Freitag, 3. Juni 2005


Malignes, Benignes

Mißmut legt sich über alles. Wie eine Decke aus Gleichgult. Ennui wäre schon zu aufgeladen. Morgens in den Spiegel und schauen und aus der unrasierten Haut "War da was?" murmeln. Kann man machen. Kann man auch nicht machen. Gestern ungefähr 20 Kubikmeter altes Papier entsorgt. Augeschnittene Zeitungsartikel, aufbewahrte Magazine. Kategorie: Was ich noch lesen wollte. Jetzt war es zu alt, um es noch zu lesen. Und noch nicht alt genug, um es unbefangen oder mit Entdeckerlust neu zu lesen.

Oder wenigstens in Ehren aufzubewahren. Nun ist es weg. Und natürlich ist kein Unterschied zu sehen, der Stapel ist immer noch hoch genug. Am Wochenende ist Bücherbasar. Ich habe eine Tüte als Spende bereitgestellt. Und werde wahrscheinlich mit zwei Tüten zurückkehren.

Mit den Erinnerungen verhält es sich ähnlich. Man pflügt und wühlt und trägt den alten Plunder zum Sammelcontainer. Und ist überrascht, wieviel sich immer noch findet. Unvermutet. Zwischen den Seiten alter Bücher. Vermengt unter den Wollmäusen. Man schaut unter das Eisenbett auf der Suche nach dem Nachtmahr. Oder aus anderen Gründen. Es findet sich und findet sich. Und sei es nur, weil jemand fremdes in die staubigen Ecken leuchtet.

Der Pathologe rät: Immer im Gesunden schneiden.


 


Donnerstag, 2. Juni 2005


MetaMetaMeta

Ich habe es jetzt auch gelesen, sagt sie. Es klingt alles so, nun ja, herablassend.
Sag' ich doch, sage ich.
So schwer nach, "ich weiß ganz doll Bescheid".
Ja, meine ich. Demut ist eben ein hartes Brot.
Ich bemerke, es sei Ein Kessel Ödnis, und sie lacht.
Manche wissen eben, wann man die Klappe halten muß, meine ich. Andere prahlen herum. Das ist schon bitter.
Nimm doch noch ein Stück Ananas, sagt sie und grinst mich an. Dann lachen wir beide los, ein wenig frech und wirklich nur ein kleines bißchen zu laut.


 


Mittwoch, 1. Juni 2005


Eine einzige Mäusekatastrophe

Cool ist ganz klar, was ein Mann an seinen schlechten Tagen macht.

Klaus Lemke in der Süddeutschen.

Super 8 | von kid37 um 13:00h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 29. Mai 2005


Last Exit Hasselbrooklyn

Lyssa sperrt Männer in Käfige (rein literarisch selbstverständlich)
und Don D. grinst sich eins

Das sonnige Wochenene fand heute einen höchst angenehmen Ausklang. Nach dem schwülwarmen Flohmarkt am Samstag nämlich, über dessen Beute, einer angerosteten Industrielampe aus Eisen, ich heute alle exaltiert in Kenntnis setzen mußte, egal, ob sie es hören wollten oder nicht (meist natürlich nicht), folgte heute der mild-warme Flohmarkt am Immenhof (kein Pony, keine Heidi Brühl) - und dazu leckerer Kuchen in noch leckerer Begleitung.

Danach wollte ich heute mal nicht fehlen, wenn die Rederei Hamburg Blogprominenz zum Kaffee.Satz.Lesen aufbietet. Die Örtlichkeit hatte mich sowieso interessiert, denn früher habe ich sozusagen fast gegenüber gewohnt. Noch heute gehe ich ab und an in der Factory auf der anderen Seite der Gleise essen. Das Restaurant ist in einem ehemaligen Bahnhof mit lauter (nicht so rostigen) alten Industrielampen untergebracht, Karte und Preise sind angenehm moderat, und der ganze Laden kaum überlaufen. Ein Vorteil der Nicht-Szeneviertel. Im übrigen liegt alles nur zehn Fußminuten von meiner neuen Wohnung entfernt. Außerdem, und nun aber wieder zurück zum Kaffesatzlesen, war ja die Kaltmamsell in Hamburg, da wollte ich gerne Guten Tag sagen.

Es gab also Blogger galore auf der Bühne und im Publikum. Don Dahlmann las was von alkoholischen Nächten auf dem Schloß und Lyssa was von kulinarischen Tagen auf dem Bauernhof, und beide ließen dabei das von ihren Blogs gewohnte Hirn und die Grandezza nicht missen. Echte Brüller waren übrigens auch die lakonischen Texte von Ina Bruchlos, von denen läse ich gerne mehr.

Anschließend gelang es selbst den so lockenden wie geballten Überzeugungs- versuchen von Lyssa, Cassandra und der Kaltmamsell nicht, mich noch zum allgemeinen Flammkuchenumtrunk zu bewegen. Meine Miteinanderdosis für diesen Tag war wirklich erreicht. Bei mehr kippe ich nämlich sozialhagelvoll hintenüber. Entschuldigung. Ein anderes Mal gerne. Es war aber wirklich nett, zumindestens kurz mit Isa und dem Herrn Paulsen geplaudert zu haben. Merci.


 


Samstag, 28. Mai 2005


...

Und jetzt halten wir alle mal kurz die Luft an.

Ich drück dich.

| von kid37 um 22:16h | | Link

 



Heiße Phase Fußballfieber

Natürlich ist es noch ein wenig früh. Aber nun, da die Tickets verkauft und die Tage bis zum Anpfiff der Fußballweltmeisterschaft 2006 gezählt sind, heißt es, sich rechtzeitig warmlaufen. Möglicherweise kamen hier die angeblich echt männlichen Themen bislang zu kurz. Möglicherweise aber möchten sich auch die fußballbegleitenden Damen ein wenig vorbereiten, wenn nächstes Jahr das große Turnier angepfiffen wird. Kam es zuvor zu hitzigen Debatten vor dem Televisionsgerät, weil der nervöse Gatte keine unqualifizerten Bemerkungen duldete, werden die Übertragungen im hermetischen Café ein Fest der Kicker-Aficionados. Wie kommentiert man ein Fußballmatch? Nichts leichter als das mit ein paar gängigen Expertensätzen. Üben Sie gleich heute abend, beim großen Pokalfinale!



Vor dem Anpfiff

Herrlichstes Fußballwetter. Der Rasen gleicht einem Acker. Der Platzwart hat hier alle Hände voll zu tun. Jetzt ist der Rasen natürlich schwer. 50000 begeisterte Fans. Ein Fußballfest. Der schwedische Schiedsrichter hat zuletzt das Endspiel in San Siero gepfiffen. Die Weißen spielen von links nach rechts. Uns erwartet eine Galavorstellung. Das wird ein spannender Fight. Für beide Mannschaften geht es heute um nichts. Jetzt ertönt der Pfiff. Nun heißt es Daumen drücken.

Der Anstoß

Die ersten 45 Minuten haben begonnen. Ich hoffe, Sie haben sich auf eine Verlängerung eingerichtet. Das wird ein vorsichtiges Abtasten. Das wird ein offener Schlagabtausch. Beide Teams sind taktisch hervorragend eingestellt. Die Pärchen haben sich schon gefunden. Wie erwartet: Die Nummer Zehn wird eng gedeckt. Der wechselt ja für zehn Millionen. Man nennt ihn auch den Alpen-Maradonna.


Das Spiel dauert 90 Minuten

Er kann sich quasi die Ecke aussuchen. Elegant vorbeigespitzelt. Frech getunnelt. Super gemacht. Zum Zungeschnalzen. Drei Ecken, ein Elfer, sagten wir früher. Für die Galerie. Die Fahne war oben. Da gibt es nichts zu rütteln. Die Zeitlupe sieht es anders. Geschickt abgelaufen. Da muß er selber lachen. Bringt nichts ein. Sollte er lassen. Ja, der Schiedsrichter zieht gelb. Muß er sich gar nicht beschweren. Jetzt muß er aufpassen. O, das ist bitter. Damit fehlt er im nächsten Spiel. Seine Frau kriegt jeden Moment ein Kind. Die Fans fordern Elfmeter. Links wie rechts. Der ist ein Taktikfuchs. Ein Urgestein. Ein Zuckerpass. Eine Traumflanke. Genau auf den Kopf. Den konnte man nicht vorbeischieben. Au weia, er schiebt ihn vorbei. Das wird der Trainer nicht gerne sehen. Hat ja noch Vertrag bis 2007. An dem sind auch die Bayern interessiert.

Er wechselt ständig die Seite. Einfach nicht zu fassen. Geschickt ausgetanzt. Das kam mit Ansage. Den Ball konnte er nie und nimmer mehr erreichen. Da geht er rein in den Mann. So geht man nicht rein in den Mann. Den wollte er haben. Und er kriegt ihn auch. So was wollen wir nicht sehen. Ein böses Foul. Ein bemerkenswert faires Spiel bislang. Die Fans fordern Elfmeter. Steil geschickt. Auf die Außen. Wie aus dem Lehrbuch. Wenn jetzt noch ein Tor fällt, dann geht noch was. 5:0, wer hätte das vorher gedacht. Das ist wie Rasenschach. So theatralisch muß man nicht fallen. Das waren gut 30 Meter. Die Fans fordern Elfmeter. Der Schiedrichter schaut auf die Uhr. Klares Abseits. Was für eine Dramatik. Nur noch 1:4! Der läuft die 100 Meter in elf Sekunden. Aber nicht mit Ball. Der war noch abgefälscht! War das knapp. Das ist ein Spiel auf ein Tor. Das Spiel wogt hin und her. Not gegen Elend. Tja, so ist die Vorrunde. Die einen wollen nicht und die anderen können nicht. Dieses Unentschieden hat keinen Sieger verdient. Warum gibt er nicht ab? Zu eigensinnig. Klarer Elfmeter. Links der Mann stand frei. Das würde ich gerne noch mal in der Wiederholung sehen. Da haben sie einfach gepennt. Da fällt er einfach um! So einen Weltklassespieler darf man nicht ungedeckt stehen lassen. Da hat er sie alle stehen lassen. Der darf schon mal zum Duschen.

Wie ein Strich. Wie an der Schnur aufgezogen. Was für ein krummes Ding. Das war zuletzt im Endspiel 1974 so. Ganz klar gehalten. Das ist eben nicht erlaubt. Ein britischer Schiedsrichter hätte das durchgehen lassen. Das sieht böse aus. Nein, der kommt nicht mehr zurück. Der ist 1,90 m groß. Der hat Schuhgröße 52. Hervorragend angetäuscht. Ansatzlos. Direkt abgezogen. Volley.
Hacke, Spitze, einzweidrei. Warum auch nicht. Die Fans fordern Elfmeter. Junge, Junge. Den hat er Vollspann abgezogen. Die Fans feiern La Òla.

Da ist er drin

Der zappelt im Netz. Was für ein Tor. Das Tor des Monats. Das Tor des Jahres. Was für ein überflüssiges Tor. Den hätte er haben können. Den hätte er haben müssen. Der war unhaltbar. Da kullert der rein! Ein lupenreiner Hattrick. Eine Granate. Eiskalt verwandelt. Mit dem Kopf über die Linie gedrückt. Aus unmöglichem Winkel. Direkt verwandelt. Das war jetzt so klar. Quasi aus dem Nichts. Boaah. Waaahnsinn.

Aus! Aus! Das Spiel ist aus!

Und da liegen sie sich glücklich in den Armen. Schauen Sie sich das an. Diese Freude. Ich glaube, er weint. Und auch sie reichen sich zum Abschied die Hand. O, das war bitter. Da bin ich auf die Analyse gespannt. Wir waren Zeugen eines echten Fußballkrimis. Was für eine Tragödie. Glück und Pech, was liegen sie manchmal so nah. Die Fifa wollte ja den Trikot-Tausch verbieten. Was werden sie jetzt jubeln. Auch daheim. Wer hätte das gedacht. Ergebnis nach Plan. Ein Arbeitssieg. Ein echtes Fußballwunder. Das ist Fußball. So hart kann Fußball sein. Zum Glück ist es nur Fußball. Seien wir ehrlich, sie hatten es verdient. Die haben es auch nicht verdient. Am Ende zählt nur das Ergebnis. So sehen Sieger aus. Die hatten halt ein Tor mehr. Null zu Null, das reicht nicht zum Sieg. Egal. Mund abwischen. Abhaken.

In den nächsten Folgen:
Verlängerung. Elfmeterschießen. Die Deutschen wieder im Endspiel.


 


Freitag, 27. Mai 2005


Schau mich an

Ich mag den Silberblick von Amanda Peet.

Aus der Reihe: Bemerkungen, die man immer mal gemacht haben wollte.

Super 8 | von kid37 um 13:35h | 22 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 27. Mai 2005


Neue Kleider, alte Kaiser

Partly politic
Heads will roll
Mostly politic
God must call
Till the winning hand does belong to me

(Echo and the Bunnymen, "Heads Will Roll")

Als ich heute vom Aktzeichnen kam, dachte ich über die Worte meines Dozenten, eines anerkannten Malermeisters, nach. Ob ich den Realismus nicht gleich überspringen und gleich das Kubistisch-surreale ansteuern wolle? Streichen wir aber das "Surreale", meinte ich, da bin ich empfindlich. (Nachher muß ich Fische durch den Himmel fliegen lassen.) Mein Erfolgserlebnis sei schneller größer, meinte der Meister. Effizient gedacht, das mag ich. Zumal mein Kopf in letzter Zeit eh von Begriffen wie Synergie und Zeitgewinn überschwemmt ist.

In der Gartenzwergfabrik beginnt nämlich jetzt auch endlich für unsere kleine Dienststelle die Fastenzeit und das große Köpferollen. Namen werden noch nicht genannt, der Spannung halber, denn spannende Sachen haben wir uns aufs Tapet geschrieben. In der Versammlung verkündete der Chef aber bereits zur allgemeinen Verwunderung, meine Einmann-Abteilung gäbe es ja gar nicht.

Seither verlange ich, mit "The Man Who Wasn't There" angeredet zu werden. Mein Kopf kann also nicht rollen, denn ich bin gar nicht da. Da ist das Schöne, wenn man vogelfrei ist. Da kann man den Kopf einziehen, Fische statt Vögel fliegen lassen, den ganzen Tag unbekleidet herumlaufen, weil es einen ja sowieso nicht gibt, und allerlei Schabernack treiben. So lange, bis wir alle neue Kleider haben. Die Zukunft nämlich ist schick und elegant.

Und so betrug es sich, als die kaiserlichen Berater eine große Volkszählung veranlaßten, daß die freien Mitarbeiter nicht wußten, in welche Abteilung sie sich begeben sollten. Denn sie waren nackt wie im Paradiese, und keiner der Köpfezähler konnte ihre Kleider sehen. Ein surrealer Traumtanz in der Kleiderkammer. Wie schön. Jetzt kann der Sommer kommen.