Montag, 29. Oktober 2007
When you're lonely."
(Grand Island, "Us Annexed")
Das hatte ich schon lange nicht mehr gemacht. Das letzte Mal sah ich an genau so einem Tag die amerikanische Gitarrengruppe Interpol in einem kleinen Hamburger Club. Boah, war das langweilig. Vielleicht lag es damals an meiner mitgebrachten Laune, aber diesen konfirmationsanzugtragenden New Yorker Gestalten, die da prätentiös auf der Bühne rumlungerten und ebenso wichtig wie lahmarschig auf "wir sind die neuen Joy Division" machten, hätte ich gerne mal tüchtig in den Hintern getreten. Un-er-träg-liches Düstergeleier, völlig verdrängend, daß Post Punk ja eine echte Abgeh-Schaffe war, als er noch angesagt und frisch war. Aber diese Äffchen, wie welk aus überlagertem Zellophanpapier gewickelt, wirkten so kraftlos pathetic, als könnten sie kein Loch in den Schnee pinkeln. Für mich aber, andere mögen das heimlich anders sehen, ist Musik schwitzige Eisenbiegerei und kein pomadiges Staubansetzen. Beim Tauchen, das wißt ihr alle, heißt die goldene Regel, niemals schneller als seine eigenen Luftblasen aufzusteigen. Aber bei Musik, schreibt das bitte auf, darf man sich durchaus lebhafter bewegen als der Rauch der Fluppe, die lässig im Mundwinkel oder am Gitarrenhals steckt.
An diesem Tag habe ich Interpol hassen geringschätzen gelernt - und die späteren Alben gaben mir recht. Danach unternahm ich an genau solchen Tagen gerne etwas anderes, Menschen einladen, die freundlich taten, oder mich von Menschen, die anders taten verlassen lassen. An genau so einem Tag braucht man halt Freude, Freunde, ein großes Drama - oder eine kleine Reise.
Dieses Jahr aber gab es an genau so einem Tag einen neuen musikalischen Versuch, denn die ersehnte Reise, ich mag es kaum zugeben, ist wohl ein seltsames Jahr, sah mich plötzlich von unter Wasser an. Wohl hineingefallen. Ich aber nicht! Ich zupfte mir den Kragen zurecht, marschierte kurzerhand, denn an genau so einem Tag kann man auch mal spontan sein, in mein extendiertes Wohnzimmer und schaute mir, ja, ja, ja, Grand Island an.
WAS FÜR EIN UNTERSCHIED!
Diese ehrlich arbeitenden Menschen aus Oslo (das liegt in Norwegen) legten letztes Jahr ihr Debüt "Say No To Sin" vor. Nun standen sie da, fünf junge Männer, auf der winzigen Bühne und sahen keinen Tag älter als 22 aus, was unter anderem daran liegt, daß sie keinen Tag älter als 22 sind. Der Sänger, das wird jetzt die Damen interessieren, erinnert ein wenig an Vincent Gallo und sieht so aus, als könne er gut noch ein wenig bekocht werden. Grand Island spielten eine Art abgehetztes Schweinerockbrett, das man vielleicht "Artrock-Polka" nennen könnte. Eine Elch-Stampede mit Abitur, sozusagen. Vermutlich unterhalten sie einen winzigen Proberaum auf dem Gelände des Sägewerks, in dem sie tagsüber schuften, und haben sich von dort auch den Strom illegal abgezweigt. Gleich nebenan stürzt, eines dieser norwegischen Naturwunder, ein Wasserfall aus Starkbier donnernd in die Tiefe, die Jungs hacken tagsüber Holz und rocken abends auf ähnliche Weise ihre Instrumente, kümmern sich insbesondere - anders als Interpol - nicht darum, wenn ein Hemd aus der Hose schaut und bringen so jüngere und ältere Jungs mit Ringel-T-Shirts zum Tanzen:
Us Annexed. Ja, richtig gesehen und nur hier wird's verraten: Der in dem Video bin ich.
An diesem Abend von genau so einem Tag also habe ich geschwitzt, gesungen, gelacht und auch ein wenig geweint. All diese verschwendeten Jahre!
>>> Offizielle Webseite von Grand Island