Montag, 5. September 2005


Herr Kid gibt jetzt mal ein bißchen an und warnt vor Bananen

Ich weiß nicht, wie andere so ihren Urlaub verbringen. Ich habe irgendwann beschlossen, ich treffe mich einfach mit hochattraktiven Bloggerinnen, tue so, als könnten die mich leiden und gehe mit ihnen in Museen oder auf Flohmärkte.
Die Hamburger Männer haben da schon schwer geschaut, dabei sollte sie das nur vorbereiten auf den Höhepunkt, wenn die Tage dann rheinische Piratenkoggen hier für eine Weile vor Anker gehen.

Am Wochenende segelte allerdings erstmal Deutschlands bekannteste Spreefreibeuterin in die Hansestadt, vernichtete in kürzester Zeit große Mengen des hiesigen Alkoholvorkommens (ich muß mich da auf Legenden stützen, ich war nicht dabei) und beschloß dann, mit Herrn Kid auf Flohmärkten nach Beute zu jagen. Und Beute wurde gemacht!

"Schreib doch darüber was lustiges", sagt sie und ich antworte, daß ich lustig nur im Keller kann. "Was anzügliches also" - und ich dachte gleich an die höhere Knabenschule da draußen, die sich gerade an merkwürdigen Contesten erheitert. Das war also schon eher eine Idee - und so darf ich vorlaut verkünden:

Ich habe die Spirale der Spreepiratin!

Dieses schöne Werkstück hatte sie nämlich auf der Straße gefunden und mir als Geschenk überdacht. Nun muß man wissen, daß ich ein großer Freund von Altmetall und rostigen Werkzeugen bin und mich überhaupt nach einer Menge Müll auf dem Gehweg bücke. Viele Dinge, die man so findet, sind bei entsprechendem Lichte betrachtet, hochinteressant oder künden vom morbiden Wegwerfwesen unserer Zeit. Mit so einem Stück Draht stand ich jetzt natürlich bei Frau BB schwer in der Schuld. Immerhin gelang es mir, sie mit meinem großen Enterhaken zu beeindrucken. Die Dame hat selbst nämlich auch ein Faible für Rost und Tand.

So kam es auch, daß wir auf dem Flohmarkt uns ungefähr eine gelogene halbe Stunde an einem Konvolut rostiger Nägel erfreuten, die zahlreichen medizinischen Gerätschaften inspizierten (die Dame ist ja vom Fach) und überhaupt eine Menge Vergleiche über die Krempelmärkte von Berlin und Hamburg anstellten. Während ich nach alten Postkarten und ausgestopften Tieren Ausschau hielt, schallte es der Spreepiratin nur "Bella was du suchen?" von hier und "Bella musse gucken!" von da entgegen. Fragte ich nach einem Preis, hieß es widerwillig, "15 Euro", deutete Mlle B. auch nur geringstes Interesse an, schrie der Mann schon von weitem "Funfe Euro"! Nur um sogleich nachzulegen: "Ach wasse, musse ich verruggt sein. Drei Euro, nimm mit!"

Ein wandelndes Rabattwunder, sage ich, bei dem es mich nicht wundert, daß man sie ohne einen Cent irgendwo in der Einöde aussetzen kann, ohne daß sie verhungert. (Außer, daß man ganz schön bekloppt sein müßte, sowas zu tun).

Am türkischen Obst- und Gemüsestand kaufte ich wie immer meine Bananen. Und was passiert? Während Frau B. neben mir mit Probestückchen allerlei exotischer Früchte gemästet gefüttert wird, grinst mich der Gemüsemann an und flüstert mir verschwörerisch ins Ohr: "Vorsicht mit Bananen! Machen Maschin' kaputt!"

Mir ist nicht völlig klar, was der gute Mann genau gemeint hat. Ich hoffe, es war nichts unanständiges. Aber was soll ich sagen? Ich habe recherchiert, es stimmt: Bananen machen impotent! Irgendwas ist mit den Pestiziden, aus denen diese Südfrüchte zur Hälfte bestehen. Das erklärt vieles in meinem Leben, aber nicht alles. Dennoch: Jungs, meidet Bananen, macht nicht die Maschin' kaputt. Sonst gibt es bald keine schlüpfrigen Contests mehr.


 


Sonntag, 4. September 2005


Boote zu Wasser lassen

I am human and
I need to be loved
Just like everybody else does

(The Smiths, "How Soon Is Now?")

Below the water there is even more water. And under the water is fire.

| von kid37 um 22:22h | | Link

 


Samstag, 3. September 2005


Stillhalten

Er besaß ein Zimmer, er hatte ein Bett, jeden Augenblick
konnte er nun von hier fortlaufen, dort hingehen.
Für Miß Glyzinia jedoch, die weinte, weil kleine Jungen groß
werden müssen, würde es nur dieses Wandern durch hinsterbende
Räume geben, bis sie an einem einsamen Tag den Verborgenen fand,
den Lächler mit dem Messer.

(Truman Capote. Andere Stimmen, andere Räume. 1948.)

In den letzten Tagen des Sommers, wenn die feuchten Nebel früher über das Wasser hereinrollen, wischt der Wind durch die matte Trägheit. Er weht ihn auf, den Staub, die bunten Papiere, in denen die Süßigkeiten verpackt waren, greift sich das ein oder andere verfrüht gefallene Blatt oder fährt unter die Planen, zerrt an den Booten und den grinsenden Tieren des Karussells auf der Wiese. Aber nur nachts.

Die hartgesotteneren Männer stehen jetzt mit einem doppelten Caro am Fenster, denn die letzte Party fällt aus. Die letzte Party feiern eh immer nur die anderen, denkt man. Und daran gibt es nichts zu rütteln. Drüben im Tierheim heult ein Hund. Ein alter grauer, wahrscheinlich. Der letzte Streuner, nun gut verwahrt. Es ist jetzt kühl. Es ist angenehm. Ich besitze ein Zimmer, ich habe ein Bett. Vieles fällt, vieles fällt ab. Nur die Schulter schmerzt. Mein Schildarm. Aber den wird die letzte Sonne noch wärmen.


 


Freitag, 2. September 2005


Hansestadt Kalau

Man kann über Hamburg sagen, was man will, aber eine gewisse weltoffene Toleranz ist durchaus spürbar. Wer - insbesondere im geschützten Grünanlagenverkehr - einen Slip anlegen möchte, kann dies selbstverständlich tun.
Im Stadtbild - und diese durchsichtigen weißen Hosen offenbaren da mehr, als man manchmal wahrhaben möchte - ist die Visible Panty Line ein oft ästhetisches Ärgernis. Modepolizisten aller Neigungsarten fordern daher häufig den kompletten Verzicht.
Nicht so Hamburg: Legt an, wenn ihr meint - eure Schiffe und auch eure Slips!


 


Donnerstag, 1. September 2005


So f*cking true!

Manchmal kommt die Wahrheit auf Easy-Listening-Sohlen:

So wahr, so charmant - der Soundtrack für einen schönen, depressiven Abend in der hauseigenen Lounge, während Gedanken und Augen rund um einen Gimlet oder Gin Tonic oder ein kleines Gläschen Absinth kreisen:

Everybody's F*cking But Me

Radau | von kid37 um 23:00h | 14 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 30. August 2005


La Grande Unentschlossenheit

Should I stay
Or should I go now?

(The Clash)

Manchmal, so abends am Fenster, denke ich, fahrt ihr doch alle weg - ich bin ja schon da. Aber dann ist das natürlich Blödsinn, man muß ja auch mal raus, andere Luft, Haut entblößen, Wind und Wasser spüren. Frankreich oder Ostsee, Frankreich oder Ostsee geht das Spiel seit einigen Tagen. Selbstverständlich hieße zu normalen Zeiten die Antwort immer "Atlantik!"

Gischt, Wind und Wettergerbung. Aber nun, vielleicht eine kleine Tour de L'Est oder doch alles anders. Paris oder Prague, Rheinland oder Hauptstadtmoloch - oder einfach Telefon ausstöpseln, Internet erschießen und mit einem Fichtennadelnaufguß auf den Speicher klettern. Schwitzen, brüten, staubsaugen. Oder am Hafen ein Bier trinken. Alles belegt, tönt es aus dem Rohr der Nautilus. Dann schmeißen Sie die Leute raus, denke ich - aber nur leise und für mich und schweige still und überlege mir für morgen Plan Z.


 


Sonntag, 28. August 2005


Ein Tag im Bloggerland

Hello, hello, my name is
Warren Suicide

(Warren Suicide, "Warren Suicide")

Das ist mir nun auch zum ersten Mal passiert: Sitze ich in der U-Bahn und werde von einer hochattraktiven jungen Frau angesprochen. (Ich denk' noch, was will die, ist meine Musik jetzt schon den Punketten zu laut?)
Als ich meine Ohrhörer herausgefriemelt habe
(Sie hören gerade: Radiohead, "Knives Out"), vernehme ich, "Bist du nicht kid37, der Blogger?" und gerate kurz ins Grübeln.

Wer, wo, was? Ja, tatsächlich, ich glaube, das stimmt. Es stellt sich heraus, es handelt sich um Hamburgs bekannteste Damentoilettenfotografin, die zudem ein hochgenaues Auge für Gesichter und irgendwann mal mein Foto gesehen hat.
Da war ich überrascht, denn ich hatte zwar mein T-Shirt mit Das hermetische Café an und diese Schale aus Aluminium (gegen die Strahlen) mit den aus Styropor gesägten, an Drahtspiralen aufgehängten Zahlen "3" und "7" auf dem Kopf - fühlte mich aber dennoch irgendwie mit dem Hintergrund verschmolzen unsichtbar.

Mal was Positives, denke ich, und shanghaie die Dame gleich für den Flohmarkt, zu dem ich untgerwegs bin. Allerdings muß ich rasch die Idee aufgeben, eventuell jemanden zum Tragen gefunden zu haben, denn Lady Grey hat bald schneller zugeschlagen, als ich "Meinen Sie wirklich?" sagen kann.

Für mich blieb nur der Pferdefuß, wie so oft im Leben. Ich widerstand allerdings (man kann sich nicht jedes tote Tier ins Haus holen) und begnügte mich mit Edward Goreys Katergorey und dem vergnüglichen kleinen Heimschnitzerfilm May. Auf dem Rückweg, jetzt aber zum Dritten!, traf ich erneut auf die kleine ringelbestrumpfte Japanerin, die immer in meiner U-Bahnstation Selbstporträts macht.

Fast hätte ich gefragt, "Lust auf'n Film?" und ihr die tödliche Schneiderin vor die kajalumränderten Augen gehalten (alle Japanerinnen lieben blutige Horrorfilme!). Aber dann fiel mir ein, daß ich heute irgendwie im Dienst war. Und erkennbar. Nicht inkognito. Nicht auszudenken, die ruft laut um Hilfe oder kann Kung-fu - und dann bekomme ich obendrein noch Flohmarktverbot.
Was wollte ich eigentlich sagen? Ach so, Herr Mequito, Herr Axel K. und weitere von der Neigungsgruppe "Suff und St. Pauli", schönen Gruß von der Gegengeraden, beim nächsten Bier sei man dabei!
Zu Hause dann noch ein paar konspirative Bloggerfäden gezogen - Frau Gaga, Sie hatten recht: Die netten Überraschungen (nicht immer nur Wasser durch die Decke) reißen nicht ab!

File under: Ein schöner Tag