Werkstattbericht


Bislang nur ein Prototyp: Der "Typomat 37" soll einmal die Büroarbeit revolutionieren

"Wir sehen dafür einen Bedarf von vielleicht einer Maschine. Weltweit." So beschied man mir bei der Start-up-Kommission in der Stadt ("Die Höhle der Seehunde"). Das war natürlich unterwältigend, also enttäuschend. Aber ein Erfinder muss nicht nur gut erfinden können, sondern darf auch nicht aufgeben. Mancher wird nun rätseln, was diese Maschine für ein Geheimnis hat. Nun, kurz gesagt, der "Typomat" soll einmal das Schreiben im Heimbüro oder im Kontor vereinfachen (ich bin, soviel sei zugegeben, noch im Entwicklungsstadium, einige technische Aspekte müssen noch gelöst werden, aber: "Mechanisierung first, Bedenken second!" ist das optimistisch unbekümmerte Motto, das auf einem Emailleschild in meiner kleiner Manufaktur hängt).

Mühsames Gekritzel mit Feder und Tinte wird der Vergangenheit angehören, wenn sich meine "Heimdruckmaschine" (zum Patent angemeldet) durchsetzen wird. Sie funktioniert (aus Werkschutzgründen vereinfacht dargestellt) so: Man drückt eine der elegant federnden Tasten und über eine komplizierte mechanische Transmission, für die ich sehr lange und kompliziert nachdenken musste, wird der entsprechende Buchstabe im bereits vorab patentierten "Ritzverfahren" aufs Papier gebracht. "Hallo Welt" war der erste Satz, den ich so verewigte (hier nachgestellt für den internationalen Markt in der englischen Sprache als "Hello World").

Jetzt heißt es, aus verschiedenen Fördertöpfen genügend Finanzmittel zusammenzubekommen, um eine kleine Serienproduktion zu starten. Aus den zu erwartenden Kundenrückmeldungen werde ich dann weitere Verbesserungen vornehmen und kleinere mechanische Unzulänglichkeiten ausbessern. Bereits jetzt aber bin ich überzeugt: Ist das (zugegeben zunächst noch ungewohnte) neuartige Schreibsystem erst einmal begriffen, will niemand mehr zum Füllfederstift oder gar zur einfachen Feder zurück.

Homestory | 10:29h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
twasbo - Sonntag, 19. November 2023, 11:31
Wunderbar! Mir ist erst am "Hello World" in dieser prä-mechanischen Konstellation klargeworden, wie zeittypisch für das 21. Jahrhundert der Größenwahn dieser beiden Worte ist. Wer auf Plastiktasten bei WordPress loslegt und ein Blog über seinen Hamster mit dieser standardisierten und bei WP bereits als Textbaustein vorgefertigten Anrede eröffnet, glaubt vermutlich wirklich, sich damit der ganzen Welt mitzuteilen. Denn schließlich: Sind wir im Internet nicht global alle miteinander vernetzt, eine große Familie von Hamsterfreunden?

Dass er in Wahrheit am Mac höchstwahrscheinlich einsamer vor sich hin fabulieren wird als an diesem Typomaten, dessen Erzeugnisse hinterher in den Schreibstuben der Klöster vieldutzendfach kopiert und an Bibliotheken von Alexandria bis Rom gesandt werden – ach, lassen wir dem Armen doch seine Illusion.

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kid37 - Sonntag, 19. November 2023, 11:46
-.-. --.- Anders noch der Funkamateur und Telegrafist, der - den Sender auf einer einsamen Frequenz abgestimmt - mit seinem verzweifelt unsicherem CQ ("Seek you") nach einer Gegenstation lauscht. Wer weiß, wie sich die Welt noch entwickelt, wenn wir bald alle über typografierende Pappkartons kommunizieren. (Als Übergangstechnologie könnte man die Papiere scannen und in ein soziales Netzwerk speisen.)

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nnier - Sonntag, 19. November 2023, 11:35
Nette Spielerei, aber ob so etwas eine Zukunft hat?
Bin allerdings dem Prinzip des reduzierten Alphabets wie hier erkennbar durchaus zugetan. Es wird ohnehin zu viel geschrieben.

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kid37 - Sonntag, 19. November 2023, 11:49
Genau das haben die bei der Hamburger "Höhle der Seehunde" auch gesagt! Zweifel an der Zukunft. "Ja, lässt sich das denn verkaufen?" (Typisch hanseatisch!). Dabei hätte ich das Fördergeld gut gebrauchen können - wie Sie bereits festgestellt haben, gingen mir die Btabe aus.

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gaga - Montag, 20. November 2023, 01:13
Ritzverfahren klingt recht überzeugend, zumal es Tinte spart. Bitte auf dem Laufenden über die Entwicklung halten!

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kid37 - Montag, 20. November 2023, 12:14
Die Idee kam von Baumrinde als "Datenträger" (heute noch in manchen Parks oder Wäldern zusehen) und sollte zum Tätowieren dienen (wie oft wird sich dabei in der Eile oder aus Ermüdung verschrieben!). Die Maschine sollte ursprünglich auch Sgrafitto heißen, aber aus namensrechtlichen Gründen und weil es auf dem deutschen Markt besser ankommt, wählte ich Typomat. Irgendwas mit "Maschine" wäre wohl noch besser.

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nnier - Dienstag, 21. November 2023, 15:17
Kafka hatte einen ähnlichen Apparat, so meine ich, schon bei "In der Strafkolonie" skizziert - ihm fehlt natürlich ein realistischer Zugang zur mechanischen Praxis.

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kid37 - Dienstag, 21. November 2023, 16:02
Exakt. Da gibt es beeindruckende Umsetzungen für Theaterinszenierungen. Aber man muss eben weiterdenken! Papier statt Haut hat viele Vorteile.

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kid37 - Dienstag, 21. November 2023, 16:02
Überlege gerade, ob "Hello World" nicht ein tolles Tattoo wäre.

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nnier - Dienstag, 21. November 2023, 19:42
Stand, glaub ich, senkrecht auf dem Hals des jungen Fachverkäufers, dem ich heute begegnen durfte, wenn mich mein Chinesisch nicht trügt.

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manhartsberg - Dienstag, 21. November 2023, 11:11
Bravo! Einem erquickenden Fußmarsch nach Brüssel steht also nichts mehr im Wege. Mögen es mehr als 200 Gulden werden. Und sollten Sie wider Erwarten - der Schutzpatron der Erfinder möge abhüten - doch ein ähnliches Schicksal wie das Ihres Kollegen aus südlicheren Gefilden erleiden müssen und womöglich wegen eines harmlosen Schnaderhüpfels auf unvergessliche Fischbrötchenliebhaber Ihrer Heimat auch noch hinter Gittern landen, besteht ja immerhin die kleine Chance, dort auf eine weitere Berühmtheit der kreativen Blogger-Zunft mit Faible für gesiebte Luft zu treffen, so Sie den jährlichen Geschlechtswechselbonus noch nicht in die dafür falsche Richtung eingelöst haben sollten.

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kid37 - Dienstag, 21. November 2023, 11:54
Bin gerade sprachlos. Ich lese dort MEINE Biografie! "Peter Mitterhofer war ein Tausendsassa, ein Visionär, ein Mann mit vielen Talenten, ein Zimmermann, ein Musikant, ein Bastler" - ich fand mich selten treffender beschrieben. Ein tragisches Schicksal, und mir zur Mahnung. "Im Dorf gilt er als Sonderling, der sich nach Ansicht vieler die Zeit mit sinnlosen Basteleien vertreibt" - es klingt, als hätte ich damals schon gelebt. Herzzerreißend, vielen Dank!

Es ist übrigens eine ironische Fußnote, dass nicht Remington die Kugelkopf-Maschine erfand.

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