Mittwoch, 22. Mai 2013


Far from the Maddin Crowd



Nur mal so fürs Albtraumprotokoll: Im Laufe der Jahre hat sich auf und unter meinen Tischen eine Menge schneebedecktes Zeugs von Guy Maddin angesammelt. Die wichtigsten Filme, denke ich, ein bißchen Literatur (empfehlenswert: William Beards Into the Past: The Cinema of Guy Maddin, das Maddins Schaffen bis 2010 beschreibt) und Notizen für eigene Ideen. Sein Tales from the Gimli Hospital gilt als kleiner Kultstreifen für Gothic-Fans, so wurde Maddin über Cineastenkreise hinaus bekant. Die anderen kennen womöglich seine preisgekrönte Pseudo-Doku My Winnipeg oder den hübsch melodramatischen Berlinale-Beitrag The Saddest Music in the World. Darin spielt Isabella Rossellini die Erbin eines Bierbrauerimperiums, die durch einen Unfall verkrüppelt wurde. Statt Beinen trägt sie nun zwei Prothesen aus Glas, die - jetzt kommt der magische Teil des Kinos - mit Bier gefüllt sind. So in der Art sind die Ideen des Herrn Maddin, aber nicht immer.

Beinahe interessanter sind seine formalen Näherungen an das klassische Kino und die Reanimierung des Stummfilms. So entstanden die frühen Filme mit wenig Budget und lausiger Technik und Expertise in verlassenen Scheunen seiner frostigen kanadischen Heimatstadt und sehen auch genauso aus. Fettbeschmierte Objektive, Negativfehler, doofe Schlagschatten und ein filmantiker Look aus aufgeblasenem 8- und 16mm-Material machte Maddin zu seinen Markenzeichen. Wie das aussieht, zeigt der Fünfminüter The Heart of the World, der das klassische Dilemma traditioneller romantischer Gefüge zeigt: Zwei Männer, ungleiche Brüder zudem, Bestatter der eine, der andere Schauspieler in einem Passionsstück, lieben dieselbe hochbegabte Frau (eine Wissenschaftlerin, die sich mit dem Weltgefüge befaßt):



Panzerkreuzer Potemkin trifft Gier trifft Metropolis - trifft den großen mit Zunge in der Backentasche inszenierten Heimkinospaß. Guy Maddin. Sieh an. Humor hat er auch.

In den sofalägrigen Tagen des letzten Jahres kämpfte ich mich bis zu seinem neuesten Werk Keyhole (Trailer) durch, einem labyrinthischen Noir-Thriller im Stil der 40er-Jahre, den Maddin erstmals und durchaus respektabel digital drehte. Auf einer traumrealistischen Reise wandert Gangsterboß Ulysses durch die verschiedenen geheimnisvollen Zimmer seines Hauses auf der Suche nach seiner Frau (wieder Rossellini) und dem Herz der ganzen Angelegenheit. Angereichert mit Taxidermie, in weiße Ober- und Unterhemden schwitzende Männer, Udo Kier und hübsch zusammengeklaubter Symbolik allen Unbewußten ist der Film ein Höhepunkt in der Werkreihe. Ein, zwei Ausfälle gibt es nämlich auch, darunter Filme, die Maddin von Anfang an selbst für mißraten hielt, wie er in Caelum Vatnsdals Kino Delirium verrät.

Und das sind Dinge, die ich in meiner Freizeit mache.

>>> Beitrag über Guy Maddin auf Arte

Super 8 | von kid37 um 19:37h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link