Sonntag, 4. Januar 2004


TMAX 100

Grandios, das erste Shooting in diesem Jahr. Zwei sehr nette und patente Damen. Beim Öffnen der Prosecco-Flasche brach mein Flaschenöffner von IKEA auseinander - man stelle sich das vor! Aber eine der beiden organisierte lässig ihr Schweizer Messer. Das lobe ich mir. Aber dieses schwedische Möbelhaus... am besten, ich frag mal wie das ist mit der zweijährigen Gewährleistung.
Wenn ich mir die Reihe unentwickelter Filme anschaue, habe ich aber wohl besseres zu tun als zu IKEA zu fahren.
Und nun? Fahr ich noch ins Molotow oder schlafe ich mich endlich mal aus?

Homestory | von kid37 um 00:15h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 3. Januar 2004


Arsenik

Diesen Mann muß ich sofort konsultieren. Ob er auch 10 Euro Praxisgebühr verlangt oder entfällt diese Gebühr bei Fernheilung?

"Neuvitalisierung, Kur durch moralisches Serum:
Luc Taon, Wilsonstraße 8, Bordeaux
Professor der okkulten Wissenschaften.
Psychotherapie durch Magnetismus, Radioaktives Fluidum, Neubelebung durch Hypnose, Suggestion, Naturismus. Steigerung natürlicher Abwehrmitteln durch Sympsychie.
Heilung aller Ängste: Platzangst, Angst vor Nacht, Angst vor Mikroben und dem Altern, Phobien, Veitstanz, Zwangszustände, Verfolgungswahn, Manien, fixe Ideen, Passionen, sexuelle Perversionen, Impotenz, etc. werden durch mein persönliches Fluidum geheilt. Auswärts wohnende Personen durch Fernwirkung mittels radioaktiver Ausstrahlung."

(aus: Claire Goll. Arsenik oder Jedes Opfer tötet seinen Mörder, 1933.)

Ex Libris | von kid37 um 00:36h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



I'm Alive

2004 - here we are now... Um dem ganzen suizidalen Mist zu entgehen, floh ich dann doch nach Berlin. Grandiose Altbauwohnungen am Prenzlauer Berg lockten, liebe Menschen und leckeres Essen. Schon die Fahrt von Hamburg in die Hauptstadt, in die Dunkelheit hinein, war wie eine Befreiung. Dennoch umfing mich gleichzeitig auch Melancholie, als ich in Berlin ausstieg und die ersten Raketen in Grün und Rot am Himmel zerstieben sah. Auf der U-Bahn-Station randalierten schon Betrunkene, zündeten polnische Megakracher und Lichtfontänen. Ein echter Tearjerker für mich. Erinnerungen an geflüsterte Versprechen. Erinnerungen an das letzte Jahr. Erinnerungen an das letzte Silvester.

"I still have visions of you/I still have nights to get through"

Eine Umgebung aus halbfremden Menschen hat den Vorteil, daß man gewissen sozialen Zwängen ausgesetzt ist. Man muß sich zusammenreißen. Niemand interessiert sich für die emotionalen Petitessen anderer Leute. Zumal ich der "odd man out" war, derjenige, der in diesem eingeschworenen Kreis der Neuzugang war. Und sich erst einmal die Sporen verdienen mußte. Gelegenheit dazu gab es beim "Lexikonspiel", einer gehobeneren Variante von Stadt-Land-Fluß. Oh, was waren wir kreativ und lustig! Und ich lernte "Kümmernis" kennen: Auch als Hl. Hulpe und Wilgefortis bekannt. Eine Heilige ohne Kirche, die oft als gekreuzigte Jungfrau mit Dornenkrone und Bart (der wuchs ihr, um ihre Jungfräulichkeit zu schützen) dargestellt wurde. Man stelle sich vor! Und mit nur einem goldenen Schuh. Ist das nicht ergreifend?

Dazu ein leckeres Essen. Ein echtes Menü. 15 Vorspeisen. Entschuldigung: Antipasti. Als Hauptgang: Lamm. Oh, Agnus dei! ("The pillow smothered my cry") Als Nachtisch Tiramisu. Alles sehr lecker. Natürlich konnte das Tiramisu nicht an das Geheimrezept einer alten Freundin... gut, aber egal.

Das Feuerwerk über dem Prenzlauer Berg? Ja war ok, nicht wirklich berauschend. Aber wie man gleichzeitig live im TV sehen konnte, wurde das Pulver wohl hauptsächlich am Brandenburger Tor verschossen. Wir hatten Wunderkerzen. Und wünschten uns ein Wunder. Und wünschten uns, die Zeit zurückdrehen zu können. Wunderkerzen sind das Sentimentalste, was es gibt. Gegenüber die Menschen hatten auch Wunderkerzen. "Sieh, so sahen wir auch aus." An diesem Abend wollte niemand sterben.

"But I'm alive/I survived you."

Dann war das 23-er Jahr endgültig zu Ende. Brenne, 2003, hier kommt 2004. Ein Gewährsmann erklärte mir, daß 2004 sich in eine 33 auflösen lasse. Eine Glückszahl. Darauf wurde Blei gegossen. Ich hatte wieder einmal etwas extraterrestrisches. Oder obszönes. Ich einigte mich auf eine Vase und einen Zweig. Ich werde mich verlieben und alles wird von Erfolg gekrönt. Das möchte ich mich dann Anfang 2005 noch einmal fragen lassen. 2003 habe ich mehrere für mich wichtige Menschen verloren. Nicht immer lagen die Gründe auf der Hand. Es war ein schmerzhafter Prozeß. Aber nun soll alles neu beginnen. Ich möchte zurück ins Rheinland. London Rain hat sich nicht gemeldet. Andere feierten wohl lieber mit Klapperschlangen. Aber ich, ich habe Glück gehabt. Und kann es doch nicht festhalten. Am nächsten Morgen holte ich Brötchen im Café unten im Haus. Die Bedienung strahlte mich an. Oben warteten warme, verschlafene Gesichter in Schlafanzügen. 2004, here you come.

"And the bitter taste, the years I wasted/All the hate is gone"

Berlin. Es war bitter kalt. Die frostige Luft schnitt durch mein Gesicht. Und durch mein Herz. Berlin. Ich stand am Potsdamer Platz und wußte, ich verstehe dich nicht, Berlin.

"Ride on and fade away/There's nothing more to say"

[Zitate: Heather Nova, I'm Alive]

Homestory | von kid37 um 01:07h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 31. Dezember 2003


Die letzte Schöne des Südens

Oh, ich hab's verbockt:

"Was immer an Reife des Fühlens sich in ihrem Ausdruck ansammeln mochte, wurde von schierer Albernheit zugedeckt, sobald sie mit der Feder zum Schreiben ansetzte. Da war viel die Rede von "deinem Gefühl für mich" und "meinem Gefühl für dich", und Sätze begannen mit "Ja, ich weiß, daß ich sentimental bin" oder noch plumper [...], und dann unweigerlich viel Zitieren aus gerade populären Schlagertexten, als drückten diese die Gemütsverfassung der Briefschreiberin besser aus als eigene sprachliche Klimmzüge."
(F. Scott Fitzgerald, Erste Leidenschaft)

Na gut. Ich erkenne mein Versagen. Ich war schon immer sentimental.
(... "the emptiest of feelings" Radiohead, Let Down).

Ex Libris | von kid37 um 02:08h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



I'm alive I'm a mess

Ok, mich hielten schon viele für etwas weich in der Birne. Auf dem Weg nach 2004 geht dies noch raus an eine spezielle Person (he, werden wir jetzt hier persönlich?).

So keep me in your bed all day
Nothing heals me like you do
And when somebody knows you well
Well there's no comfort like that
And when somebody needs you
Well there's no drug like that

Wobei ich es nicht so gut sagen, wie es Heather Nova singen kann.

Radau | von kid37 um 01:16h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 30. Dezember 2003


Die Sterne lügen nicht

Aus dem Petra-Jahreshoroskop 2004: "Venus holt die größte Schwäche ihrer Beziehung ans Licht: Ihre Kontrollsucht. Kaum geht ihr Liebster mal aus, schon schrillen bei Ihnen alle Alarmglocken. Jeder Millimeter Spielraum, den er sich nimmt, wird mit Tränen und Szenen bestraft: Sie lassen nichts unversucht, ihn in den Fängen zu halten. Und er? Macht sich rar."
Genau deshalb bin ich schon rar.

"Mother, I tried, please believe me/I'm doing the best that I can/I'm ashamed of the things I've been put through/I'm ashamed of the person I am"
(Joy Division, Isolation)

Homestory | von kid37 um 01:10h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 29. Dezember 2003


Körperspenden

Das Thema ist ja nun wirklich durch. Deshalb wollte ich eigentlich überhaupt nicht mehr hin. Aber da es nun so was von durch ist - konnte ich ja auch mal hingehen. Liebenswerterweise war mir der Katalog zur Ausstellung "Körperwelten" schon 1997 aus Mannheim mitgebracht worden. Man war also präpariert. Ausserdem habe ich während meines Studiums eine zeitlang in der Pathologie gearbeitet. Man war also doppelt präpariert.

Etliche Raucherlungen später dann die dumpfe Erkenntnis: Och jo, ein büschen öde ist das dann doch. Das dritte Plastinat bringt nur noch den reichlich durch die Ausstellung dozierenden Medizinstudenten frivole Erkenntnis, dem interessierten Laien aber ist bald Pankreas, Nierchen und Herzeleid ganz einerlei. Zudem - und jahreszeitlich induziert - mag der kritische Blick von der lautstark gepriesenen Filigranarbeit nicht viel erblicken. Manche Rippenbögen erinnern an nachlässig abgenagte Gänseviertel vom Weihnachtsdiner. Überall noch leicht schmuddelig wirkende Reste. Aber filigran ist relativ, und wahrscheinlich ist das, was dieser Beuys der Knochenschnitzer mit seiner patentierten Technik hinbekommt, schon mehr als sich das Medizinerherz jahrhundertelang erträumen konnte. Geschenkt. Diese Ausstellung erzeugt auch keine moralischen oder ethischen Probleme. Hier wird auch nicht die Würde von Lebenden oder Toten verletzt. Diese Austellung bietet ein rein ästhetisches Problem.

Lieber Gunther von Hagens: Einem an die 20.000 Marks teurem Ganzkörper-Gestalt-Plastinat wie dem "Schachspieler" stellt man doch kein billiges Reiseschach im Aufklappkistchen vor die Finger, was bei Kaufstadt 19,95 gekostet hat! Das ist total lieblos und UNÄSTHETISCH! Da kann man doch wohl mal 'nen Tausender locker machen für ein edles, schönes, wirklich künstlerisches Schachspiel, das dem tödlichen Ernst des Spielers und der Würde des Spenders angemessen wäre.

Noch schlimmer: Dieser Memento-Mori-Mann mit der Eieruhr in der Hand. Mich hätte fast der ästhetische Schlag getroffen. Da drückt man einem Ganzkörper-Plastinat, in das so viel Mühe und Kunststoff geflossen sind, völlig lieblos ein dermaßen unedles und kitschiges Pseudo-Antikteil in die Gummifinger! Unglaublich. Eine potthäßliche, künstlich auf "alt" getrimmte Sanduhr aus dem Fantasy-Rollenspiel-Bedarfsladen für 5, 75 Euro. Oder von einem dieser Mittelalter-Märkte, auf denen man auch "echte" Langschwerter für den Hausgebrauch kaufen und Pseudo-Met aus Tierhörnern trinken kann. Das sieht ja aus wie im Zimmer eines 16-jährigen Cradle-of-Filth-Fans! Man ist pikiert.

Meinen Aufnahmeantrag als Körperspender habe ich noch an Ort und Stelle zerrissen. Hier wird meine ästhetische Würde empfindlich gestört.
Aber die Lunge, die sich anfühlte wie ein Wutball, die war schön. DAS wäre mal eine Idee für diesen gleichfalls aufs obszönste verkitschten Museumsshop.

Flanieren | von kid37 um 00:03h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Ehrlichkeit

Das muss mal ehrlich gesagt werden: Viele, die sagen "Ich bin halt immer ehrlich", sind einfach nur rüpelhaft, unverfroren und schlecht erzogen. Sie leben nach dem Freunde-des-Fisherman-Motto: Bin ich zu hart, bist du zu schwach.

Zwillingsforschung | von kid37 um 09:52h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 27. Dezember 2003


Insomnia

Offiziell ist Weihnachten seit zwei Stunden vorüber. Ich schlage drei Kreuze - und kann dennoch nicht schlafen. Dabei wurde ich heute nachmittag mit selbstgebackenem Kuchen überrascht. Sehr lecker. Leider habe ich den Eindruck, die mir entgegengebrachte Aufmerksamkeit zur Zeit nicht adäquat zurückgeben zu können. In meinem Kopf und meinem Herzen finden Aufräumarbeiten statt.
Vorsicht: Der Volksglaube sagt, keine schmutzige Wäsche zwischen den Jahren waschen. Sonst kommt man das ganze neue Jahr aus der Arbeit nicht mehr heraus.
Am Abend habe ich mich telefonisch analysieren lassen. Nicht immer angenehm, aber hilfreich. ("Got to find a therapy/treatment takes too long" Joy Division, 24 Hours) Die Wirkung wird aber wohl nicht lange vorhalten. Mein Jahreshoroskop verheißt mir Gutes, allen anderen Sternzeichen aber auch. Dann wird eben alles gut, und alle sind glücklich.

Homestory | von kid37 um 03:08h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 25. Dezember 2003


Lesefutter

So, gerade mal den Weg zum Hauptbahnhof gewagt. Noch eine Geburtstagskarte für meinen Bruder eingeworfen und durch die etwas pompös benannte "Wandelhalle" geschlendert. Die Leute sind schon merklich aggressiv, dabei ist heute erst (schon?) der erste Feiertag. Unausgeglichene Kinder randalierten bereits in der U-Bahn, erwachsene Männer bekamen beim Bäcker eine Krise, weil sie kein "normales" Brötchen bekamen. Es ist allerdings auch ein Kreuz mit diesen 4-Korn-, 5-Korn-, 6-Korn-, Weltmeisterbrötchen. Der Mann hat recht: Es gibt keine einfachen Dinge mehr. Es ist alles kompliziert! Beispiel: Tarife fürs Mobiltelefonieren.



Dafür gibt es jetzt Zeitschriften, die sich schlicht "Deutsch" nennen und Texte in eben dieser Sprache beherbergen. Ich hab das Teil zuallererst wegen der Fotostrecke von Ellen von Unwerth gekauft. Nein, den Ausschlag gab ein Artikel über Tabea Blumenschein, von der ich seit Jahren nichts mehr gehört, über die ich mich neulich aber erst mit meiner Kollegin unterhalten habe. (Einige werden sich erinnern: Tödliche Doris et al.) Gäbe es nicht die komplizierten Probleme in meinem Leben - ich könnte so glücklich sein.
Mit den einfachen Dingen.


 



Please

So you never knew love
Until you crossed the line of grace
And you never felt wanted
'Til you had someone slap your face
So you never felt alive
Until you'd almost wasted away

(U2 "Please")

| von kid37 um 03:29h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Melodrama

Und - alle geheult bei "Ist das Leben nicht schön?"
Nicht? Macht doch mal, ihr Hartherzigen!

| von kid37 um 02:44h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link