Freitag, 16. Dezember 2011
Wenn man einmal anfängt, ein Thema genauer zu studieren, ergibt sich ja gerade am Anfang alles wie von selbst. Ein Buch führt wie zwangsläufig zum nächsten, ein Experte zum anderen und bald hat man alles auf 80 Disketten gespeichert und im Forschungslabor verteilt. Freis Allgemeine Pathologie für Tierärzte darf ich hier sicher als bekannt voraussetzen, ein Standardwerk, ohne dessen Kenntnis ich meine Dozentur hier ich nicht weiter fortsetzen brauche.
Weniger bekannt ist das weidezaunweisende Werk von Otto Kraft: Die kriminalistische Untersuchung von Tiervergiftungen. 1965 in Berlin erschienen, war es bislang nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich ("... darf nicht an unberechtigte Personen weitergegeben werden"). Dabei sind hier wertvolle Erkenntnisse über Taubenvergifter und Kälberwürger erfasst. Da mir derzeit der weiträumige Alkoholabusus ärztlicherseits verboten ist, interessiert mich gerade dieser Komplex. Die Mehrzahl der dem Alkoholismus verfallenen Rechtsbrecher, so erfahren wir auf Seite 71, hatte keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Auch fehlten "Charakterbildung fördernde Interessensgebiete" (das ist wie heute, wo ich den Leuten immer sage, Leute, ihr interessiert euch auch echt für nichts). Schon allein hieran, so Kraft weiter, sind die bis in unsere Zeit hineinreichenden, persönlichkeitsschädigenden Auswirkungen der ehemaligen kapitalistisch-junkerlichen Verhältnisse auf dem Lande deutlich erkennbar.
Kraft führt aus: Die Säufer leben auf dem Land. So sei "im Bezirk Schwerin (...) im Jahre 1963 der Spirituosenverbrauch pro Kopf der Bevölkerung um 2,37 Liter höher als im Bezirk Dresden (hauptsächlich Industriegebiet)." Ein Umstand der schlimme Folgen zeitigen kann, wie im Fall des Trinkers K., der sich durch "unbelehrbares Verhalten" vom Kollektiv abtrennte und "Schädlingsarbeit [leistete], indem er in der Absicht, die sozialistische Landwirtschaft zu schädigen, bewußt angesäuerte Magermilch [...] an die Kälber verfütterte. (S. 72) Trau, schau, wem heißt es also, nicht nur in der Liebe, auch in der Landwirtschaft.
In Kapitel 4.5. ("Die Tierleichenbesichtigung") kommt man dann zum Detektivspielteil. Ob Sherlock, ob Fox Mulder oder als sein eigenes CSI-Team, kriminalistisch geschulte Tatortuntersuchungsmethoden (es ist wie in der Immobilienwirtschaft: Lage, Lage, Lage) sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufklärung. Stacheldraht im Futtertrog? Leere, braune Arzneiflaschen im Gehege? Alles Anzeichen für einen böswillig manipulierenden Eingriff.
Und wozu, höre ich fragen, braucht man das? Prodesse et delectare: Ob mir das für die dereinst noch aus dem Reich der Berufs- und Selbstverwirklichungsträume zu holende Imkerei auf Neuseeland nützlich sein wird? Angesichts des ja immer irgendwie überraschend eintretenden Bienensterbens bin ich fast sicher. Ich jedenfalls bin bereit.