Sonntag, 13. November 2005
You should know by now.
Be careful what you put them through.
(Editors, "Munich")
In meinem extendierten Wohnzimmer spielten am Samstag die Editors, neuester britischer Düsterpop über no-nonsense Postpunk-Rhythmen. Die Jungs aus Birmingham haben angenehmerweise Joy Division und die Bunnymen zum Pausenbrot ihrer Elementary School gehabt und schwitzen das nun aus jeder zwanzigjährigen Pore.
Im vollgepackten Molotow (Ah, bring your own air!) war die Spannung allerdings nicht für jeden zu ertragen. Ein kleiner Trupp nervte durch wildes Gehampel ziemlich ab.
Ist eben doof, wenn man zu weit hinten steht. So ein Gehemmt-Aggressiver fand zwar nichts dabei, alle anzurempeln (Oh, Pogo, [m], der: Hüpftanz mit Anfassen), als es bei Munich ein wenig wilder wurde und ich zurückhüpfte, mochte der das aber gar nicht. Eher ansatzlos sprang mir zum zweiten Mal innerhalb zweier Wochen ein Typ fast an die Gurgel. Erst verstand ich nur was von "Mach Platz" (hardhearing), aber dieses "Isch mach dich platt!" war nun wirklich nicht nett.
Zum Glück habe ich aber nicht mehr die vorlaute Klappe wie vor 20 Jahren und mache keine Kußmünder oder rotze frech "You'll speak when you're spoken to" (Editors) zurück. Mittlerweile neige ich dünnes Hemd halt eher zu pastoralen Beschwichtigungs- und Demutsgesten. Ist besser so. Für mich. Auch wenn vollgepackte Rockschuppen den Vorteil haben, daß eigentlich immer irgendwelche Umstehenden alert genug sind, ihre Muskeln schon mal prophylaktisch vorzupumpen und notfalls Ausfällige zurückzuhalten.
Na ja, vielleicht hatte der Typ schlicht sein Lithium nicht genommen. Egal. Und, he, ich habe ihn nun wirklich ein wenig provoziert. Bißchen. So im Nachhinein betrachtet. Aber er hat angefangen. So. Wie es übrigens stressfrei geht, zeigte der Typ von der Roadcrew, der sich britisch höflich durch die Menge schob. Auch bezeichnend, wenn die Band netter ist als ihre "harten" Fans.
Damit zurück zu den Editors, die von Anfang an keine Gefangenen machten, mit überraschendem Druck und wirklich hervorragenden Sound (Ich sag ja, dieser Typ von der Crew hatte es drauf) die Hamburger zum Rocken brachten. Gitarrengeschredder von einem wobbligen Rickenbacker-Bass unterlegt, dazu ein kraftstrotzender Tom Smith - da waren gleich alle Hände in der Luft und Haare elektrisiert. Mir fiel auch gleich auf, warum ich Interpol nicht ausstehen kann. Wenn Rocker mit Flecken auf der Hose die Bühne betreten, dann bitte, weil da grad noch Leben war. Und nicht, weil man backstage prätentiöses Selbstbefummel treibt. Diese aalglatten Interpolen tragen zwar schicke Anzüge, haben darin aber keinen Platz mehr, ihren Erfolg würdevoll zu verdauen. Muß auch mal gesagt werden, auch wenn das jetzt dem ein oder anderen weh tut. Außerdem überlegt man bei deren Konzerten, ob man nicht besser die Isomatte ausrollen und ein wenig meditieren sollte. Mitsummen, vielleicht.
Die Editors machen dafür so richtig Tempo, wie das halt schon mal so war mit den Fehlfarben und den Gang of Four und Wire und diesen jungen Menschen von vor 25 Jahren. When I was young und hatte dunkles Haar. Und wir hüpften alle und schlugen uns nicht aufs Maul. Und wenn, dann nur zum Spaß.
Tolle Sache.
Wenn man dann nach dem Konzert von der Reeperbahn aus runter zum Hafen spaziert, in betörender Begleitung am besten, kann man ein wenig verschwitzt und mit pochendem Herzen die Queen Mary 2 anschauen. Die liegt da, bunt illuminiert, in den Docks, wird bedengelt und beklopft und läßt sich das in majestätischer Ruhe gefallen.
With one hand you calm me
With one hand I'm still.