Sonntag, 2. März 2008
I want it to be like it was at the start.
(New Order, "Primitive Notion".)
Während Emma durchs Land rast und heftig an den Fenstern rüttelt, wie ein Gast, der spät noch um Einlaß bittet, hängen mir obskure Getränkeexperimente nach. Was im Glas aussah wie frisch geronnenes Ochsenblut, fühlte sich im Mund dann an wie in Schnaps gelöste Erdbeermarmelade. Rechtzeitig erinnerte ich mich an den Sinnspruch meiner Väter: Trinkt nur klare Sachen, Kinder. Ich stieg um auf Wodka und verlebte einen glücklichen Abend, wenngleich am Mittag Morgen die Rechnung mit dem Schlaf nicht stimmt.
Schlapp machen jedoch gilt nicht, denn die famose Lady Grey will mich zum Tanz schleppen. Northern Soul im Hafenklang, vorher noch was interessantes Exotisches essen, dazu Biere aus Übersee. Am Tisch drohe ich kurz einzuschlafen, kann kaum berichten, über dieses oder jenes, von dem mir manches immer noch unfaßbar scheint.
Aber wir haben die Tanzschuhe gepackt und steigen die Treppe hinab in das von kreiselnden Lichtflecken durchbrochene Dunkel, aufblitzendes Lachen, bewegte Körper und eine Woge aus Musik. Man muß sich das wie im Video von Moloko vorstellen, die Mädchen tragen ihre Sixties-Klamotten, hochgesteckte Haare und enge Etuikleider - ganz etwas anderes oder weniger. Frau Grey, tänzerisch begnadet, reißt mich mit, und ich tue so, als wäre Hüftsteife bloß eine weitere Figur aus der Tanzschule. Ich liebe das Schwitzen, die Bewegung, und die traurig-trotzige Musik, die von tiefen Flüssen und hohen Bergen erzählt.
Be young, be foolish, be happy, immer wieder schaue ich auf die kleine Karte mit der Jahreslosung, die ich mir in meine Handfläche geklebt habe. Auf der Tanzfläche übt sich ein Paar im erotischen Engtanz, und ich denke, die machen es richtig. Ich hole noch Bier, schlängel mich durch die Menge, bin zufrieden im schummrigen Licht. Irgendwann, man spürt dort nichts von Sturm und Sonnenstand, ist die Nacht auf einmal kurz gewesen, irgendwann heißt es heim.
Als mich das Dunkel ausspuckt, liegt Hamburg im Regen. Der Wind ist auf einmal still. Ich spüre die kalte feuchte Luft, New Order im Ohr. Die Abende und Nächte, die ich lange vermißte. Für 48 Stunden Leben, stelle ich fest, braucht man nur drei Stunden Schlaf. Ab und an. Andererseits, wie so häufig im Leben gilt: Man wird oft spät erst wach.