Die Zukunft einer Illusion

To remember is, more and more,
not to recall a story but to be able to call up a picture.

(Susan Sontag, Regarding the Pain of Others. 2003.)

© Juliana Beasley Auch wenn es mit der Rücksicht nicht immer so klappt, ist mir der Blick in den Rückspiegel stets lieb. Technikblütenträume, strahlend, glänzend oder schmuddeliger Dampfmaschinenpunk, wie der Terminus heißt. Die wunderbare Zeit des Damals, als man MP3-Player noch mit der Handkurbel aufziehen mußte. Das ist mit ein Grund, weshalb ich kein Notebook besitze. Das könnte sich aber bald ändern, denn dieses schicke, Schrei-des-Tages-mäßige und offenbar funktionsfähige (kein Nachteil!) Mobilterminal habe ich sofort auf meine Man darf doch mal träumen-Liste gesetzt. Macht sich gut auf dem Beifahrersitz des Buckelvolvos. Rückwärts nach vorne.

Die Zukunft mit großem Z, das ist bekannt, kann allerdings nicht so hell scheinen, wie es die wohltemperiert eingerichtete Vergangenheit nie war. Die Lüge des schönen Scheins, der freundlichen Kinder und treuen Gattinnen, eine Welt, die durch die Wahl des richtigen Haushaltsgeräts zum flanellbezogenen Paradies wird. Putzig findet man das im Rückblick, für den Horror des Ausblicks reicht ein simpler Rechensatz. Dennoch: Muß man sich seine Welt halt ein wenig malen, wie Pipi Langstrumpf einst sang. Mal die Perspektive wechseln. Ein Pilz macht dich größer, und ein anderer, nun, der macht dich wieder klein.

Was aber, wenn die Viktualias älter werden? Was ist mit all den Menschen, die man sonst so übersieht? Die Welt sieht eben doch eher so aus wie auf den Bildern der amerikanischen Fotografin Juliana Beasley. Der illustrierte Hort des Menschenglücks entpuppt sich als Wohnwagen oder Pappkarton. Rockaway Beach. Man hofft indes, es ist die ein oder andere Villa Kunterbunt darunter. Wer möchte sich schon ein Urteil anmaßen?

Augenzucker | 14:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
diagonale - Freitag, 13. Oktober 2006, 18:25
Immerhin habe ich ein wohltemperiertes Klavier in den Fingern, Flohwalzer im Kopf und die Villa Kunterbunt im Herzen. Und eine Käfer-Kollektion krieg ich auch noch. Die Realität kann mich manchmal so hart ran nehmen, wie sie will, ich schalte einfach in einen anderen inneren Modus... dann geht's schon.

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kid37 - Freitag, 13. Oktober 2006, 21:40
Wir sind die Schöpfer unserer eigenen Märchen... so ähnlich ging, glaube ich, das Zitat. In diesem Blog wurde bislang erst einmal der Begriff "Eskapismus" verwendet (natürlich von Hr. Bartleby, dem Schonungslosen!) - unglaublich, eigentlich. Vielleicht, weil Bloggen an sich schon so was ähnliches ist.
Ums Klavierspiel beneide ich Sie jetzt schon sehr. Mir ist das ja leider nicht recht gegeben.

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diagonale - Samstag, 14. Oktober 2006, 00:28
Wir Blogger sind zu einem großen Teil aber doch sicher nur temporär Flüchtige. Sobald wir dem vertrauten Rechner den Rücken kehren, stehen wir in der Realität zu meinst sehr heldenhaft unseren Mann. Bloggs laden doch nur die Batterien wieder auf... glaube ich.

Edit: Klavierspielen ist auch nur eine andere Spielart von Eskapismus. Letzte Woche konnte ich darin sogar meinen Ohrenschmerzen entfliehen. Ich war begeistert, so lange ich spielte.
Und während ich vielleicht ein wenig das Piano bedienen kann, sind sie wahrlich meisterhaft virtuos mit dem geschrieben Wort. Das wiederum ist mir nicht so sehr gegeben.

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ana - Freitag, 13. Oktober 2006, 19:44
Ein tolles Notebook, das Sie da zeigen, mit echtem Holz und Widerstand beim Schreiben in der Tastatur. Scheinbar eine Entwicklung der Chinesen. Aber wo ist die Bk Sp - Taste, die erschien mir damals ein echter Fortschritt zu meiner mechanischen Schreibmaschine zu sein. Löschen, neu anfangen können ...

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kid37 - Freitag, 13. Oktober 2006, 21:34
Nein, die Japaner waren am Werk. Die Backspace-Taste ist diese weiße Taste hinter der Morsetaste, mit der man den Trackball bedient. Ich fürchte bloß, daß wie meist bei sehr, sehr schönen Dingen, eine Serienfertigung nicht zu erwarten ist.

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grau - Samstag, 14. Oktober 2006, 13:13
Hm, erinnert doch stark an diese Kommunikatoren aus "Brazil". Diese Inhalatoren erkenne ich.

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kid37 - Samstag, 14. Oktober 2006, 14:50
Ja, so eine Mischung aus Brazil und Cronenbergs Naked Lunch. Jules Verne hätte es wohl auch nicht anders erfunden. Tolles Teil. Ich stelle es mir gerade im ICE-Abteil vor.

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