert Jahre im Stollen gefangen, da kommt was zusammen an Einsamkeit und Tränen). Youtube ist ja plötzlich voll davon. Aber hier mache ich gerne eine Ausnahme, hier hat jemand auch eine Beobachtung und eine Botschaft.

Princess Chelsea spielt am 8.5. im Molotow. Das ist in Hamburg.

Radau | von kid37 um 17:06h | 12 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 7. Mai 2012


The State I'm In

"I know it all could be worthwhile/
If only I could force a smile."
(New Order,
"State Of The Nation")




Menschen, die zweigleisig entgegenkommen. Wie Kinderlokomotiven, die rosagetuffte Dampfwolken ausstoßen, in denen ein simples "Ja" und ein noch simpleres "Nein" verpuffen. Tote Pferde links und rechts der Erzählstrecke. Menschen in verpflichtungsloser Gleichgültigkeit, die im Augenblick leben und von Fall zu Fall entscheiden (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht). Die sich auf gerader Strecke selber eine Weiche stellen. Wie eine interesselos sagte, "Fahrplan", das klänge "interessant". Und wie eine sagte, nein schnippte, für das Glück sei sie nicht zuständig. So viele gedeckte Tische, nicht wahr?

Wie ich vergaß zu fragen, für was genau sie denn zuständig wäre. Wie man denkt, den Augenblick behalten zu können, einen nicht verschmutzten, nicht verklebten, nicht kontaminierten. Etwas endgültig sein lassen. Zum Glück. Aber: You can't buy a gun when you're crying (Holly Golightly). Wie die Jahre wechseln und auf einmal das Immerwiederneuzusammenschrauben nicht mehr geht. Wie man weder Feuer noch Luft fassen kann. Wie man nicht immer neue Karren stehlen kann. Wie man nicht mehr schneller laufen kann als sein Schatten. Wie man aufhören will.

>>> Geräusch des Tages: New Order, State Of The Nation


 


Dienstag, 1. Mai 2012


The Birds and the Bees



Alle raus zum ersten Mai, Ausweitung der Radkampfzone, das geht ja schon ganz munter, würde man in Betreuungssprache sagen, und beim nächsten Mal dann in kurzen Hosen. Wir sind jetzt im neutralen Alter, da kann man solche wieder tragen. Dita von Teese sei in der Stadt, heißt es, oder Tese, wie man hier schreibt. Wie vorausbefürchtet, ist seit der Eröffnung des Cafés und der Umherspazieranlage am Deich die Ausflugshölle los. Am Zaun haben sie das den schon weggepißt, man lebt noch im Kulturrandgebiet. Ich werde wie Inventar fleischbeschaut von jungen Besichtigern in Nido-Montur, vielleicht liegt es an meinem T-Shirt auf dem geschrieben steht: Gafft doch, wo ihr wohnt. Unangenehm so ein Wandel vor der Haustür, bald wird man da unten Grillplätze vorab mieten müssen.



Hat jemand "Kühlergrill" gesagt? Glückwunsch, Sie haben eine Überleitung gewonnen. Denn nach so viel Natur ließ ich es noch mit Getriebeschweiß und Hitzedösen ausklingen. Dieser Motorbillytreff liegt hier ja jetzt auch in der weiteren Nähe. Das ist so wie früher, als man sagte, laß uns rüber zur Tanke schlendern, Eiscrem von deiner Haut schlürfen, Benzin schnüffeln und auf das große Wroooooom warten. Jetzt gibt es Kaffee und Würstchen und Super-Bees, und gern würd' ich 'ne Runde fahren.