Dienstag, 8. November 2005
Ach, der arme Victor! Der schüchterne, ungelenke Tropf wird von seinen Eltern, neureiche Fischhändler von Beruf, in sein größtes Abenteuer gestürzt: Er soll heiraten! Victoria, so die Auserwählte, ist von blauem Blut und schönem Antlitz – doch, zum Unwissen der auf sozialen Status bedachten Eltern Victors, bitterarm. Das schert aber Victor und Victoria nicht, die überraschend Gefühle füreinander entwickeln – zum Entsetzen der kungelnden Eltern.
Da setzt sich ein Drama in Gang: Herr Kid Victor flieht nach der mißratenen Hochzeitsprobe (So was probt man nicht, remember Kill Bill?) in den Wald, übt die ehelichen Schwüre und steckt den Ring an einen knorrigen Zweig, der sich - und nun kömmts! – als die Knochenhand von Miss Wurzeltod Emily entpuppt. Da lachen die Krähen, und Victor sieht sich in der mißlichen Lage, gleich zwei tollen Bräuten sein Versprechen gegeben zu haben. (Ist eben Kino und nicht realistisch, was soll's.) Emily ist so eine Gothic-Braut, durchtränkt von morbider Sinnlichkeit – und leider ziemlich tot. Einst brutal unter die Erde gebracht worden, wartete sie auf einen Liebhaber, der sie im Reich der Toten zur Frau nehmen möge.
Dortselbst geht es recht vergnüglich zu, gar nicht grau und bitter, wie oben unter den Lebenden. Es wird gesungen und musiziert (Musik: Danny Elfman), gelacht und getanzt und so mancher Humpen geleert. Selbst seinen treuen, verstorbenen Hund trifft Victor wieder. Unverständlicherweise aber will unser Held zurück zu den herzenskalten Menschen ("Ich habe ein Problem: Ich bin nicht tot.") – wegen Victoria, natürlich. Aber Emily hat nunmal ihr loses Auge auf ihn geworfen...
Man träumt ja von solchen Projekten: Zehn Jahre hat Tim Burton seine Mannschaft in einer alten Fabrik in London die Puppen tanzen und nach Nightmare before Christmas einen weiteren Puppentrick-Langfilm aus seinem Frankensteinfilmlabor entkommen lassen. Liebevoll, detailliert und voller Charme des Handgemachten – schon der irre Spaß Team America bot den ewig gleichen Computeranimationen die Pappmaché-Stirn. Corpse Bride ist stilistisch der feuchte Traum des Gothic-Fans und hat zudem eine wirklich anrührende Geschichte über Liebe und Verzicht zu bieten.
Wie das wahre Leben eben.
Wer die Möglichkeit hat, sollte sich die Leichenbraut im Original anschauen. Mit den Stimmen von Johnny Depp, Helena Bonham-Carter und Tracey Ullman macht das Grusical gleich noch mal soviel Spaß.
(Tim Burton's Corpse Bride. USA 2005. Regie: Tim Burton, Mike Johnson)