Gedanken haben mich immer sehr beschäftigt



Neulich, ich kam gerade vom Twerken, musste ich so dieses und jenes im Kopf herumrollen lassen wie eine Eisenkugel (hier ein bedeutsames Video). In jedem Eisen steckt eine Botschaft, so die Botschaft, und die gilt es zu erzählen. Man sieht, im Twin Peaks-Universum bin ich die Log Lady, nur halt ohne Holzscheit.

In meinem nur leicht melancholischem Debütroman Ich zahlte und ging herrschte eine ähnliche Stimmung. Dabei knirschten von Nächten ohne Beißschiene abgemalmte Zähne, waren Nagelhäute aufgerissen und Pläne schlecht durchdacht. So musste ich diese Woche erkennen, dass mein Smartphone, kaum sechs Jahre alt und bis auf den abgewetzten Großbuchstaben des Herstellernamens tiptop, technisch dieses und jenes nicht beherrscht. Für ein Sondenexperiment im Biopharmalabor würde ich aber gerne einen RFID-Chip ansteuern, und daran denkt man ja vorher auch nicht.

Jetzt muss also das gute Stück, kaum ins schulpflichtige Alter gekommen, ausgemustert werden und das hat mit Nachhaltigkeit natürlich gar nichts zu tun. Andererseits sind die Drumherumgewirklösungen auch nicht befriedigend, und dann dachte ich gedanklich, nimm es als Botschaft aus dem Orakel-Tempel "Augen zu und durch" (im Original auf Latein) und geh' den nächsten Schritt! Im Elektronikgroßfachmarkt (Glücksplanet Jupiter leuchtete mir von hinten) dann mit anderen grauhaarigen, kritisch murmelnden Herren Telefone beguckt, kurz überlegt, Himmel oder Hölle?, dann bei der Marke des Vorgängers geblieben und ein Angebot gewählt. Zackzack. Um einen Berater zu erwischen, darf man allerdings nicht höflich sein. Im Gegenteil: Man muss ihn bedrängen, von hinten in den Schwitzkasten nehmen, nicht erst mal seine Arbeit vollenden lassen, selbst, wenn er bis zu den Schultern mit dem Kopf in seinem Containerschrank steckt. So jedenfalls machen das die anderen, bereits gut geübten Kunden, die folglich alle vor mir drankamen, auch wenn sie erst später auf diesem blutig gepflügten Schlachtfeld des Warenkonsums gestrandet waren.

Irgendwann zwinkerten wir uns aber zu, er im zerrissenen blauen Hemd mit heruntergefetzten Ärmeln, ich ein wenig wacklig vom langen Warten aber noch artikuliert und auf dem Punkt ("Haben Sie noch, nehm ich dann, Ladegerät und USB-Kabel brauche ich nicht"). Prahlte noch mit meinem immensem "Kabelbaum" daheim, ahnte aber schon, dass ich so ein modernes Kabel (heißt heute ja nur noch "Ladekabel") dann doch nicht habe, wenn es das vor - sagen wir - 1950 nicht gab.

Solche Gedanken hatte ich, Hege und Pflege, und zu Hause, siehe da, sitzt die Pointe und sagt: "So ein Kabel kennen wir nicht. Das war nie in Paris." Nun war bereits der ganze Kauf und Anschaffungszwang so von Missmut durchtränkt, dass ich eh schon einen Hass pflege auf dieses Gerät, das im versiegelten Karton (vielleicht gebe ich es einfach zurück) gerne bis nächste Woche warten darf, wenn dann nicht nur ich geladen bin, sondern auch der Akku.

So war das, und wenn Die Sterne einst sangen "Von allen Gedanken schätze ich am meisten die interessanten", dann war das jetzt natürlich deutlich unterwältigend, denn ihr Konsumgeübten kauft ja alle drei Monate ein neues Telefon - oder wie Michael Holm einst sang "Cupertino, Cupertino - ich fahre jeden Tag nach Cupertino".

Homestory | 21:59h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nnier - Donnerstag, 15. Juni 2023, 21:13
So ungefähr alle drei Monate mache ich eine ungeschickte Bewegung und schmeiße das Telefon auf den Asphalt (wie so ein Marmeladentoast à la Murphy landet es zuverlässig mit dem Bildschirm nach unten). Habe deswegen durchaus Erfahrung mit Reparaturen (kaum teurer als ein neues Gerät) und leider auch schon der einen oder anderen Neuanschaffung. Es ist jedes Mal ein Graus.

Allerdings spare ich mir den Elektronikfachmarkt, frage einfach Bekannte, was ich kaufen soll, und bestelle das. Den Nahkampf in den Warengassen musste ich jedoch aus anderem Grund erst neulich wieder führen, und es ist ja doch zum Lachen, welche betont unauffälligen Folge- und Umkreisungsbewegungen man um das wenige Verkaufspersonal herum veranstaltet, bis man jemandem geschickt den Weg abschneiden und ihn in die Sackgasse bei den Toastern drängen kann.

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kid37 - Montag, 19. Juni 2023, 13:29
Ja, das sind wichtige Kompetenzen wie einst früher schon bei den Jägern der Steinzeitclans. In Gruppen geht es leichter! Der Versch, mein Telefon gleich mit einer Schutzfolie zu sichern, ging ja leider schief. Es war (fast) perfekt! Akkurat ausgerichtet, blasenfrei aufgeklebt - nur dieses eine winzige Staubkorn, fast unsichtbar am Rand strahlte mich (und wohl auch nur mich) wie ein Super-Trooper Verfolgungsscheinwerfer. Und statt wie sonst nach meiner Maxime "ich lass das jetzt so" zu verfahren, wollte ich es superperfekt machen und richten... Na ja, zum Glück kam die Folie als Doppelpack.

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fritz_ - Donnerstag, 15. Juni 2023, 22:09
Schön zu hören, dass doch noch so viele Menschen den stationären Handel frequentieren, unter ihnen jungdynamische Blogger, und das in der Branche, in der ich es am wenigsten erwartet hätte, nämlich der Branche für blinkendes Spielzeug.

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kid37 - Montag, 19. Juni 2023, 13:30
"Europas größter Elektronikfachmartk", wer könnte da widerstehen. Ich zum Glück nicht, denn das Gerät war sogar 8,- Euro günstiger als beim Versandriesen. Nehmt das, Schnäppchenjäger!

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kaltmamsell - Freitag, 16. Juni 2023, 09:55
Meine große Furcht bei Einkäufen und Dienstleistungen im Telefonie- oder Telefonladen ist ja immer, mit meinem weißen Haupt in Kombination mit weiblicher Zuordnung inkompetent zu wirken (das ist gehört zwar auch in allen anderen Umgebungen zu meine größten Ängsten, aber darum geht es gerade nicht). Das führt dazu, dass ich möglicherweise ein wenig zu forsch und zu wenig konziliant auftrete.
Ich sehe einen Markt für Schauspielkurse.

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kid37 - Montag, 19. Juni 2023, 13:37
Der Verkäufer war geduldig und hörte sich mein angelesenes Altherrengelaber entspannt an. (Hoffentlich bekommt er eine Gehaltserhöhung.) Ich glaube, er war auch froh, dass ich ihn nicht zu Tode gehetzt hatte, wie die anderen "Sagen 'se mal"-Kunden. Vielleicht aber haben diese Verkäufer alle Schauspielkurse gemacht.

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