Donnerstag, 27. September 2012


Out of the (B)rain



So, liebe Tinky-Winkys. Das Schöne an Urlaubstagen in Hamburg ist ja die Nähe zum Wasser. Vorne Wasser, hinten Wasser und von oben kommt meist noch mehr Wasser. Nah am Wasser, wie ich, also mein Haus, nun mal gebaut bin, fühle ich mich gleich in dem mir ureigenen Aggregatzustand. Sitze gedankenverloren und auch sonst am Wegesrand, inmitten eines urwüchsigen Parkplatzgrüns und denke zwei Meter nach links und ungefähr dieselbe Strecke nach rechts. Links, rechts. Links, rechts. Wie einer dieser brüchigen Scheibenwischerblätter bewegen sich die Gedanken quietschend von einer Ecke des Erkenntnisspektrums zur anderen. Ach, sagen wir einsfuffzig, ich will hier nicht angeben. Ist Hamburg hier.

Eher abgeschlagen als vor einem neuen Abschlag stehend, passiert ansonsten nicht viel. Die Krankenkasse drängelt zur neuen Gesundheitskarte und schreibt Briefe mit unsinnigen Verunsicherungsbehauptungen. Handwerker kommen und gehen, schrauben Dinge an die Wand. Eine neue Gegensprechanlage, an der sich dieses, aber auch jenes einstellen läßt. Lustige Klingeltöne, blinkende Lichter. Der gute Mann drückt mir einen Zettel in die Hand, hier aber, so unsere einhellige Meinung, das Wichtigste: einmal lang, einmal kurz - und schon ist sie aus. Könnt ihr also auf dem kleinen Mäuseklavier unten an der Türe die von Schokolade und anderen Genußmitteln verklebten Fingerchen wund drücken. Ich hör' auf nix, höchstens auf die Stimme meiner Altvorderen.

So kann ich mch auf mein neues Hobby konzentrieren, dem Malen von Heiligenbildchen. Herr Schneck war unlängst so gütig, mich mit entsprechenden lexikalischen Hintergrundinformationen zu versorgen. Die protestantischen Marschlande sozusagen aus dem grauwolkigen Inneren ans Licht zu führen, sei mir eine neue sonntägliche Aufgabe. Sonst wieder Radfahren, sobald usw.

Bis dahin genieße ich das stille Glück, nicht länger einer schwitzigen Sommeridiotie ausgesetzt zu sein, sondern mit hochgeschlagenem Jackenkragen unter korrodiertem, gelbgefärbtem und gewelltem Kunststoffvordach zu stehen, gütige Feuchtigkeit aufzusaugen einer sinnlichen Taufe gleich. Kennt ihr gar nicht, ihr im sonnigen Lala-Land verdorrten Hula-Görls und Surfer-Beuys. Am Ende aber doch entsetztes Entzücken (wahlweise andersherum). Da blogge ich mir seit acht Jahren einen sehnenverkürzenden Schreibtischwolf, und nun kommt mir ein Kurzfilm aus dem Vice-Umfeld daher, der im Grunde alles in zehn Roadmovie-Minuten zusammenfaßt. Beyond Mountains, more Mountains. Gut, die Ringelstrümpfe und die toten Tiere fehlen, dafür hat man an die Rickenbacker gedacht.

Jetzt noch zwei, drei Jahre im Widerstand im Morgenpost-Forum. Dann ausschalten. Wie eine Gegensprechanlage.

>>> Geräusch des Tages: John Fogerty, Who'll Stop The Rain