Freitag, 13. Dezember 2013


Wenn die Lady nicht mehr singt



Es gab zuletzt immer wieder Probleme, nun hieß es Abschied nehmen von der Lady, die einzige, die mir zuletzt im Haushalt ein wenig zur Hand gehen wollte. Aber nachdem sie erst kein Wasser mehr ziehen und beleidigt spielen, dann - nach Warten, Zureden und kleinen Tricks - mir auf einmal beweisen wollte, daß sie sehr wohl auch anders könne und zwar so richtig versaut und mir unerwartet ihre Feuchtgebiete vorführte - dafür aber "haushaltährisch" (wie es bei den Leistungsträgern heißt) keinen Finger mehr rührte -, war es das dann.

"It's a Mens World" heißt seit einiger Zeit das neue Lied in dieser kleinen Konzertmuschel, die meine Küche ist. Gerne - die ein, zwei Menschen, die mich persönlich näher kennen, erinnern sich - erzähle ich an Abenden, die sonst ins langweilige zu kippen drohen - die launige Kennenlerngeschichte meines Einbauherdes. Den ich am Ende dann doch erst mal wieder selbst ausbauen und einbauen mußte. Diese Erfahrung bremste mich etwas bei den Überlegungen, wie ich das mit der Spülmaschine halten sollte. "Laß das bloß machen", rieten mir Stimmen aus dem sozialen Umfeld, das ich daraufhin reduzierte. Denn, wie heißt es so schön, willst du es richtig gemacht haben, mach es selbst.

Es kamen dann doch zwei flotte Jungs, irgendwie fühlte ich mich dann derzeit nicht so nach auf dem Boden und unter Arbeitsplatten herumkriechen. Die packten die Lady grob, schleppten sie ächzend die vielen gewundenen Stufen hinunter zur Straße und schmiegten dann das junge aufgebrezelte Spülrehlein in die zahnlückenklaffende offene Wunde der Küche (was da noch an ungenutztem, nur von Staub bewohntem Stauraum zu Tage trat!).

"Und was ist mit dem Abstandsbrett?" fragte ich und deutete auf das nun deutlich schräg stehende schmale Brett zwischen Maschine und dem angrenzenden Eckkorpus. Es folgte ein Gewackel und Gestreichel des Monteurs, wie ich denn auf dies schmale Brett kommen könne?, dann der Befund: "Das muß so." Spontan, ich weiß nicht, wie es geschah, fiel mir die Geschichte meines Einbauherdes ein. Wer sich bereits jetzt schon nicht mehr daran erinnern kann, hier kann man das alles nachlesen. Auf Zuruf erzähle ich es aber gerne noch mal! Ich sag nur, "der steht doch wohl nicht auf dem Kabel?"

Bereits erschöpft vom bloßen Zusehen beim muskelkräftigem Gerumpel, Knarzen und Geschiebe, sah ich mich im Geiste schon die Stichsäge aus dem Keller finden holen, komplementierte die Jungs also auf den Rest ihrer Auslieferungstour, wünschte nachgerade eine gute Fahrt mit all den schicken Geräten durch den sozialen Brennpunkt hier, einen schönen Tag und alles Gute noch und hier, ein kleines Trinkgeld. "Das muß so", rätselte ich, fern eines Anfangsverdachts, darüber nach, warum der Austausch eines 60-cm-breiten Geräts gegen ein anderes 60-cm-breites Gerät zu solchen, nennen wir es geradeheraus, schrägen Verwerfungen führen sollte. Beschloß aber, dieses angebliche müssen erst einmal zu lassen.

Bis ich dann die Schublade des über Eck stehenden Nachbarschranks öffnen wollte, wo ich, falls ihr hier einmal was sucht, neben Geschirrhandtüchern all das Gerumpel aufbewahre, das in einer Küche anfällt: Batterien, vertrocknete Gummiringe, ein altes BIC-Feuerzeug, ein kleiner verchromter Haken für Handtücher, eine Betriebsunterlage, mein Sturmflutwarnfaltblatt, drei Heftzwecken, vergilbte Klebeetiketten - denn sollte ich mal irgendwann einen Gefrierschrank besitzen, habe ich immerhin schon Klebeetiketten - etwas Küchenschnur - und dazu Krimskrams, den ich im Leben nicht mehr brauchen werde. Was man halt so hat. Jedenfalls ging die Lade nicht mehr auf. Geblockt von der neuen Spülmaschine.

Das sind ja diese Momente im Leben, wenn einen plötzlich die widersprüchlichsten Empfindungen anfallen. So, wie wenn man jemanden bei einer plumpen Lüge oder einer absurden Anschuldigung ertappt, die Geliebte in flagranti oder sich selbst mit der lang gesuchten Brille auf der Nase - man weiß nicht, soll man schallend lachen, vor Wut zerplatzen oder beides. "Das muß so", murmelte ich also in einer gewissen "Is klar"-Erleichterung, darüber, daß Ursache, Fehler und Folge so rasch gefunden waren. Irgendwie fiel mir da wieder die gern erzählte Geschichte meines Einbauherdes ein und in stoischer Gelassenheit und innerem Schulterzucken holte ich den Werkzeugkoffer, schraubte - beinahe beschwingt, aber auch mit einer leisen Gehässigkeit, das Liedchen vom fröhlichen Handwerker pfeifend - die Befestigungsschrauben raus, schob die Maschine vorsichtig etwas weiter nach hinten, das Ausgleichsbrett wieder in die richtige Position - und verbrachte dann den restlichen Nachmittag damit, in einem, ich will ganz ehrlich sein, nur schwach verhüllten durchaus billigem Triumph, die Schublade immerfort rein- und rauszuschieben, dabei "DAS MUSS SO!" in unterschiedlichen Betonungen rufend.

Die Neue ist jetzt, nun ja, neu. Sie hat so eine Klaviatur aus schwabbeligen Kunststofftasten, dazu ein Display für allerlei Einstellungen und Gemütsäußerungen. Ich bin sicher, irgendwo kann die auch Radio empfangen. Ein berühmter stadionfüllender sogenannter Komiker würde sagen: "Radio. Kennt ihr vielleicht noch. So Sender mit eigener URL. Aber im Äther, nicht im Internet." Egal. Die Neue kann jedenfalls viel, aber wenn es nach mir ginge, bräuchte die das alles gar nicht. Mir reichten drei Kippschalter: Falls Mutter kommt, Komm, is OK und Für Gäste.

Wir fremdeln noch. In meinem Alter läßt man sich nicht mehr so leicht auf neue Mitbewohner ein. Ich glaube, die Neue könnte ein wenig launisch sein. In der übersichtlich gehaltenen Gebrauchsanweisung sind zwar Themen wie "Intensivzone" und "Hygiene" ("Ehe" ist dazu ja heute nicht mehr nötig) erwähnt, zugleich aber auch immerhin mehrere Seiten dem Thema "Störungen" gewidmet. Probleme hat man ja in meinem Alter nicht mehr so gerne. Nicht, daß die nächtelang Dinge bereden will, statt einfach zu Spülen. Würde ein berühmter stadionfüllender sogenannter Komiker jetzt sagen und dafür tausendfaches Gegacker ernten. Ich denke so etwas nicht einmal. Nicht mal still. Soll einfach laufen. So wie die Lady jahrelang. Ach.

(Nächste Woche dann aus der beschämend banalen Reihe Das Jahr der Großelektro: Herr Kid bekommt einen neuen Kühlschrank und beschließt, diesmal die Sache von vornherein in eigene Einbauhände zu legen. An Kaminfeuerabenden später bekannt als: "Eigenes Tun, neue Probleme.")