Dienstag, 31. Juli 2007
So wurde heute die allgemein recht bekannte Schauspielerin Kate Winslet zitiert, und man weiß nicht, ob sie diese Feststellung mit Bedauern oder Erleichterung traf. Wenn es denn ein Trost sein sollte, möchte ich Frau Winslet mitteilen, so geht es mir nicht viel anders. Wir sitzen sozusagen im selben vierschlotigen Boot, denn auch ich, so muß ich befürchten, werde nie ein Bond-Girl werden.
Früher, ja damals, bestand noch eine gewisse Chance. Da war ich schlanker, und mein Haar fiel dunkel und schwer. Mit einem Dolch im Bikini hätte ich eine wunderbare Figur gemacht. Nun aber hat sich ein Schleier von Grau über mein Haupt gelegt, so daß ich fürchten muß, nicht einmal als Geheimagent ihrer Majestät noch in die engere Wahl zu kommen. Eine leise Hoffnung bloß bleibt, was dieses Gewerbe angeht, als Gegenspieler. Denn für die Rolle des Bösewichts haben wir Deutschen eine gewisse und auf der Silberleinwand auch gerühmte Tradition. James Bond jagt Dr. Kid, das machte sich in rotumfranster Schrift recht gut auf den Plakaten. Ich stapfte durch ein geheimes unterirdisches Bioschrecklabor und weckte meine finstere Homunculus-Armee, die Daniel Craig und hernach der gesamten Welt bedrohlich an die Gurgel wollte.
Doch während diese Zukunft heller leuchtet als beispielsweise die Reflektion des Silberschopfs von Sky du Mont in der Abendsonne, um auch einmal einen anderen großen Kollegen zu erwähnen, ist mein wahres Leben dunkler als gedacht. Jedenfalls des nachts, wenn es mir zunehmend weniger gelingt, die naturgemäße Finsternis hilfsmittellos zu durchdringen. Das Zahnputzglas, das heute gegen drei klirrend im Handwaschbecken zerbarst, legte unleugbar lautstarkes Zeugnis einer gewissen tapsigen Nachtblindheit ab, die ich an mir bislang nicht kannte. Ein schöner Schurke! Schiffbruch, schreit es. Vielleicht könnte ich ein kleiner Maulwurf werden, der neue Heino Ferch, der überall seine Tunnel gräbt.
Jedenfalls schlurfte ich müde, aber immer noch schlaflos, zurück ins Bett, wühlte mich durch Laken und Kissen, dachte kurz, so trampelig wird aus mir nie ein Bond-Girl werden, drehte mich links, drehte mich rechts, verfluchte die Nacht, den nahenden Morgen, und fühlte mich kurz nach dem Aufstehen so, daß ich dachte, aus mir wird auch nie ein Hirnchirurg werden. Als hätte mich jemand gefragt!
Dabei soll man ruhig wagen, sich in Bewegung und neue Ziele setzen. Ich begriff mein Verharren in diesem immer gleichen Leben, diesem Staub, diesem Schmutz an der Oberfläche des Nie-Veränderns einzig als ein Fehlen persönlicher Hygiene, schreibt Pessoa im Buch der Unruhe. Und so setze man sich ruhig in Züge, verreise von hier en direct Richtung Zukunft, nur um dort in der Gegenwart auszusteigen. Von Cédric Klapisch lernen wir, siehe L'auberge espagnole - Wiedersehen in St. Petersburg, die Bedeutung, die es hat, wenn man die irrende Traumfahrt - endlich! - beendet und am Bahnhof erwartet wird: Es muß ja kein Bond-Girl sein und nicht einmal Kate Winslet. Ein Gedanke, kein Messer im Bikini, vielleicht ein Name auf einer Dankesliste, hell oder dunkel, das Anstoßen zweier Gläser, einfach eine Aufmerksamkeit. Jetzt, meine ich, kein Trost auf irgendwann später. Weil man irgendwann kein Bond-Girl mehr sein wird.