Ein Tag im Labor



Viele Behandlungen nehme ich seit Jahr und Tag selber vor. Entgiftung, Vasektomie, Lobotomie - alles ist in guten Händen bei Dr. Kid. Nur im kardiologischen Bereich tue ich mich schwer. Operationen am gebrochenen Herzen gehen bei mir regelmäßig schief. Die Patienten leben weiter, sicherlich. Aber sie scheinen wie Gestalten aus Dawn of the Dead. Dumpf und ausdrucklos, so verlassen sie die Praxis.

Wenn Igor mich fragend anschaut, zucke ich für gewöhnlich die Achseln und lege das rostige OP-Besteck zurück in die Schale. "Was weg ist, kann nicht mehr verletzt werden", sage ich. "Und, immerhin, sie laufen noch."
Eines Tages werden sie mir dankbar sein.

Homestory | 18:11h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
monolog - Samstag, 26. Februar 2005, 18:32
Ich glaube, Sie unterschätzen die Phantomschmerzen, die einer solchen Operation nachfolgen..
Vielleicht sollten Sie diese Art der Operation anderen überlassen und sich lieber um Hühneraugen, Haarausfall und ähnliche Malaisen kümmern. Dafür brauchts schließlich auch Experten.

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kid37 - Samstag, 26. Februar 2005, 18:40
Sie halten mich doch wohl nicht etwa für einen Quacksalber?

Gegen Phantomschmerzen gibt es eine Dosis Morphium einen Tupfer Alkohol und einen klugen Spruch (gratis).

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monolog - Samstag, 26. Februar 2005, 18:47
Einen Tupfer Alkohol? Bei der Medikamentierung scheinen Sie vorzugehen wie die Kollegen aus der konventionell-medizinischen Abteilung: zu wenig, viel zu wenig Bedröhnung für all die Schmerzen. (Und dauerhaft wirken tut das ganze Zeug eh nicht, egal, an wen man sich wendet).

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arboretum - Samstag, 26. Februar 2005, 18:50
Als Bedröhnung läuft im OP womöglich das Liedchen von Elfi Graf.

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kid37 - Samstag, 26. Februar 2005, 19:17
Danke. Gut, daß ich die Brechschale hier noch stehen hatte.
Dem nächsten, der mir hier noch mal so einen Wolle- oder Anders- und Schlagerlink hier reinstellt, werde ich ganz persönlich mal das
Lob der Peitsche näherbringen.

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arboretum - Samstag, 26. Februar 2005, 19:29
Herr Kid, für diesen Peitschenkram bin ich zu altmodisch und meine Haut zu zart. Das werden auch Sie mir nicht näherbringen können, fürchte ich.

Darf ich Ihnen ein Stück Ananas als Nachtisch reichen? Oder lieber einen Granatapfel? Kiwis oder Bio-Orangen hätte ich auch noch hier. Immerhin bin ich schuld an dem schlechten Geschmack in Ihrem Mund, weil Sie eben erbrechen mussten, und das tut mir nun doch leid. Ich wusste nicht, dass diese grausige Kindheitserinnerung an Hitparadenzeiten diese Wirkung auf Sie haben würde.

Ach, ich seh' schon, das Obstangebot war nicht das richtige.

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kid37 - Sonntag, 27. Februar 2005, 16:53
Ihr Angebot war dennoch sehr ehrenwert. Und in der Not ißt Strindberg bekanntlich Bio-Orangen. Vielen Dank.

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arboretum - Sonntag, 27. Februar 2005, 17:10
Ich hielt es für besser, Ihnen kein Backwerk anzubieten, denn womöglich fänden Sie Geschmack daran und würden mir gar einen Antrag machen. Und das wäre vollends Ihr Ruin, denn ich bin arm wie eine Kirchenmaus, protestantisch noch dazu. Bekanntlich müssen Sie eine reiche Gönnerin finden, ich aber gehe morgen zum letzten Mal auf die Schlangenfarm. Saisonarbeit, Sie wissen schon, da hift auch kein buntes Hemd. Das, was ich in der Schneekugelmanufaktur nebenher verdiene, reicht nicht einmal für Käsebrote, geschweige denn für solch exqusiten Dinge wie Fruchtzucker.

Ohnehin eignet sich der Gasbackofen meiner Behausung kaum für delikate Fruchtzuckerkuchen. Der taugt nicht einmal dazu, es ihr gleichzutun.

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kid37 - Sonntag, 27. Februar 2005, 23:16
Oh. Arme Protestanten sind wahrlich nicht zu beneiden.Ich hoffe, es gibt für Sie unter den Schlangen aber einen versöhnlichen Abschluß. Mich befällt bei diesen Tieren ja immer ein gewisser katholischer Schauer.

Deshalb lasse ich mir morgen als erstes mal ein wenig im Kopf rumbohren. Bin schon gespannt, wie der Doktor die Lage einschätzt.

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arboretum - Sonntag, 27. Februar 2005, 23:31
Arme Katholiken aber auch nicht. ;-) Müssen immerzu beichten gehen. Oder gehen sie nur wegen der Weihrauch-Dröhnung?

Die Schlangen musste ich nur melken. Ab und an machte ich auch 'mal einen Knoten hinein, wenn mir langweilig war oder die zu sehr zischten. Dann war Ruhe im Karton.
Es ist kein unversöhnliches Ende, es gibt aber auch keinen goldenen Handschlag. Mein Job dort war von Anfang an einer auf Zeit. Immerhin wurde der Vertrag zweimal verlängert, und jetzt bin ich eigentlich ganz froh, das es vorbei ist. Die Schneekugelmanufaktur mag ich eh lieber, und vielleicht finde ich ja noch eine Arbeit in einer Streichholzfabrik. Morgen geht es aber erst einmal zur Agentur für Absurdes.

arboretum reicht Herrn Kid einen Apfel. Nehmen Sie nur, ist gesund.

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kid37 - Sonntag, 27. Februar 2005, 23:37
Die in der Streichholzfabrik nehmen nur Mädchen. Viel Glück bei den Anonymen Absurden. Wir sehen uns dann, beizeiten.

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arboretum - Sonntag, 27. Februar 2005, 23:44
Ich weiß, Herr Kid. Aber dass auch Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen, wundert mich doch etwas.
Äpfel sind wohl auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

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kid37 - Montag, 28. Februar 2005, 00:06
Über Ihre Äpfel möchte ich natürlich nichts falsches gesagt haben. Vermutlich sind die astrein. Sie haben allerdings recht, in den hessischen Wäldern kenne ich mich nicht aus.

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arboretum - Montag, 28. Februar 2005, 00:23
Die blöde Schlange hat wohl gelogen. Von wegen "Baum der Erkenntnis". Bei Ihnen scheint das nicht zu wirken.

Und das alles nur wegen einer Tasse Tee.

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evasive - Samstag, 26. Februar 2005, 19:22
Jesses, und ich wollte mich in Ihre Hände begeben, damit Sie mein Innenleben wieder heil machen... gut, dass ich das hier gelesen habe, denn laufen kann ich auch so, und wenn mir nach Ihrer Behandlung sowieso nicht das Glück aus dem Arsch scheint, dann will ich meine Scherben behalten, sie anschauen und hin und wieder in meinen Tränen baden dürfen.

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